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„Wünsche ich ärgstem Feind nicht“: Mann teilt seine Leidengsgeschichte nach Notfall in Klinik

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Von: Andreas Beez

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Patient Ryszard Adler zeigt den dünnen Draht, mit dem der quälende Nierenstein entfernt worden ist.
„Dieses Schläuchlein befreite mich von den furchtbaren Schmerzen“, berichtet Patient Ryszard Adlag und zeigt eine sogenannte Harnleiterschiene. © Markus Götzfried

Nierensteine können brutale Schmerzen verursachen. Der Münchner Ryszard Adlag erzählt seine Leidensgeschichte.

München – Jeder zehnte Mensch hat mindestens einmal im Leben mit Nierensteinen zu kämpfen. Sie können in den Harnleiter rutschen und höllische Schmerzen verursachen - hier erklärt ein LMU-Urologe die medizinischen Zusammenhänge. Die Patienten landen oft per Sanka in der Klinik. „Solche heftigen Beschwerden wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht“, berichtet Ryszard Adlag. 

München: Nierenstein war kaum größer als eine Kichererbse

Kleine Störenfriede, die große Schmerzen verursachen können: Nierensteine.
Kleine Störenfriede, die große Schmerzen verursachen können: Nierensteine. © Markus Götzfried

Der unentdeckte Störenfried war kaum größer als eine Kichererbse, aber Ryszard Adlag war alles andere als zum Lachen zumute: „Ich saß gerade in meinem Boot beim Angeln, als ich plötzlich starke Bauchschmerzen bekam. Sie breiteten sich schnell auf die gesamte linke Körperflanke aus und zogen bis hinunter in den Hoden. Es war gruselig!“ Zu Hause nahm der Münchner eine Schmerztablette, doch das Ibuprofen half nicht. „Die Beschwerden wurden immer schlimmer. Es war ein ganz komischer Dauerschmerz, breit und drückend. Ich wusste gar nicht, was mit mir los ist, diese heftige Attacke kam ja wie aus dem Nichts. Sie hat mich verunsichert.“

Drei Stunden später hielt Adlag die Schmerzen nicht mehr aus. Er rief den Sanka und landete nach Mitternacht in der Notaufnahme des LMU-Klinikums. Dort konnte er den Ärzten die Schmerzstelle gar nicht genau beschreiben. „Das ist ganz typisch“, weiß Urologe Dr. Michael Chaloupka. „Patienten mit Harnleitersteinen können oft nicht mal mit dem Finger darauf zeigen, wo es ihnen am meisten wehtut.“ Für den LMU-Spezialisten erhärtete sich der Stein-Verdacht schnell. Bei einer Ultraschalluntersuchung kristallisierte sich ein Flüssigkeitsstau heraus, der Urin konnte nicht abfließen. „Vereinfacht erklärt, wirkt der Stein wie ein Korken auf dem Abfluss.“ Eine Computertomografie (CT) brachte Klarheit über die genaue Lage des Steins, der den Harnleiter verstopfte.

Nierenstein-Opfer aus München: „Es waren furchtbare Schmerzen“

Dadurch bekam Adlag eine Nierenkolik. „Es waren furchtbare Schmerzen. Immer wenn ich dachte, sie ließen nach, kamen sie in Wellen wieder.“ Um den Harnstau zu lösen, entschieden sich die Ärzte für das Anlegen einer DJ oder Harnleiterschiene. Chaloupka: „Dabei handelt es sich um ein dünnes, biegsames Plastikröhrchen. Es wird durch die Harnröhre in die Blase eingeführt und von dort durch den Harnleiter am Stein vorbei in die Niere geschoben. Dadurch kann der Urin abfließen, und der Überdruck löst sich auf.“ Der Eingriff dauert nur etwa zehn Minuten. Als Patient Adlag aus der kurzen Vollnarkose erwachte, verspürte er kaum noch Schmerzen. „Ich konnte es kaum glauben, das war wie ein Wunder.“ Die DJ-Schiene ist allerdings nur eine Interimslösung.

LMU-Chefurologe Professor Christian Stief: „Zehn Tage, bis der Harnleiter ausreichend geweitet ist“

„Viele Patienten fragen, warum wir nicht gleich den Stein entfernen. Aber das geht leider nicht. Denn der Harnleiter ist durch den Stein derart verengt, dass die Verletzungsgefahr beim Entfernen zu groß wäre“, erklärt LMU-Chefurologe Prof. Christian Stief. Von seinem Team werden jährlich 200 bis 300 Patienten mit Nierensteinen behandelt. Wenn sie mit einer DJ-Schiene versorgt werden, dürfen sie in der Regel am Tag danach die Klinik verlassen und kommen zur weiteren Behandlung wieder, wenn sich das strapazierte Gewebe beruhigt hat. „Es dauert etwa zehn Tage, bis sich der Harnleiter ausreichend geweitet hat“, ergänzt Stiefs Nierenstein-Spezialist Chaloupka. Theoretisch kann die DJ-Schiene bis zu drei Monaten im Körper verbleiben. „Doch so lange warten wir selten mit der Entfernung, weil nach einiger Zeit auch die Infektionsgefahr steigt.“

LMU-Urologe Chaloupka: Nierenstein wird mit Drahtschlinge entfernt

Analyse der Diagnosebilder: Dr. Michael Chaloupka (links), Urologe im LMU Klinikum zeigt seinem Patienten Ryszard Adlag den Nierenstein.
Analyse der Diagnosebilder: Dr. Michael Chaloupka (links), Urologe im LMU Klinikum zeigt seinem Patienten Ryszard Adlag den Nierenstein. © Markus Götzfried

Bei Patient Adlag wurden die DJ-Schiene und der Stein einige Wochen später in einem Aufwasch entfernt – erneut während kurzer Vollnarkose. Im wachen Zustand wäre der Eingriff zu schmerzhaftgewesen. „Wir konnten den Stein endoskopisch bergen. Dabei wird eine dünne, flexible Kamera durch die Harnröhre eingeführt. An der Spitze befindet sich eine Optik, die Bilder aus dem Inneren des Harnleiters auf einen großen Monitor überträgt. Mit einer filigraner Drahtschlinge, die man sich wie ein Transportkörbchen vorstellen kann, fangen wir den Stein praktisch ein und ziehen ihn heraus“, erklärt Chaloupka. Wenn der Stein zu groß ist, um ihn als Ganzes entfernen zu können, wird er zunächst mit einer Laserfaser zertrümmert. Die Bruchstücke werden im selben Eingriff abtransportiert. „Bei sehr großen Steinen kann auch eine minimalinvasive OP mit einem kleinen Schnitt nötig sein“, berichtet Klinikchef Stief. „Eine größere offene OP zur Entfernung von Nierensteinen ist heute nur noch sehr selten nötig.“

Körper gelingt es in 40 Prozent der Fälle, Stein selbst los zu werden

Oft bleibt den Patienten auch ein endoskopischer Eingriff erspart–meist dann, wenn ihnen kleinere Steine bis zu einem Durchmesser von fünf bis zehn Millimetern zu schaffen machen. „In etwa 40 Prozent der Fälle gelingt es dem Körper, den Stein selbst durch Muskelkontraktionen loszuwerden. Die Patienten können diesen Prozess unterstützen, in dem sie sich viel bewegen und viel trinken“, weiß Chaloupka. Mitunter verordnen die Mediziner auch Medikamente. Sie können helfen, die Steine aufzulösen. Das kann allerdings einige Tage, sogar Wochendauern. Eine weitere Variante ist die Stoßwellentherapie. „Dabei wird ein Schallkopf auf der Haut angesetzt, um den Stein von außen über zielgerichtete Stoßwellen zu zertrümmern“, so Chaloupka. In jedem Fall fühlt es sich für die Patienten wie eine Erlösung an, wenn sie ihre Nierensteine wieder los sind. Ryszard Adlag: „Ich bin heilfroh, dass ich den Störenfried nicht mehr ertragen muss.“ 

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