Strom- und Gasanbieter wechseln: Lohnt sich das aktuell?

Die Handelspreise für Strom und Gas sinken zwar derzeit, bei Verbrauchern kommt das jedoch noch nicht an. Viele Anbieter werben mit verlockenden Neukundentarifen. Doch lohnen sich die Angebote wirklich?
Stuttgart - Nahrungsmittel, Freizeitaktivitäten, Nebenkosten: Verbraucher müssen derzeit in allen Lebensbereichen tiefer in die Tasche greifen. Die Energiekrise traf viele schon im vergangenen Jahr hart. Laut Experten ist noch lange nicht Schluss. Die Strompreise sollen 2023 noch einmal kräftig anziehen. Auch die Kosten für die Kilowattstunde Erdgas wurden durch den Krieg in der Ukraine zwischenzeitlich extrem teuer. Eine Prognose für die Energiepreise 2023 ist aufgrund verschiedener Faktoren schwierig. Der Energieversorger EnBW rät jedoch weiterhin zur Sparsamkeit.
Aktuell können Verbraucher aber zumindest etwas aufatmen: die Handelspreise für Strom und Gas sinken wieder. Endverbraucher bekommen das jedoch noch nicht zu spüren. Vor allem Kunden mit bestehenden Verträgen und Tarifen haben mit Preiserhöhungen vonseiten der Versorger zu kämpfen. Unterdessen locken jedoch viele Strom- und Gasanbieter mit vermeintlich günstigen Angeboten für Neukunden. Aber ist ein Wechsel wirklich eine gute Option – oder verbirgt sich eine Preisfalle dahinter? BW24 hat bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nachgefragt.
Explodierende Strom- und Gaspreise: Unter diesen Bedingungen lohnt sich ein Anbieterwechsel
Dass die Preise wieder leicht sinken, bestätigt auch Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Die Lage auf den Energiemärkten hat sich tatsächlich seit etwa November 2022 entspannt. Die Preise für Neukunden an den Börsen sind kontinuierlich und deutlich zurückgegangen, jedoch im Vergleich zu 2021 immer noch sehr hoch“, sagt er auf Anfrage von BW24. So liege der Gaspreis für Neukunden bei rund 12 Cent pro Kilowattstunde und somit in etwa der Höhe des Referenzwertes der Gaspreisbremse. Beim Strom liege der Preis bei rund 37 Cent pro Kilowattstunde, also sogar unterhalb des Referenzwertes der Strompreisbremse von 40 Cent pro Kilowattstunde.
Zahlen Sie deutlich mehr als 40 Cent für Strom oder deutlich mehr als 13 bis 15 Cent für Gas, kann sich ein Wechsel lohnen.
„Die Preisbremsen deckeln einen Basisverbrauch von 80 Prozent der Jahresverbrauchsprognose aus dem Vorjahr. Die restlichen 20 Prozent werden mit den jeweils vereinbarten Marktpreisen abgerechnet“, erklärt er weiter. Matthias Bauer rät allen, die über einen Wechsel nachdenken: „Bleiben Sie in Ihrem Bestandstarif, wenn Sie noch einen günstigen Tarif haben, der sich im Bereich der Referenzwerte der Preisbremsen bewegt. Versorger können die Energiepreise in 2023 nicht ohne Weiteres erhöhen. Zahlen Sie deutlich mehr als 40 Cent für Strom oder deutlich mehr als 13 bis 15 Cent für Gas, kann sich ein Wechsel lohnen.“
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Verbraucher sollten vor allem daran denken, dass die Preisbremsen auslaufen. „Wir gehen zwar davon aus, dass im Laufe des Jahres 2023 – soweit sich weltpolitisch nichts ändert – bestehende Preise wieder rückläufig sein können. Dennoch besteht die Gefahr, dass Verbraucher nach Auslaufen der Bremsen teure Marktpreise bezahlen müssen“, warnt der Energieexperte.
Anbieterwechsel von Strom und Gas: Es gibt einiges zu beachten
Ein Anbieterwechsel sollte nicht leichtfertig getroffen werden. Vor allem Vertragslaufzeiten von mehr als zwölf Monaten sind in der aktuellen Lage riskant. Es lässt sich nicht vorhersagen, in welche Richtung sich die Preise künftig weiterentwickeln. Matthias Bauer rät daher, sich nicht für länger als zwölf Monate vertraglich binden zu lassen.
Worauf müssen Verbraucher beim Wechsel achten? Das rät die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:
- Vertragslaufzeit: maximal 12 Monate
- Kündigungsfrist von mindestens zwei Wochen
- Wählen Sie Preisgarantien nur, wenn die Garantie nicht teuer erkauft ist, das heißt der Tarif dennoch günstig ist
- Tarife mit Bonus nur berücksichtigen, wenn Sie zum Ablauf des ersten Lieferjahres einen erneuten Anbieterwechsel in Betracht ziehen
- Keine Pakettarife und keine Vorkasse-Tarife
Wer einen Wechsel in Betracht zieht, muss zudem die Vertragslaufzeit sowie die Kündigungsfrist des aktuellen Anbieters beachten. Ein Sonderkündigungsrecht besteht allerdings, wenn die Versorger die Preise erhöhen. Vorab muss der Versorger die Verbraucher schriftlich und fristgerecht über die Preiserhöhung informieren. Wird dieser Pflicht nicht nachgegangen, sollten Kunden widersprechen.
Nicht nur mit dem richtigen Strom- und Gasanbieter lässt sich Geld sparen. Erbringen Internetanbieter nicht die vereinbarte Leistung, können Kunden eine Preisminderung verlangen.
Augen auf beim Wechsel: Vergleichsportale richtig nutzen
Bei all den Angeboten für Neukunden kann man leicht den Überblick verlieren. Vergleichsportale können hier helfen. Blind vertrauen sollte man aber auch hier nicht. „Die Vergleichsportale sind seit einigen Monaten wieder zurück am Markt. Die Angebote sind wieder seriöser und berücksichtigen die aktuellen Marktpreise für Neukunden“, erklärt Matthias Bauer. Für einen ersten Marktvergleich würden sich die Portale durchaus anbieten, meint der Experte. Er rät allerdings: „Überprüfen Sie aber, ob die Angaben zum Tarif stimmen, beziehungsweise, ob der Tarif überhaupt so abschließbar ist. Beziehen Sie auch immer die Grundversorgungstarife in Ihre Suche ein.“
So oder so: Sparen lohnt sich immer noch. Ein Experte verrät clevere Tricks, wie man bei Strom, Gas und Öl sparen kann. Weitere Themen rund um Ratgeber und Service gibt es auf der Verbraucher-Seite von BW24.