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Masken statt Kleidung: Textilkonzern Trigema stellt wegen Corona-Krise Produktion um

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Kampf gegen Corona: Masken aus dem Hause Trigema.
Kampf gegen Corona: Masken aus dem Hause Trigema. © Trigema/nh

Der deutsche Textilkonzern Trigema näht wegen der Corona-Krise nun Masken statt Kleidung. Wir sprachen mit Chef Wolfgang Grupp.

Krisenzeiten erfordern besondere Entscheidungen. Wolfgang Grupp, Chef des Textilunternehmens Trigema, hat so eine getroffen.

Das Familienunternehmen Trigema aus Baden-Württemberg näht derzeit Behelfs-Mund- und Nasenmasken anstelle von Sport- und Freizeitbekleidung. Wir sprachen mit dem Firmenchef darüber.

Wie kam es zur Entscheidung, nun Behelfs-Mund- und Nasenmasken, wie sie offiziell heißen, zu nähen?

Kliniken und Pflegeheime haben mich angerufen und erklärt, dass sie dringend Masken für Nase und Mund benötigen. Ich habe dann gesagt, schicken sie mir mal ein Muster zu. Ich habe wenig später mitgeteilt, dass ich diese Einwegmaske aus Vlies nicht fertigen kann, aber dass ich eine Maske aus kochbarem Piqué-Stoff produzieren kann, sodass sie wiederverwendbar ist. Dann haben wir mit dem Zollernalbklinikum gemeinsam das Muster noch etwas geändert und die ersten eintausend Stück produziert. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber noch nicht, dass ich 14 Tage später meine Testgeschäfte schließen muss, und ich mir mit der Maskenproduktion auch selbst helfe.

Wie viele Masken produzieren Sie am Tag?

Wir produzieren in der Woche etwa 125.000. Die Tageskapazität liegt somit bei 25.000. Vielleicht können wir unsere Produktion noch um 2000 bis 3000 Masken steigern. Viel mehr ist jedoch nicht möglich, wenngleich wir jetzt auch samstags produzieren.

Warum dürfen die Masken nicht als Mundschutz bezeichnet werden?

Sie sind nicht medizinisch zertifiziert. Wir produzieren keine FFP1-, FFP2-, oder FFP3-Masken.

Ist die Nachfrage weiterhin ungebrochen hoch?

Wir haben offene Aufträge für über eine Million Masken und können nicht bei allen einen genauen Liefertermin nennen. Somit haben wir praktisch die Produktion der nächsten acht Wochen bereits verkauft. Wir geben auch ehemaligen Näherinnen, die in Rente sind, die Chance, von zu Hause aus zu nähen.

Kann die Produktion der Masken Verluste auffangen?

Die Maske ist kein Luxusgeschäft, sodass ich sage, hoffentlich hält das noch lange an. Sobald die Corona-Krise nachlässt und wieder viele Maskenlieferungen nach Deutschland kommen, bin ich der Erste, der die Produktion wieder umstellt. Ich möchte auf die Dauer meine klassischen Kunden nicht hinten anstellen. Das Gute, ich kann auch mit der Produktion von Masken problemlos die Löhne zahlen, werde aber sicher nicht reicher.

Wie überzeugt sind Sie vom Krisenmanagement der Bundesregierung?

Ich habe ein großes Vertrauen in die verantwortlichen Politiker. Ich möchte nicht in deren Rolle schlüpfen. Sie werden nicht selten kritisiert. Alle stehen vor einer sehr schwierigen Aufgabe. Dennoch habe ich Vertrauen und tue das, was die Politik mir sagt.

Vermissen Sie als Unternehmer nicht einen Exit-Fahrplan, wie ihn Bundeskanzler Sebastian Kurz für Österreich vorgelegt hat?

Wir sind 14 Tage hinter Österreich, was getroffene Maßnahmen angeht. Wenn ich also in 14 Tagen erklärt bekomme, dass ich eine Woche später meine Testgeschäfte wieder öffnen kann, dann reicht mir das. Ich möchte keine heutige Entscheidung, die in 14 Tagen wieder korrigiert wird. Wir werden die kommenden Tage ja sehen, wie sich die Corona-Krise entwickelt, und müssen dann vorsichtig entscheiden. Ich habe den 20. April als mögliches Datum für die Wiedereröffnung im Auge, weiß aber, dass es sich verschieben kann.

Wenn wir die Krise überwunden haben, braucht Deutschland ein großes Konjunkturprogramm?

Das kommt darauf, wie lange diese Krise dauert. Es gibt Unternehmen, die unverschuldet in Schwierigkeiten sind. Nehmen Sie zum Beispiel den Europapark in Rust mit seinen 4000 Hotelbetten, der komplett geschlossen wurde, oder Gastronomen und Einzelhändler, die jetzt unverschuldet vor finanziellen Problemen stehen, weil sie überraschend schließen mussten. Denen muss sicher geholfen werden. Die Politik muss aber bei der Hilfe genau schauen, ob ein Unternehmen nicht schon vorher in finanziellen Nöten war, weil etwa Größenwahn Einzug hielt. Ich habe keinerlei Mitleid mit Firmen wie Esprit, die erst zig Läden aufmachen, und dann vom Staat gerettet werden wollen.

Er ist und bleibt ein Mann der Tat: Trigema-Chef Wolfgang Grupp (78) hat die Produktion in seiner Firma umgestellt, um in der Coronakrise zu helfen.
Er ist und bleibt ein Mann der Tat: Trigema-Chef Wolfgang Grupp (78) hat die Produktion in seiner Firma umgestellt, um in der Coronakrise zu helfen. © Trigema/nh

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Machen Sie sich Sorgen um Ihre eigene Gesundheit?

Ich war schon immer Optimist. Ich behaupte ja, dass schon bei meiner Geburt feststand, wann ich ableben werde. Ich muss vorwärts denken. Wenn der Tag kommt, muss ich sagen können, die Familie ist intakt, die Kinder übernehmen, mein Fall ist erledigt und Trigema besteht weiter. Ich bin fit, sonst würde ich mit 78 nicht mehr das Unternehmen leiten. Ich fühle mich auch noch gebraucht. Das ist das Schönste im Leben. Dieses Gefühl gibt mir meine Frau, meine Kinder und das geben mir alle meine Mitarbeiter. So lebt es sich leichter. Gleichwohl nehme ich mich in Acht. Ich befolge den Rat der Kanzlerin, halte Abstand und vermeide Kontakte. Mehr kann ich nicht tun.

Zur Person: Wolfgang Grupp leitet Textilbetrieb Trigema

Wolfgang Grupp (78) wurde im schwäbischen Burladingen geboren. Nach dem Abitur 1961 studierte er Betriebswirtschaftslehre in Köln. 1969 übernahm er das Textilunternehmen seines Vaters und führt seit dem das Familienunternehmen Trigema. 1988 heiratete er die aus Österreich stammende Elisabeth Baronesse von Holleuffer. Mit ihr hat er zwei Kinder, Bonita und Wolfgang jr., und teilt mit ihr die Leidenschaft für die Jagd. Das liebste Hobby des Unternehmers.

Von Florian Quanz

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