Was hat Ihnen von all diesen Aufgaben am meisten Spaß gemacht?
Als ich bei den Olympischen Spielen kommentieren durfte und meine beste Freundin währenddessen eine Goldmedaille gewonnen hat, hat das schon ganz schön Spaß gemacht. Das wäre natürlich cool, wenn das so weiter geht. Es ist aber auch schön, sein Buch im Regal stehen zu haben. Das macht mich sehr stolz. Das Leben, wie es aktuell ist, macht Spaß. Manchmal ist es hier und da anspruchsvoll und nicht immer rosarot, aber ich würde keines meiner Projekte missen wollen.
Haben Sie schon weitere Pläne, was Sie als Nächstes anpacken möchten?
Aktuell studiere ich an der Trainerakademie, um Diplom-Trainerin zu werden. Ich habe zwar schon den Trainer-Schein, aber dadurch bin ich weiter und besser qualifiziert. Ich brauche noch knapp zwei Jahre bis zum Abschluss. Voraussichtlich bin ich vor den Olympischen Spielen in Paris fertig.
Man erlebt fast täglich irgendeine Art von Diskriminierung.
Sie meinten einmal in einem Interview, dass Sie eine Teilnahme an den Paralympics ausschließen. Ist das noch immer so?
Die paralympischen Leistungssportler sind unheimlich krass. Ich finde es erschreckend, dass der paralympische Sport nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die der olympische Sport in Deutschland erhält. Leistungssport hat immer irgendwann ein Ende. Für mich kam es durch den Unfall früher als geplant. Es gibt für mich keine andere Sportart, die mich so ausgefüllt hat, wie es das Bahnradfahren getan hat. Meine Devise lautet: ganz oder gar nicht. Wenn ich nicht das Feuer für etwas habe, wie etwa für den Bahnradsport, warum sollte ich es dann machen? Ich mache immer noch paralympischen Sport für mich, weil ich gerne Sport mache und man aktiv sein sollte.
Glauben Sie, dass der Unfall Ihnen auch neue Türen geöffnet hat und Sie nun Dinge tun, an die Sie vor dem Unfall nie gedacht hätten?
Ich bin ja zum ersten Mal in einer Zeit, wo das Leben nach der Karriere auch einfach stattfindet. Während meiner Radsportkarriere hätte ich vieles in dem Umfang, in dem ich es heute mache, gar nicht machen können. Das Training hatte damals einfach den höchsten Stellenwert. Wenn ich heute im Alltag mal keine Zeit für Sport habe, dann ist das auch okay. Als Leistungssportler ist das undenkbar. Da ich meine Zeit als Nicht-Leistungssportlerin nur mit Behinderung kenne, kann ich das nur schwer sagen.
In einer Instagramstory haben Sie einen Hotelbesuch gezeigt, bei dem ein Duschhocker auf einer Ablage lag, die für die meisten Rollstuhlfahrer unerreichbar wäre. Ärgert Sie so etwas?
Für mich war der Duschhocker zum Glück erreichbar. Für andere, die nicht so fit sind wie ich, wäre es ein Problem gewesen. Man will vieles zwar barrierefrei machen, doch oft denken die Menschen nicht bis zum Schluss. Von daher ist der Alltag mit Behinderung anstrengend, tatsächlich auch, weil Inklusion nicht so stattfindet, wie es stattfinden sollte oder wie man es sich auch wünscht.
Man erlebt fast täglich irgendeine Art von Diskriminierung. Es ist noch ein sehr langer Weg, bis dem nicht mehr so ist. Bis dahin nutze ich meine Stimme, um darauf aufmerksam zu machen, dass es auch die kleinen Sachen sind, die helfen. Es muss nicht immer gleich der riesige Fahrstuhl sein, manchmal reicht es schon, wenn die Putzkraft nach der Reinigung des Zimmers den Duschhocker nicht außer Reichweite liegen lässt. Aufklärung ist hier das A und O. Aufklärung kann dabei helfen, die Welt diverser und bunter zu machen. Es bringt niemandem etwas, wenn man zehn gleiche Menschen an einen Tisch setzt. Dann wird das Projekt langweilig. Aber wenn viele Meinungen und viele Menschen zusammenkommen, dann wird es erst bunt, toll und interessant. Das spiegelt auch das wider, was wir in der Gesellschaft brauchen.
Es wird immer viel von Inklusion geredet, es passiert aber vergleichsweise wenig. Was glauben Sie, woran das liegt?
Es braucht hier eine Politik, welche die Regeln auch mal durchsetzt. Es gibt viele Länder, in denen das barrierefreie Bauen verpflichtend ist. In Deutschland ist die Gesetzeslage zwar da, es hält sich jedoch niemand daran, da es auch keine Strafmittel gibt. Und solange Firmen es noch als „Good Will“ ansehen, Menschen mit Behinderung einzustellen, sagt das sehr viel über die Gesellschaft aus.
Kristina Vogel ist eine ehemalige deutsche Bahnradfahrerin und Olympiasiegerin. Sie wurde am 10. November 1990 in Leninskoje, Kirgisistan, geboren und lebt in Erfurt, Deutschland. Kristina Vogel war auf das Bahnradfahren spezialisiert und wurde von Detlef Uibel trainiert. Vogel gewann unter anderem 11 Weltmeistertitel und 2 Goldmedaillen bei Olympischen Spielen. Ein Trainingsunfall 2018 zwang die Spitzensportlerin zum Karriere-Aus. Das Leben im Rollstuhl tat Kristina Vogels Sportbegeisterung keinen Abbruch. Sie ist Trainerin in der Spitzensportfördergruppe der Bundespolizei und kommentiert und moderiert für das ZDF und Eurosport.