„Produkte des Grauens“ bei Lidl, dm, Kaufland und Co.? Gendermarketing im Einzelhandel in der Kritik

Die Drogeriekette dm erhielt 2021 einen Schmäh-Preis für Gendermarketing. Im November 2022 wurde die unrühmliche Trophäe erneut verliehen. Was hat sich seither bei dm verändert und wie geht der Einzelhandel insgesamt mit dem Thema um?
Bonn - Im vergangenen Jahr erhielt die Drogeriekette dm den „Goldenen Zaunpfahl“ - einen Schmäh-Preis für absurdes Gendermarketing. Der Grund: Beim Duschgel seiner hauseigenen Marke für Kinder setzte dm auf Rollenklischees und bot rosafarbene Fläschchen „für Prinzessinnen“ sowie blaue „für Piraten“ an. Für die Jury des Goldenen Zaunpfahls ein klarer Fall: Das Unternehmen bedient sich sexistischer und diskriminierender Stereotypen. Im November 2022 wurde erneut ein Gewinner des Preises, der jährlich vom Verein klische*esc e.V. verliehen wird, gekürt. Als Sieger in dem unrühmlichen Wettstreit ging diesmal die App „Bibi & Tina: Pferde-Abenteuer“ hervor. Unter der Überschrift „Eine Welt ohne Jungen“ kritisiert die Jury, dass der Hersteller Jungen als Zielgruppe quasi vollständig ausschließt. Ein Jahr nach der Verleihung des Preises an dm fragt sich: Hat die Drogerie Schlüsse aus der Kritik gezogen?
Wie auf der Website des Goldenen Zaunpfahls im September 2022 berichtet wurde, habe sich in den Regalen des Drogeriemarkts auch sieben Monate nach der Preisverleihung kaum etwas geändert. „Nach wie vor präsentiert dm hinter jeder Ecke ein neues gegendertes Produkt. Besonders in der Kinder- und Babyabteilung wird nicht an rosa und blauer Farbe gespart, an Bären und Mäuschen, coolen Tauchern und Ozeanprinzessinnen.“ Zwar sei die ursprünglich kritisierte Eigenmarke „Prinzessin Sternenzauber“ in den Filialen nicht mehr auffindbar. Dennoch würden weiterhin viele Produkte unter den Hygieneartikeln den Anschein erwecken, dass man sie jeweils klar einer der zwei Zielgruppen - Mädchen und Jungen - zuordnen könne. Auch bei den Produkten für Erwachsene sei in der Farbgebung und Aufmachung der Produkte eindeutig Gendermarketing zu erkennen. Als Beweis zeigt der Verein Fotos des Regals mit Shampoos für Damen, die allesamt in „wunderbaren Pastelltönen“ gehalten sind sowie Stylingprodukte für Herren in der Farbgebung blau und grau.
Gendermarketing bei dm, Lidl und Kaufland: Kunden werden immer sensibler für das Thema
Auch, wenn laut klische*esc e.V. keine Verbesserung im dm-Sortiment erkennbar sei, habe man mit der Nominierung der Drogeriemarktkette immerhin ein Umdenken bei Verbrauchern und Mitarbeitern von dm erreicht. So habe etwa ein Mitarbeiter von dm dem Verein ein internes Schreiben zur Verfügung gestellt, in dem er um Aufklärung bittet: „Ich weiß, wie großartig unsere Produktdesigner:innen sind und dass ihnen beinahe alles möglich ist, sie müssen es sich nur vorstellen können.“ Er fordert eine Atmosphäre, in der „hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“ gelebt wird. Dass das Thema Gendermarketing bei dm nun in den Köpfen der Mitarbeiter angekommen ist, dürfte den Verein klische*esc e.V. positiv stimmen. Bereits seit der ersten Verleihung des Goldenen Zaunpfahls 2017 war dm immer wieder mit „Produkten des Grauens“ im Rennen, wie auf der Website zu lesen ist.
Das Thema Gendermarketing beschäftigt nicht nur die Jury des Goldenen Zaunpfahls, sondern immer häufiger auch Konsumenten. Erst kürzlich entdeckte etwa ein Kunde von Lidl „Jungen-Socken“ im Angebot des Discounters. „Was genau qualifiziert die Socken jetzt als Jungen-Socken?“, fragt der Kunde in einem an Lidl gerichteten Tweet:
Sensibilisiert für Rollenklischees zeigte sich zuletzt auch ein Kunde von Kaufland, der sich über Gendermarketing bei Kinderkleidung beschwerte. „Bei meinem Kaufland wird laut den Etiketten nur zwischen Mädchen und Jungen unterschieden“, schrieb der Mann verärgert auf Facebook. Eine andere Kaufland-Kundin entlarvte eine weitere sexistische Praxis bei der Supermarktkette. So wurde die Heimwerkerkleidung in einem Prospekt gezielt für Männer beworben.
Der Goldene Zaunpfahl: Verein informiert auf Website über Geschlechterklischees in der Werbung
Mit seinem Award für absurdes Gendermarketing verfolgt der Verein klische*esc e.V. das Ziel, einen Dialog über Vielfalt, Identität und Zugehörigkeit anzuregen. Jährlich nominiert eine siebenköpfige Jury mehrere potenzielle Preisträger aus allen Einsendungen. Die Nominierten werden vor der Preisvergabe angeschrieben, um eine Stellungnahme gebeten und dazu eingeladen, den Preis gegebenenfalls persönlich im Empfang zu nehmen. Der Gewinner wird in Form einer öffentlichen Preisverleihung mit kulturellem Rahmenprogramm bekannt gegeben. Auf seiner Website informiert der Verein über seine Aktivitäten und verfügt dort auch über eine Kategorie namens „Gruselkabinett“, in der neben Geschlechterklischees auch Rassismus in Werbebotschaften thematisiert wird.