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DB-Chef: „Qualität und Zuverlässigkeit der Bahn sind nicht akzeptabel“

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Von: Julian Baumann

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Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, äußert sich bei einem Pressetermin im Bahnhof Berlin-Südkreuz.
Bahn-Chef Richard Lutz räumt Probleme beim Staatskonzern ein und verspricht für 2023 Besserung. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Bei der Deutschen Bahn hapert es aktuell an allen Ecken und Enden. Auch DB-Chef Richard Lutz räumt Probleme ein und verspricht Besserung im kommenden Jahr.

Stuttgart/Berlin - Reisende, die aktuell am Hauptbahnhof in Stuttgart oder einer anderen deutschen Großstadt stehen, sind Durchsagen über Verspätungen, Zugausfälle, Stellenwerkstörungen oder ähnliche Erklärungen, warum die Züge nicht so fahren, wie eigentlich vorgesehen, inzwischen gewohnt. Aktuell scheint der auch finanziell angeschlagene Staatskonzern aber bundesweit heillos überfordert zu sein. Überall kommt es zu Verspätungen und Ausfällen, Gleise müssen saniert werden und Baustellen sorgen sowohl bei Reisenden als auch bei Berufspendlern für Frust.

In den vergangenen Jahren hat die Deutsche Bahn nicht nur als Mitträger hohe Summen in das Großprojekt Stuttgart 21 investiert, sondern auch in das bundesweite Schienennetz. Trotz der Milliardeninvestitionen, die größtenteils von Steuergeld bezahlt wurden, wird das Netz zunehmend schlechter und der Frust bei den Kunden größer. Im Gespräch mit dem Handelsblatt räumt auch DB-Chef Richard Lutz die Probleme ein und verspricht Besserung im kommenden Jahr. Mit der sogenannten „Generalsanierung“ der besonders maroden Strecken stehen die größten Baustellen wohl aber noch bevor.

Deutsche Bahn: Im Juli waren bundesweit gerade mal 60 Prozent der Züge pünktlich

Laut Angaben des Handelsblatts waren im Juli 2022 gerade mal 60 Prozent aller Züge in Deutschland pünktlich. Besonders ins Gewicht fällt, dass es sich aufgrund von Oberleitungsstörungen und Baustellen oft nicht nur um Verspätungen von wenigen Minuten handelte. „Die Qualität und Zuverlässigkeit der Bahn ist zurzeit nicht akzeptabel“, gesteht Bahn-Chef Richard Lutz im Gespräch mit der Wirtschaftszeitung ein. Da das nicht der Anspruch des Konzerns sei, habe man reagiert und biete beispielsweise Reiseverbindungen mit zu kurzen Umsteigezeiten nicht mehr an. „So wollen wir solide informieren und Frust vermeiden.“

Zu kurze Umsteigezeiten können bei Verspätungen durchaus zu Frust führen, wenn man dadurch seinen Anschlusszug nicht mehr erreicht. Das Hauptproblem lag in den vergangenen Wochen und Monaten aber ganz woanders. Am Samstag, 9. Juli, löste beispielsweise ein Kurzschluss an einer Oberleitung in Stuttgart ein wahres Bahnchaos aus. Der Fernverkehr fiel kurzzeitig sogar ganz aus und die Bahn benötigte mehrere Tage, um das Chaos zumindest einigermaßen zu beseitigen. Grund dafür war, dass die Bahn in ganz Deutschland nach Ersatzteilen suchen musste.

So wie Stuttgart im Juli ging es vielen Hauptverkehrsknoten in der Bundesrepublik in den vergangenen Wochen. Zumal das 9-Euro-Ticket für noch mehr Bahnverkehr sorgte. „Im Moment rollt alles, was wir haben. Noch nie waren so viele Züge in Deutschland unterwegs“, erklärte Richard Lutz. „Obendrein bauen wir so viel wie nie. Unsere Infrastruktur ist maximal belastet.“ Im kommenden Jahr müsse man bei der Pünktlichkeit deutlich besser werden. „Wir wollen vor allem die extremen Ausreißer bei der Unpünktlichkeit in den Griff bekommen. Die sorgen für Ärger, nicht eine Verspätung von wenigen Minuten.“

Deutsche Bahn will 2024 die besonders maroden Streckenabschnitte sanieren

Neben der Bekämpfung der Unpünktlichkeit hat die Deutsche Bahn in den kommenden Jahren noch viele weitere Baustellen vor sich. Im Rahmen der „Generalsanierung“ sollen besonders marode Streckenabschnitte erneuert werden. „Das beginnt bereits im nächsten Jahr, die erste Generalsanierung wird dann 2024 folgen“, sagte Richard Lutz. „Da die Zeit drängt, werden wir die zusätzlichen Mittel zunächst aus unserer Tasche bezahlen. Spätestens ab 2024 braucht es dann eine nachhaltige Finanzierung aus dem Bundeshaushalt.“ Demnach wird in den kommenden Jahren weiteres Geld in das veraltete Schienennetz investiert und die Reisenden können sich wohl auf erneute Baustellen einstellen.

Zudem machen die Folgen des Ukraine-Krieges, vor allem die stark gestiegenen Energiekosten, auch dem Staatskonzern zu schaffen. „Die DB wird beim derzeitigen Preisniveau allein im Jahr 2023 über zwei Milliarden Euro mehr für Strom zahlen müssen“, erklärte der Konzernchef dem Handelsblatt. Ob sich das auch auf die Ticketpreise niederschlagen wird, wollte Richard Lutz nicht sagen. Fest steht aber, dass die Bahnreisenden seit dem 1. September aufgrund des entfallenen 9-Euro-Tickets wieder deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen.

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