Meteorologe warnt vor Hitzewellen: „Wir sind viel, viel zu langsam“

Hitzewellen sind auch in Deutschland mittlerweile keine Seltenheit mehr. Experten warnen, dass Temperaturen um 40 Grad, wie wir sie derzeit erleben, bald keine Seltenheit mehr sein werden.
Stuttgart - Auch wenn es einem rückblickend auf den recht kühlen Sommer 2021 nicht so vorkommen mag: Hitzewellen werden immer häufiger und auch extremer. Das Wetter in Deutschland ist diesen Sommer das beste Beispiel dafür. Extremtemperaturen um 40 Grad, anhaltende Trockenheit und hohe Waldbrandgefahr - der Klimawandel hinterlässt seine Spuren.
Besonders hart trifft es diesen Sommer jedoch Südwesteuropa. Portugal und Spanien haben durch die Hitze bereits über tausend Tote zu betrauern. Solch ein extremes Wetter gab es dort seit 1.200 Jahren nicht. Und trotz der belastenden Fakten: Noch immer argumentieren die Menschen, solche Hitzewellen habe es schon immer gegeben. Das stimmt, zwar, die Ausmaße der Trocken- und Hitzeperioden sind allerdings mittlerweile weitaus größer und schlimmer, wie auch die Weltwetterorganisation WMO sagt. Diese ist davon überzeugt, dass Hitzewellen wie die aktuelle fortan zum normalen europäischen Sommerklima gehören. 40 Grad sind da auch bei uns nur der Anfang.
Sommer der Zukunft: Hitzewellen werden extremer, länger und treten häufiger auf
Die WMO machte gegenüber der Tagesschau eine beunruhigende Aussage: Bis zum Jahr 2060 werde es voraussichtlich immer mehr und immer stärkere Hitzewellen geben - und zwar unabhängig vom Erfolg der Klimaschutzbemühungen. „Wir werden uns an diese Art von Wetter gewöhnen müssen. Und die aktuellen Temperaturen werden uns in den kommenden Jahrzehnten als mild erscheinen“, sagte Petteri Taalas, Generlasekretär der Weltwetterorganisation, gegenüber der ARD.
Zugleich betonte Taalas aber auch die Hoffnung, dass die Welt die derzeitige Lage als „Weckruf“ wahrnehme. Man müsse mehr gegen den Klimawandel unternehmen, so der Experte. Als ein eindringliches Zeichen wertete Petteri Taalas auch den gebrochenen Hitzerekord in Großbritannien. Am Dienstag (19. Juli) war dort erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen eine Temperatur von mehr als 40 Grad erreicht worden. In Italien wurde bereits vergangenen Sommer ein europäischer Hitzerekord aufgestellt. „In Sizilien hatten wir im vergangenen Sommer 48,8 Grad, die bis jetzt noch nicht überschritten wurden“, sagt Petteri Taalas. Aber es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis auch dieser Wert gebrochen wird, so der WMO-Chef weiter.
In Italien sind die Folgen der Hitzewelle auf dramatische Weise sichtbar: Der Fluss Po in Norditalien liegt blank und führt beinahe kein Wasser mehr.
Meteorologe prangert an: „Wir haben einen Auftrag“
Auch Meteorologe Sven Plöger äußerte sich in einer ARD-Sondersendung zur Hitzewelle besorgt über die derzeitige Lage. „Der Klimawandel wird haptisch“, sagte er dort. Hitzewellen würden, wie auch die Periode, die wir aktuell erleben, immer größer, länger und häufiger auftreten. „Im Grunde erleben wir eigentlich heute das, was die Klimaforschung uns vor 30, 40 Jahren angesagt hat“, so der Experte und mahnte in Hinblick auf den Ausbau erneuerbarer Energien: „Wir sind viel, viel zu langsam“, prangerte der Meteorologe an. „Ich frage mich manchmal, ob wir als Gesellschaft begriffen haben, wo wir wirklich stehen.“
Auch die „Wetterkarte des Schreckens“ macht deutlich, wie prekär die Lage ist. Für den August sagen die Wettermodelle noch mehr Hitze und Trockenheit voraus. Der dringend benötigte Regen ist auch dann noch nicht in Sicht.
Dennoch sei noch Zeit, etwas zu ändern, betont Sven Plöger. Würde man die Zeit „anständig nutzen“, habe man „noch eine Chance“, ins Geschehen einzugreifen und die gesteckten Klimaziele zu erreichen. „Die Wissenschaft sagt klar, wir können das in den Griff bekommen. Diese Hoffnung möchte ich erhalten“, sagt der Meteorologe. „Wir haben einen Auftrag.“