Eltern erziehen ihre Kinder zu „aufgeweichten Jammergestalten“, sagt ein renommierter Pädagoge
Ein renommierter Erziehungswissenschaftler erklärt, welchen Fehler Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder machen und was für gravierende Folgen das haben kann.
Neuss - Machen Kinder das, was ihre Eltern ihnen vorgeben oder machen die Eltern, was ihre Kinder wollen? Laut einem Pädagogen ist bei der heutigen Generation eher letzteres der Fall. Eltern verwöhnen ihre Sprösslinge, erlauben ihnen alles und zeigen so weder Grenzen noch Regeln auf. Ein Erziehungswissenschaftler aus Neuss (Nordrhein-Westfalen) ist der Meinung, dass sich dadurch bei den Kindern kein stabiles Selbstbewusstsein entwickelt. Er plädiert deshalb dafür, dass Eltern aufhören, ihren Kindern alles abzunehmen und es ihnen möglichst leicht zu machen.
Pädagoge ist sich sicher, dass Kinder für „Herausforderungen des Lebens nicht gut gerüstet“ sind
Das Kindes- und Jugendalter soll eigentlich auf den oft genannten „Ernst des Lebens“ vorbereiten. Dazu zählt aber nicht nur der Aufenthalt in Kitas oder Schulen, sondern auch das Verhalten der Eltern, die ihren Kindern eben nicht alles durchgehen lassen sollten, sondern klar kommunizieren, wie sich Menschen zu verhalten haben. Laut dem Pädagogen Albert Wunsch sind die Kinder von heute aber kaum belastbar, haben ein geringes Durchhaltevermögen und geben schnell auf, wie er in einem Interview mit dem Spiegel erklärte.

Dass Eltern gerade in der Corona-Pandemie ihre Kinder besonders beschützen wollen, ist verständlich. In der ersten Woche nach den Ferien fuhren Eltern in Baden-Württemberg ihre Kinder beispielsweise direkt vor die Schultür. Verbände forderten daraufhin ein Ende der „Elterntaxis“ für den Schulweg. Laut dem Erziehungswissenschaftler Albert Wunsch sind die Kinder durch die Erziehung aber insgesamt verweichlicht. Sie „bilden sich ein, sie könnten unwahrscheinlich viel, was aber nicht stimmt“, sagte er dem Spiegel. „Und das führt natürlich dazu, dass sie für die Herausforderungen des Lebens nicht gut gerüstet sind.“
Daraus entwickelt sich auch eine Selbstdarstellung, die für die Kinder nicht gesund sein kann. „Heute sitzen in einer ersten Klasse viele Prinzen und Prinzessinnen, die alle meinen, sie seien der Nabel der Welt“, so Wunsch. „Die sich uneingeschränkt mitteilen wollen, Lob erwarten und mit einem Stopp oder Kritik nicht umgehen können.“ Das Verhalten der Kinder resultiere laut Wunsch eben aus dem Verhalten der Eltern. Der Pädagoge sagt, Eltern erziehen ihre Kinder zu „aufgeweichten Jammergestalten“, berichtet auch 24hamburg.de*. Und auch Schauspieler Henning Baum ätzte bereits über Erziehungsmethoden.
Erziehungswissenschaftler Albert Wunsch: Eltern wollen sich beweisen, schaden dadurch aber dem Kind
Eltern wollen sich gegenüber ihren Kindern als guter Vater und Mutter und oftmals auch als Freund oder Freundin beweisen. Dadurch schaden sie ihren Sprösslingen aber. „Sie loben ihre Kinder für jede Kleinigkeit und sie nehmen ihnen zu viel ab“, sagt Wunsch. „So entwickelt sich beim Kind kein echtes, stabiles Selbstbewusstsein.“ Dieses könne sich nämlich nur entwickeln, wenn das Kind eigenständig bestimmte Fähig- und Fertigkeiten durch Übung erlernt. „Kinder sollten früh lernen, mit Herausforderungen klarzukommen“, so der Experte. „Das ist ihnen aber kaum möglich, wenn die Eltern zu viel für sie handeln und sie vor Konflikten schützen.“
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist bereits in der Vergangenheit erschienen. Er hat viele Leserinnen und Leser besonders interessiert. Deshalb bieten wir ihn erneut an.
Laut dem Pädagogen sind die Gründe für die heutige Erziehung der Kinder sehr banal. Den Kindern recht zu geben und ihnen alles durchzulassen sei einfacher und auch schneller, sagte er dem Spiegel. Zudem sei ein Wunsch vieler Eltern, Konflikte mit ihren Kindern zu vermeiden. „Das ist nachvollziehbar, aber für das Kind ist es negativ. Und von den Eltern eher egoistisch“, so Wunsch. Natürlich können solche Aussagen nicht pauschal auf alle Kinder angewandt werden, wie auch der Erziehungswissenschaftler zugibt. „Ich sage ja nicht, dass das auf alle Kinder zutrifft, aber die Zahl wächst.“