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Spargel-Wahnsinn: Landwirte lassen Ernte austreiben – „solltet euch schämen“

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Von: Jason Blaschke

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Die Spargel-Landwirte in Süddeutschland trifft die geringe Nachfrage mit voller Wucht. Die Not ist so groß, dass die Ernte teilweise sogar vernichtet wird.

Stuttgart – Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs bekommen die Verbraucher in Deutschland mit voller Wucht zu spüren. Die Kosten für Energie und Kraftstoffe kennen seit Wochen nur eine Richtung und auch im Einzelhandel sind viele Alltags-Produkte im Vergleich zu 2021 deutlich teurer. Ein prominentes Beispiel ist das teure und knappe Speiseöl, das gerade zu Beginn der Kämpfe mit als erstes Alltags-Lebensmittel von Teuerungen und Lieferengpässen betroffen war.

Spargel und Erdbeeren aktuell günstig: Brancheninsider nennt konkrete Zahl

Mittlerweile zeichnet sich der Teuer-Trend bei nahezu allen Lebensmittel-Gruppen ab. Besonders massiv schlagen die Preise aktuell aber für Getreideprodukte durch. „Mit Blick auf die Kostensituation und die Preissteigerungen in allen relevanten Bereichen, sind weitere Preissteigerungen wahrscheinlich“, erklärte Anne-Kristin Barth vom Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) im Gespräch mit BW24 zu den nahenden Verteuerungen bei Getreideprodukten wie Mehl.

Im Gegensatz dazu gibt es aber auch ein paar Nahrungsmittel, die im Preis sogar gesunken sind. Zu den 14 Lebensmitteln, die aktuell extrem günstig sind, gehören einige Obst- und Gemüsesorten – etwa Erdbeeren oder Spargel. „Der Spargel kostet etwa 20 Prozent weniger als noch 2021“, sagt Frank Saalfeld, Geschäftsführer im Netzwerk der Spargel- und Beeren-Verbände, im Gespräch mit BW24.

Experte sieht Spargel-Existenz bedroht: „Betriebe denken übers Aufgeben nach“

Zum einen machen der Agrarbranche die weiter teuren Energie- und Rohstoffpreise zu schaffen, zum anderen sind es aber auch die nahenden finanziellen Mehrbelastungen – wie etwa durch den Mindestlohn. „Die Steigerung auf 12 Euro wurde im Bundestag beschlossen, als Betriebe Erdbeeren vor der Ernte vernichteten und Spargel auf dem Feld ausgetrieben wurde“, erklärt Saalfeld. Dass auch in Baden-Württemberg Erdbeeren vernichtet werden, bestätigte der Landesverband Erwerbsobstbau auf BW24-Anfrage.

Ähnlich wie im aktuellen Spargel-Fall können die Erdbeer-Produzenten nicht mit ausländischen Billigpreisen mithalten, was für das Land Baden-Württemberg gravierende Folgen nach sich zieht. „Manche Betriebe denken über die Aufgabe der Produktion nach“, sagt Saalfeld. Noch schlimmer finden viele User auf Facebook aber, dass eigentlich frische Produkte nicht mehr geerntet oder sogar vernichtet werden. „Dafür solltet ihr euch schämen“, schreibt eine empörte Nutzerin.

Spargel-Ernte vernichten statt spenden – Spargel-Bauer erklärt die Gründe

Eine andere ergänzt: „Die Tafeln in unserem Land würden sich freuen. Traurig, dass Lebensmittel vernichtet werden.“ Von Saalfeld wollte BW24 wissen, warum das so gehandhabt wird. Der Experte dazu: „Austreiben heißt nicht vernichten.“ Vielmehr werde der Spargel nicht geerntet, was das Wachstum im kommenden Jahr begünstige. Einzig die Menge an Spargel, die vom Einzelhandel in Deutschland nicht abgenommen wird, landet tatsächlich im Müll.

Saalfeld zu BW24: „Der Anbau, der Unterhalt und die Pflege von Spargel kostet viel Geld.“ Würden die Betriebe die Mengen einfach spenden, würden sie damit sogar Verluste einfahren. „Die Tafeln bekommen das, was vom Handel übrig ist.“ Er wisse aber auch von Fällen, in denen Spargel-Bauern ihre Ernte gespendet hätten. Doch gerade die kleinen und mittelständischen Betriebe können so nicht auf Dauer wirtschaften.

Die Tafeln in Bayern stoßen an ihre Grenzen, die Zahl der Kunden hat sich verdoppelt.
An einem Standort der Tafel werden Lebensmittel ausgeteilt. Auf Facebook beklagen viele User, dass gerade frische Lebensmittel wie Spargel stattdessen im Müll laden – obwohl die Tafeln gerade jetzt um jede Spende dankbar sind. © Nicolas Armer/dpa

Agrarbranche fordert Hilfen: Insider spricht schon von „Import-Steuer“

Genau wie die Erdbeer-Produzenten fordert das Netzwerk Spargel deshalb politische Hilfen. Helfen würde es, den Mindestlohn bis Ende der außergewöhnlichen Inflationsphase für die Betriebe einzufrieren, heißt es dazu in einer Mitteilung des Netzwerks. Zudem fordern die Spargel-Produzenten eine „öffentlich finanzierte Werbung für regionale Produkte“, um die Verbraucher stärker für die heimischen Lebensmittel zu sensibilisieren.

Franz Josef Müller, Präsident des Landesverbands Erwerbsobstbau Baden-Württemberg, geht im Gespräch mit BW24 sogar noch einen Schritt weiter. Er bringt die Idee einer „Import-Steuer“ ins Spiel. Der Grundgedanke dabei ist, ausländisches Billig-Obst stärker zu besteuern, sodass regionale Produkte preislich wieder mithalten können. „Das wäre eine schnell wirkende Maßnahme.“ So ganz überzeugt scheinen zumindest die Nutzer auf Facebook nicht zu sein.

Facebook-User empört wegen Spargel-Vernichtung – „gönnt es niemandem“

So schreibt etwa ein Nutzer an die Landwirte gerichtet: „Bevor es Menschen günstiger essen können und er weniger verdient, lässt er es lieber in der Erde vergammeln und gönnt es niemanden.“ Eine Sichtweise, die Saalfeld zurückweist. Er erinnert im Gespräch mit BW24 noch einmal daran, dass es im Schnitt rund fünf Jahre dauert, bis ein Spargel-Bauer mit seiner Ernte Gewinn macht. Gerade die kleineren Betriebe seien nicht in der Lage, Ernte zu verschenken.

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