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Katastrophale Preise: Landwirt zerstört eigene Erdbeerfelder – „Man könnte weinen“

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Von: Fabian Raddatz, Mark Stoffers

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Erdbeeren und Spargel hat eine Kundin auf dem Moerser Markt gekauft.
Spargelbauern in Niedersachsen und ganz Deutschland spüren in dieser Saison eine deutlich gesunkene Nachfrage nach Erdbeeren und Spargel. © Roland Weihrauch/dpa

Landwirte in Niedersachsen und ganz Deutschland spüren die deutlich gesunkene Nachfrage nach Spargel und Erdbeeren. Einige greifen nun zu drastischen Maßnahmen.

Hannover – Spargel gilt als Edelgemüse – dieser Luxus ist offenbar in Zeiten von Krieg und drastisch gestiegenen Kosten vielen Haushalten zu viel. Der Ukraine-Krieg bedroht unseren Spargel. Spargelbauern in Niedersachsen und Erdbeer-Landwirten aus Deutschland spüren in dieser Saison eine deutlich gesunkene Nachfrage nach dem Edelgemüse und den süßen, roten Früchten.

Einige deutsche Landwirte veranlasst dieser Umstand sogar zu drastischen Schritten. Sie zerstören sogar ihre Erdbeerfelder mitsamt der reifen Früchte, um etwas anderes anzubauen, wie kreiszeitung.de berichtet. Ein Landwirt aus dem Münsterland könnte bei dem Anblick gar „weinen“, allerdings lässt die Lage derzeit nach seiner Aussage auch gar nichts anderes zu, selbst wenn es die Arbeit „eines Jahres oder sogar mehrerer Jahre“ sei.

Katastrophale Preise bei Spargel und Erdbeeren: Landwirte zerstören eigene Felder – „Man könnte weinen.“

Die Gründe für die katastrophalen Preise bei Spargel und Erdbeeren liegen auf der Hand. Die Kunden kauften im Lebensmitteleinzelhandel vor allem Grundnahrungsmittel und No-Name-Produkte, sagte Fred Eickhorst, Vorstandssprecher der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer in Niedersachsen, in Sandhatten (Landkreis Oldenburg). „Davon sind wir mit Spargel und Erdbeeren auch stark betroffen.“ Beim Spargel 2022 müssen Genießer tief in die Tasche greifen.

Geringe Nachfrage nach Spargel und Erdbeeren: Niedersachsens Bauern leiden – „verzichtbares Gemüse“

In den Wochen nach dem Saisonstart des Edelgemüses sei eine deutlich geringere Einkaufsmenge registriert worden, bestätigte Claudio Gläßer von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn. Das belegten Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem April. Spargel sei ein „verzichtbares Gemüse“, das viele Menschen mit höheren Preisen in Verbindung brächten: „Es schauen doch viele Leute darauf, wofür sie das Geld ausgeben und was nach dem Tanken noch übrig ist, was man zurücklegen muss für kommende höhere Rechnungen.“ Und die Menschen, die nicht so stark auf den Preis achten müssten, würden ihr Geld derzeit lieber für Reisen ausgeben – hier gebe es offenbar einen großen Nachholbedarf nach zwei Jahren coronabedingter Enthaltsamkeit.

Dabei sind die Spargelpreise derzeit so niedrig wie lange nicht mehr. In der vergangenen Woche habe der Durchschnittspreis für weißen Spargel aus deutschem Anbau bei 7,06 Euro pro Kilo gelegen, sagte Gläßer – 12 Prozent unter dem Durchschnittspreis der entsprechenden Vorjahreswoche. „Der Spargel und auch die Erdbeeren waren noch nie so billig zu diesem Zeitpunkt, auch nicht vor Corona“, sagte Eickhorst.

Ausländische Produkte machen Niedersachsens Spargelbauern Konkurrenz

Besonders schmerzhaft für die heimischen Produzenten ist die Konkurrenz ausländischen grünen Spargels. Eine Discountmarktkette habe das Kilo grünen Spargels jüngst für 2,96 Euro pro Kilo verkauft, sagte Gläßer. „Das tut dann dem deutschen regionalen Erzeuger schon weh, das im Markt sehen zu müssen.“ Mit solchen Preisen könne kein deutscher Betrieb konkurrieren.

Die Kaufzurückhaltung werde Auswirkungen haben, sagte Eickhorst. Schon jetzt seien viele Flächen aus der Produktion genommen worden, und das mitten in der Saison. Die Anbaufläche werde weiter sinken, einige kleinere Spargelbetriebe seien schon aus dem Geschäft ausgeschieden – vor allem diejenigen, die ausschließlich den Großhandel beliefert hatten. Diese hätten schon während der beiden vergangenen Corona-Jahre praktisch kein Geschäft mehr gehabt, sagte Eickhorst.

Niedersachsens Landwirte leiden: „Der Verbraucher hat es in der Hand“

Mit der Einführung des Mindestlohnes von 12 Euro zum 1. Oktober werde sich die Wettbewerbssituation der deutschen Landwirte im Vergleich mit der Konkurrenz aus Italien oder Spanien noch weiter verschlechtern, sagte Eickhorst. Es sei absehbar, dass weitere Landwirte aufgeben werden.

Die Selbstversorgungsquote in Deutschland bei Obst mit 19 Prozent und bei Gemüse mit 35 Prozent sei schon jetzt nicht hoch und werde damit noch weiter zurückgehen: „Der Verbraucher hat es mit seinem Einkaufsverhalten an der Verkaufstheke in der Hand, ob es weiter regionale Produkte aus Deutschland gibt, auch wenn diese teurer sind als aus dem Ausland.“

Landwirt im Münsterland geht drastischen Schritt – mäht Erdbeerfelder mit samt reifen Früchten ab

Der Erdbeerverkauf ist dieses Jahr kein gutes Geschäft für die Bauern. Im Münsterland gehen einige Erdbeerbauern einen radikalen Schritt und ernten ihre Felder nicht länger für den Verkauf ab, wie der WDR berichtet. Zum Beispiel mäht Landwirt Andreas Rahmann aus Coesfeld seine Erdbeerfelder ab – mitsamt der reifen Früchte, während in Hamburg Metropolregion Verbraucher auf eigene Faust in Hamburgs Metropolregion Erdbeeren pflücken gehen können.

Landwirt erntet Erdbeerfeld im Münsterland ab: „Man könnte weinen.“

Der Landwirt aus dem Münsterland hat nach dem Abernten seines Erdbeerfeldes einen neuen Plan ins Auge gefasst: Er will auf dem Acker nun Mais anbauen, damit er dieses Jahr noch Geld einbringen kann. „Man könnte weinen – das ist die Arbeit eines Jahres oder sogar mehrerer Jahre. Wenn man das dann kaputt macht, ohne den Nutzen zu haben, ist das schon sehr ärgerlich“, erzählt Rahmann dem WDR.

Sein Problem: Der Lebensmittelhandel kaufe lieber billigere Erdbeeren aus dem Ausland ein. Für eine 500-Gramm-Schale Erdbeeren würde der Bauer momentan knapp einen Euro und einen Cent vom Einzelhandel bekommen – doch damit würde er draufzahlen.

Hohe Preise bei Erdbeeren aus Deutschland: Müssen „dafür mehr Geld bezahlen – anders geht es nicht“

Rahmann appelliert an die Deutschen: „Wenn wir Verbraucher weiterhin Erdbeeren aus Deutschland haben wollen, dann müssen wir dafür mehr Geld bezahlen – anders geht es nicht.“ Er verstehe aber auch nicht, warum die Preisspanne des Einzelhandels bei Erdbeeren so groß sei und die der Landwirte so klein, wenn Letztere die Risiken wie etwa Unwetter tragen müssten.

Erdbeeranbau: Hohe Kosten bei gleichzeitig niedrigen Preise

Mit seiner Meinung steht er nicht alleine da: Die Kosten seien hoch und der Preis niedrig, daher lohne sich die Ernte mancherorts nicht, sagte auch Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW am Freitag. Die deutschen Bauern müssen sich mit gestiegenen Kosten für die Bewirtschaftung der Felder und billiger Konkurrenz aus dem Ausland auseinandersetzen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach den süßen, roten Früchten gesunken.

Die schwache Nachfrage führt Rüb unter anderem auf die Auswirkungen der Inflation zurück: Der Alltag sei für die Menschen so teuer geworden, dass sie auf bestimmte Lebensmittel verzichten – etwa den Kauf von Erdbeeren oder eben Spargel. (mit Material der dpa)

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