Kinderloser Weißkopfseeadler übernimmt Pflege eines verwaisten Adlerjungen

Schon im März sorgte Adler „Murphy“ in den USA für Schlagzeilen, als er einen Felsen ausbrüten wollte. Jetzt hat er offenbar ein neues Projekt: die Aufzucht eines verwaisten Adlerjungen.
St. Louis (Missouri) - In Amerika macht Adler „Murphy“ bereits seit geraumer Zeit Schlagzeilen. Anfang März begann der Weißkopfseeadler, der in einem Vogelreservat in St. Louis lebt, einen Felsen auszubrüten. Genau genommen verwechselte er den Stein wohl mit einem Küken. Nun hat Murphy offenbar erneut Vatergefühle entwickelt – diesmal für ein waschechtes Adlerküken, das frisch in die Auffangstation kam. „Mit seinen 31 Jahren hat Murphy noch nie ein Küken aufgezogen“, schreibt die World Bird Sanctuary auf Facebook. „Es ist definitiv ein Wagnis, aber auch die beste Chance für das Küken.“
Schon sein ganzes Leben lang lebt Murphy in der Vogel-Rettungsstation in St. Louis. Als Küken kam er dorthin, weil er verletzt war und nicht fliegen konnte. Bis heute lebt er am Boden. Warum er bis vor kurzem einen Stein wie ein Ei ausbrüten wollte, erklärte die Rettungsstation als hormonelle Reaktion auf den Frühling. Am 4. April wurden er und der Felsen aus dem gemeinsamen Adlergehege entfernt, weil Murphy den Felsen zu aggressiv beschützte.
Weißkopfseeadler Murphy: Erste Annäherungsversuche mit Adlerküken glücken
Am 2. April hatte die Auffangstation das verwaiste Adlerbaby aufgenommen, das verletzt und misshandelt worden war. Sein Nest war bei einem Sturm heruntergeweht worden. Die Rettungsstation musste das Küken zu einem erwachsenen Adler bringen, der es aufpäppeln sollte. Würden sich die Mitarbeiter der Rettungsstation weiterhin um die Fütterung des Adlers kümmern, würde sich das Küken an einen Menschen gewöhnen. „Daraufhin wurde beschlossen, dass wir Murphy eine Chance geben, das Adlerjunge zu füttern“, so die Rettungsstation. Der „Baby-Fels“ wurde entfernt und das Küken in Murphys Gehege gebracht.
Nach ersten Annäherungsversuchen harmonieren Murphy und das Adlerjunge offenbar wunderbar miteinander. Videos zeigen, wie Murphy darauf wartet, dass das Kleine frisst. „Wenn das Baby nicht sofort frisst, nimmt er ein Stückchen Futter und dann beginnt das Baby zu fressen. Das ist die Art von Bindung, nach der wir suchen“, schreibt die Rettungsstation. „Murphy macht das Verhalten des Adlers perfekt vor und wird ein wunderbarer, sanfter Papa.“
Adlerküken nach Tornado zwischenzeitlich zur Behandlung im Krankenhaus
Am Wochenende (15./16. April) fegte ein Tornado über die Region, in dem sich das Vogelschutzgebiet befindet. Alle Vögel überlebten, aber das Adlerjunge musste zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden. Am Montag wurde das Küken zu Murphy zurückgebracht, nachdem das Nest befestigt und verbessert worden war. Es befindet sich auf dem Boden, da Murphy nicht fliegen kann. „Murphy lernt gerade, wie man ein Vater wird, er ist also noch nicht perfekt“, sagte Dawn Griffard, CEO des World Bird Sanctuarys, in einem Facebook-Post. „Er hat noch viel zu lernen!“
Geschichten über herzerwärmende Freundschaften im Tierreich gibt es immer wieder. Nicht zwingend muss es sich bei der Wahlfamilie um dieselbe Tierart handeln. So adoptiere etwa in Russland eine Katze acht Igel-Babys, nachdem ein Rasenmäher deren Mutter getötet hatte. Auch in einem sibirischen Zoo kam es zu einer besonderen Freundschaft: Dort wurden ein Rottweiler und ein Panther beste Freunde und haben in den sozialen Medien inzwischen sogar mehr Follower als Heidi Klum.