1. bw24
  2. Wirtschaft

„Mehr Verkehr erzeugt“: 9-Euro-Ticket führt nicht dazu, dass Menschen ihr Auto stehen lassen

Erstellt:

Von: Julian Baumann

Kommentare

Trambahn und Porsche begegnen sich auf der Luxusmeile Maximilianstrasse in München.
Erste Auswertungen, unter anderem im Großraum München, zeigen, dass das 9-Euro-Ticket nicht dazu führte, dass Menschen ihr Auto stehen ließen, um den Öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. © Wolfgang Maria Weber/Imago

Das 9-Euro-Ticket ist laut der Politik ein voller Erfolg. Aus wirtschaftlicher Sicht zeigen erste Auswertungen allerdings, dass das Angebot nicht wirklich zum Klimaschutz beitragen konnte.

Stuttgart/Berlin - Neben dem Umstieg von Verbrennern auf E-Autos soll auch die vermehrte Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs statt des eigenen Pkw zu einer Verbesserung der Klimabilanz beitragen. Zu diesem Zweck und um die Verbraucher in Zeiten der Inflation zu entlasten, können Kunden seit Juni für neun Euro pro Monat mit Bus und Bahn durch ganz Deutschland fahren. Weil das Angebot Ende August ausläuft und nach Angaben hochrangiger Politiker ein voller Erfolg war, wird derzeit bereits über ein Nachfolgeangebot diskutiert.

Erste Auswertungen in Bezug auf das Verkehrsaufkommen zeigen allerdings, dass das 9-Euro-Ticket die Menschen nicht dazu bewogen hat, ihr Auto stehenzulassen. Etwas mehr als zwei Monate nach dem Start des Angebots ist zwar ersichtlich, dass das Verkehrsaufkommen im öffentlichen Nahverkehr deutlich zugenommen hat, das liege allerdings daran, dass viele Menschen Fahrten unternähmen, die sie ohne das Angebot nicht machen würden. „Es deutet sich an, dass wir hier keinen klaren Klimavorteil mit dieser Aktion haben“, sagte ein Experte der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

9-Euro-Ticket hat nur „leichten Verlagerungseffekt von der Straße auf den öffentlichen Nahverkehr“

Für neun Euro durch ganz Deutschland klingt natürlich nach einem unschlagbaren Angebot. BW24 hat beispielsweise 8 Ausflugsziele in und um Stuttgart aufgelistet, die man mit dem 9-Euro-Ticket erreichen kann. Viele Menschen nutzten dieses Angebot allerdings, um Reisen zu unternehmen, die sie für den regulären Ticketpreis wohl kaum unternommen hätten. „Das Ticket führt zu einer höheren Nutzung des öffentlichen Verkehrs, aber vor allem selektiv auf bestimmten Strecken, sogar so weit, dass dort der Verkehr zusammenbricht“, sagte Christian Böttger, Bahn-Experte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) der Tagesschau.

Ein prominentes Beispiel dafür, dass das 9-Euro-Ticket oftmals dafür verwendet wurde, um Reisen zu unternehmen, die man sonst nicht unternommen hätte, ist die massenhafte Anreise von Punks per Zug auf die Nordseeinsel Sylt. Dass Menschen ihr Auto zu Hause stehen lassen, um stattdessen mit dem Zug oder dem Bus zufahren, konnte durch das Ticket allerdings nicht erreicht werden, wie unter anderem Befragungen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und auch Untersuchungen im Großraum München ergaben. „Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich nur ein leichter Verlagerungseffekt von der Straße auf den öffentlichen Verkehr von bestenfalls zwei bis drei Prozent erkennen“, sagte auch Christian Böttger.

Erste Auswertungen des 9-Euro-Tickets zeigen laut Experten „sehr alarmierende Daten“

Während beispielsweise Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über einen Sprecher den großen Erfolg des 9-Euro-Tickets verkündeten, ist die wirtschaftliche Aufarbeitung noch im vollen Gange. „Viele der aktuellen Daten muss man mit Vorsicht genießen“, erklärte Philipp Kosok der dpa. Obwohl die Datenlage noch dünn sei, zeigen die ersten Erhebungen allerdings ein ernüchterndes Bild. „Das, was vorliegt, sind allerdings sehr alarmierende Daten. Es deutet darauf hin, dass mit dem 9-Euro-Ticket mehr Verkehr erzeugt und vor allem kaum verlagert wird.“

Demnach habe der Versuch nicht wie erhofft eine positive Auswirkung auf das Klima, sondern möglicherweise sogar eine negative, so Kosok weiter. „Es deutet sich an, dass wir hier keinen klaren Klimavorteil mit dieser Aktion haben.“ Um Autofahrer von einem Umstieg auf Bus und Bahn zu überzeugen, ist das 9-Euro-Ticket demnach nicht geeignet. In den sozialen Medien nennen Nutzer dafür auch den Grund, dass die Verkehrsbetriebe gerade durch das hohe Verkehrsaufkommen zu unzuverlässig seien, und sie aufgrund von Zugausfällen oder Streckensperrungen gezwungenermaßen auf das Auto zurückgreifen müssten.

Ob das 9-Euro-Ticket ein Erfolg war, oder den Klimaschutz sogar negativ beeinflusst hat, lässt sich wohl nur mit etwas Abstand beurteilen. Der Leiter der Studie im Großraum München zieht trotz der ernüchternden Ergebnisse in Bezug auf die Nutzung der Autos ein positives Zwischenfazit. „Das wichtige Ergebnis ist: Viele haben die öffentlichen Verkehrsmittel in ihren Alltag integriert“, erklärte Klaus Bogenberger laut der Tagesschau. Einige Effekte des 9-Euro-Tickets dürften den Verbrauchern allerdings bereits jetzt sauer aufstoßen. Der ÖPVN zieht bereits die Ticketpreise in ganz Baden-Württemberg an und auch der VVS will die Preise nach dem 9-Euro-Ticket deutlich erhöhen.

Auch interessant

Kommentare