Markenexperte kritisiert Penny-Weihnachtsfilm, der im Netz abgefeiert wird

Der Weihnachts-Werbefilm „Der Riss“ von Penny schlägt hohe Wellen und wird von vielen gefeiert. Ein Markenexperte sieht den Clip aber kritisch.
Stuttgart/Köln – Weihnachten steht kurz bevor, doch in diesem Jahr können sich viele nicht so wirklich auf das Fest der Liebe freuen. Das zurückliegende Jahr war erneut von mehreren Krisen geprägt, darunter der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und auch die in vielen Ländern noch immer anhaltende Corona-Pandemie. Dass es in diesem Jahr auch zum Weihnachtsfest einige Probleme gibt, die die Freude und das Beisammensein trüben, hat der Discounter Penny in seinem aktuellen Werbefilm mit dem Titel „Der Riss“ aufgegriffen. Kürzlich ging auch der Weihnachtswerbeclip von Kaufland viral.
„Corona, Migration, Energiekrise – noch nie gab es so viele Konfliktthemen, die unseren Alltag bestimmen. Die Risse, die dadurch entstehen, spüren wir alle und machen oftmals selbst vor Familien und Freunden keinen Halt“, schreibt Penny auf YouTube unter den Werbefilm, der bereits mehr als 19 Millionen Aufrufe verzeichnet (Stand: 23.12.2022). Der zur Rewe Group gehörende Discounter will nach eigener Aussage mit dem Weihnachtsfilm zeigen, dass oft bereits ein kleiner Schritt reicht, um aufeinander zuzugehen. Ein Markenexperte hat mit der Aussage des Clips aber seine Probleme.
Penny-Weihnachtsfilm „Der Riss“ zeigt Spaltung der Gesellschaft – und wirbt für Zusammenhalt
Der rund 4 Minuten lange Werbeclip „Der Riss“ von Penny zeigt eine Frau, die offenbar an Heiligabend auf dem Weg nach Hause ist und dabei mehreren Konfliktthemen begegnet. Dargestellt sind unter anderem die Klimaproteste, die Corona-Pandemie, rassistische Anfeindungen gegen Migranten, Krieg und Krisen in den Medien, Gewalt in Familien und einige mehr. Nach und nach bilden sich in dem Haus, in dem die Frau wohnt, die titelgebenden Risse, sodass das Haus in Begriff steht, einzustürzen. Die Frau sitzt gegen Ende des Clips weinend in den Trümmern ihrer Wohnung, als ein Junge, der sie zu Beginn des Films als „scheiß Klimaschwein“ beschimpft hatte, zögerlich durch die Tür tritt.
Zuvor war zu sehen, wie der Junge mit seinem BMX-Fahrrad – mit dem er zu Beginn des Clips beinahe einen Crash mit dem Auto der Frau verursacht hatte – vor der Tür seiner Wohnung steht und offenbar seine Eltern laut streiten hört. „Können wir reden?“, fragt er die weinende Frau, als er zögerlich in ihre Wohnung getreten ist. Daraufhin zeichnet sich auf dem Gesicht der Frau ein Lächeln ab und der Riss, der beim ersten Aufeinandertreffen der beiden in ihrer Brille entstanden war, schließt sich wieder. „Wir alle können etwas gegen die Risse in unserer Gesellschaft tun“, heißt es anschließend. „Wir können aufeinander zugehen.“
Netz feiert Penny-Weihnachtsfilm – Markenexperte ist kritisch: „Bietet keine Differenzierung mehr“
Unter dem Video von Penny auf YouTube sind die Nutzer von dem Werbefilm und den dargestellten Missständen begeistert:
- „Der Kurzfilm ist ein Meisterwerk und könnte sogar international Aufmerksamkeit erregen, da es alle wichtigen Punkte der zerrissenen Gesellschaft anspricht.“
- „Ich bin fast sprachlos. Einfach ein genialer Film mit einer starken Botschaft!“
- „Ihr habt in diesem Film alles, aber auch wirklich alles erfasst. Das ist Deutschland im Jahr 2022 - allen Menschen, wo auch immer sie leben, ein friedliches Weihnachtsfest.“
- „Ich bin auf den Film gestoßen, ohne zunächst zu wissen, was das Thema ist, und habe ihn gebannt bis zum Ende angesehen. Ein wirklich toll gemachter Kurzfilm mit einer schönen Botschaft!“
- „Mein Vorweihnachtswunsch: Ob denn bitte jeder Mensch, der diesen Spot gesehen hat und der von ihm angesprochen/ berührt wurde, von nun an nur ein kleines bisschen mehr Menschlichkeit verschenken mag?“
„Es ist ein toller Film - er macht auch mir Gänsehaut“, sagte auch der Markenexperte Oliver Errichiello im Interview mit der WirtschaftsWoche. „Die Botschaft ist rundherum positiv.“ Der Wirtschaftssoziologe aus Hamburg hat mit der Penny-Werbung dennoch seine Probleme und fragt sich, ob der Clip der Marke in irgendeiner Form weiterhilft. „Das Problem ist nämlich, dass es bei dieser Form von Werbung völlig gleichgültig ist, ob der Absender dieser guten Weihnachtsbotschaft Penny, Lidl, Aldi oder Edeka ist“, führte er aus. „Die Zuschauer haben das mitunter nicht einmal registriert.“ Ein anderer Markenexperte hatte in diesem Jahr das Russland-Geschäft von Ritter Sport verteidigt.
Werbung habe einmal damit begonnen, dass die Menschen über die Eigenschaften eines Produktes informiert wurden, so der Experte. „Inzwischen ist sie nur noch dazu da, Emotionen zu transportieren.“ Tatsächlich wird in „Der Riss“ kein Produkt beworben, weswegen einige Nutzer unter dem Video auch angegeben, zunächst gar nicht realisiert zu haben, dass der Clip von Penny stammt. „Der Effekt ist, dass die Werbung den Marken keine Differenzierung mehr bietet – und den Menschen da draußen immer egaler wird“, sagte Oliver Errichiello. Dass der Clip den Menschen egal ist, kann anhand der vielen überschwänglichen Kommentare unter dem Video aber nicht behauptet werden.