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Kurioser „Fund“: Brief erreicht Adresse nach über 100 Jahren

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Von: Nadja Austel

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Stempel von Großbritannien mit rotem Abdruck auf braunem Papier in Nahaufnahme. (Symbolbild)
Kurioser „Fund“: Brief erreicht Londoner Adresse nach 105 Jahren. (Symbolbild) © Imago/Maksym Yemelyanov

Wenn die Post sich verspätet: Ein Brief aus dem Jahr 1916 erreicht seinen Bestimmungsort im Jahr 2021 – die Royal Mail rätselt.

London – Der Briefumschlag trägt den Poststempel der südenglischen Stadt Bath und das Stempeldatum lautet „6 Feb 16“. Finlay Glen, der aktuelle Bewohner der Adresse, ahnte daher zunächst nicht, wie alt die Postsendung in seinem Briefkasten tatsächlich war. 

„Wenn ich ein Verbrechen begangen habe, kann ich mich nur entschuldigen“, sagte der 27-Jährige gegenüber der BBC. Doch etwas habe ihn stutzig gemacht: Auf der Briefmarke thront der Kopf von König George V. – der bereits im Jahre 1936 verstarb. Der Brief, der seine Wohnung im Süd-Londoner Stadtteil Crystal Palace 2021 erreichte, stammte aus der Zeit des Ersten Weltkrieges.

London: Brief kommt über 100 Jahre zu spät an

Nach dieser Erkenntnis habe der junge Theaterdirektor es nur als „fair“ empfunden, den Umschlag zu öffnen. Der Brief richtete sich an „meine liebe Katie“, die Frau des örtlichen Briefmarkenmagnaten Oswald Marsh, wie Stephen Oxford, Herausgeber einer Zeitschrift für Lokalgeschichte den Fund einordnete.

Zur heutigen Zeit noch ein Schriftstück aus dieser Zeit zu finden sei „sehr ungewöhnlich und eigentlich ziemlich aufregend“, so Oxford. Es erlaube einen Einblick in die lokale Geschichte und die Menschen der Region, die in den späten 1800er Jahren ein sehr beliebter Ort für die obere Mittelschicht gewesen sei. „Crystal Palace brachte einen enormen Zustrom sehr wohlhabender Menschen mit sich, und so ist es absolut faszinierend, etwas über jemanden herauszufinden, der möglicherweise aus genau diesem Grund in die Gegend zog“, meinte Oxford.

London: Brief 100 Jahre zu spät – „Ich schäme mich so“

Der Brief wurde seinen Erkenntnissen zufolge von einer Freundin der Familie Marsh, Christabel Mennell – ihrerseits Tochter des wohlhabenden Teehändlers Henry Tuke Mennell – während eines Urlaubs in Bath verfasst. Miss Mennell bittet Katie Marsh in ihrem Brief um Rat: „Ich schäme mich so für mich selbst, nachdem ich in der Runde gesagt habe, was sich gesagt habe. Mir geht es hier elendig und ich habe mir eine schwere Erkältung zugezogen.“ Die übrigen Worte sind schwer zu entziffern.

Der verspätete Brief hat auch die Mitarbeiter des britischen Postdienstes Royal Mail zum Grübeln gebracht. Eine Sprecherin sagte gegenüber der BBC: „Wir sind uns bewusst, dass die Geschichte dieses Briefes aus dem Jahr 1916 die Menschen fasziniert, aber wir haben keine weiteren Informationen darüber, was passiert sein könnte.“ 

London: Ein erstaunliches Stück Familiengeschichte – Brief aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt

Auf die Frage, was er tun würde, wenn sich die Nachkommen von Absenderin oder Empfängerin melden würden, antwortete Finlay Glen der BBC: „Es ist ein erstaunliches Stück ihrer Familiengeschichte, das aufgetaucht ist – wenn sie wollen, können sie vorbeikommen.“ Für Miss Mennell bleibt zu hoffen, dass sie den Rat von Katie Marsh auf anderem Wege als dem postalischen einholen konnte – und sich ihre Beschämung alsbald legte.

Auch in Deutschland kam es kürzlich zu zahlreichen Verspätungen bei der Post-Zustellung – wenn auch nicht in der Größenordnung eines Jahrhunderts: Verdi rief zum Streik auf, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Post legte die Arbeit nieder. (na)

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