1. bw24
  2. Verbraucher

Von wegen „regional“ – Verbraucher werden mit perfider Masche getäuscht

Erstellt:

Von: Jason Blaschke

Kommentare

Mit vermeintlich „regionalen“ Produkte werden Verbraucher bei Kaufland, Lidl und Co. ausgetrickst. Doch mit einfachen Tipps kann man sich wehren.

Stuttgart – Die Verbraucher in Deutschland werden aktuell mit extremen Kosten konfrontiert. Neben Energie- und Spritpreisen kosten auch viele Alltags-Produkte deutlich mehr – Stichwort Lebensmittel. Laut einer neuen Studie drohen viele Produkte noch teurer zu werden, „das Schlimmste kommt erst noch“, prophezeit Aurélien Duthoit, Senior Volkswirt und Branchenexperte von Allianz Trade, der an der Studie beteiligt war. (mehr Verbraucher-News auf BW24).

Alltags-Produkte immer teurer: Schuld sind nicht nur die Energiepreise

Der Hintergrund ist, dass einige Unternehmen ihre Mehrkosten noch nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben haben – was aber mit Blick auf die anhaltend teuren Energie- und Produktionskosten immer wahrscheinlicher wird. „Die Verbraucher hat aktuell erst ein Teil der Preiserhöhungen erreicht“, sagte auch Eckhard Heuser, Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbands (MIV), im Gespräch mit BW24 zur Entwicklung der teuren Milchpreise in Deutschland.

Er geht davon aus, dass die Preise für Milchprodukte 2022 weiter ansteigen werden. Heuser zu BW24: „Mit Blick auf die Butter sind starke Veränderungen festzustellen, der Rest kommt noch, spätestens zum 1. Juli 2022.“ Neben steigenden Produktionskosten spielt mit Blick auf die Preisentwicklung aber auch die Tatsache eine Rolle, dass einige Alltags-Produkte bisher verstärkt aus Ländern wie Russland oder der Ukraine importiert wurden.

Perfide Masche bei der Lebensmittel-Kennzeichnung – nicht alles „regional“

Ein prominentes Beispiel ist hier das teure und knappe Speiseöl, das auch derzeit noch in vielen Filialen von Kaufland, Lidl und Co. Mangelware ist – und deutlich mehr kostet, als noch im Vorjahr. Viele Verbraucher wollen das Problem an der Wurzel bekämpfen und setzen verstärkt auf regionale Produkte – auch der Umwelt zuliebe. Doch nicht alle Produkte, die als „regional“ im Regal angepriesen werden, erfüllen tatsächlich das Kriterium.

Schon seit Jahren warnen Verbraucherschützer, dass Begriffe wie „Region“, „Heimat“ oder „von hier“ rechtlich nicht verbindlich sind. Das heißt, sie müssen nicht der Wahrheit entsprechen. Ein Produkt kann also als „regional“ gekennzeichnet sein, obwohl die Zutaten dafür etwa aus Übersee kommen. Eine perfide Masche der Produzenten, die für Verbraucher nicht ganz so einfach zu entlarven ist.

Verbraucher-Expertin verrät, welche Angaben für Verbraucher verlässlich sind

Denn auf der Verpackung muss lediglich die Adresse des Produzenten aufgedruckt sein. Woher aber die einzelnen Zutaten stammen, ist nicht immer ersichtlich. Kaffeebohnen etwa können in Deutschland geröstet worden sein, wurden aber nicht vor Ort angebaut. Die Ernährungsexpertin Sonja Pannenbecker von der Verbraucherzentrale Bremen empfiehlt deshalb, beim Einkaufen auf die konkreten Angaben zu achten.

Pannenbecker zu BW24: „Angaben wie ‚aus der Region‘ haben nicht zu heißen.“ Verlässlich seien stattdessen konkrete Angaben wie Städtenamen oder geschützte Bezeichnungen. Bekannt sind hier etwa die Ursprungsbezeichnung der EU oder das Qualitätszeichen Baden-Württemberg, das strengen Vorgaben und Kontrollen unterliegt. „Und auch die Kennzeichnung ‚Regionalfenster‘ kann dabei helfen, den Ursprung eines Produkts zu finden.“

Angaben wie ‚aus der Region‘ haben nicht zu heißen.

Sonja Pannenbecker, Verbraucherzentrale Bremen

„Wildwuchs“ an Kennzeichnungen verwirrt: Expertin mit deutlicher Forderung

Einen Nachteil hätten aber alle diese Kennzeichnungen, bemängelt die Expertin. Sie seien weder verpflichtend noch bundesweit einheitlich. Sprich: Im Zweifelsfall haben die Verbraucher kaum Möglichkeiten, diese perfide Masche der Produzenten zu entlarven. Auch deshalb fordert die Verbraucherzentrale Bremen eine gesetzliche Grundlage, die den „Wildwuchs“ an Angaben beendet, wie es Pannenbecker formuliert.

Mit einer solchen gesetzlichen Regelung zur Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln müssten laut der Expertin auch genaue Kriterien auf den Weg gebracht werden, ab wann ein Produkt als „regional“ bezeichnet werden darf. „Es macht einen Unterschied, ob auch die Zutaten aus der Region kommen oder ob ein Produkt nur in der Region weiterverarbeitet wurde.“ Als prominentes Beispiel nennt Pannenbecker im Gespräch mit BW24 den Schwarzwälder Schinken.

Die perfide Masche der Produzenten entlarven: Mit einfachen Tipps klappt es

Das bekannte Produkt aus Baden-Württemberg wird zwar regional produziert, das Fleisch stamme dabei aber nicht immer aus der Region. Der Verbraucher könne auf der Packung aber immer nur die Adresse des Produktionsstandorts erkennen. Umso wichtiger seien konkrete Vorgaben – „auch, um gegen falsche Bezeichnungen vorgehen zu können“, sagt Pannenbecker. Doch bis es so weit ist, bleibt Verbrauchern nicht anders übrig, als genau hinzuschauen.

Auch, weil aus Sicht der Verbraucherschützer eine EU-weite Gesetzesgrundlage nötig wäre. Bis es so weit ist, kann es helfen, „auf Bio-Produkte zu achten, die oft etwas mehr Angaben zur Herkunft des Produkts aufweisen“, verrät Pannenbecker auf Nachfrage von BW24 als Tipp. Auch, wer frische Lebensmittel auf Wochenmärkten kauft, kann die perfide Masche der Händler mit Blick auf die Herkunftskennzeichnung elegant umgehen.

Der Krieg lässt den Einkauf kostspieliger werden.
Wer frische Lebensmittel direkt auf Wochenmärkten (Symbolbild) einkauft, kann sich über den Erzeuger direkt über die Herkunft der Produkte informieren. © dpa

Regionale Lebensmittel in Gefahr: BW-Verband warnt vor billiger Import-Ware

Dass es übrigens nicht nur mit Blick auf die Umwelt sinnvoll ist, auf regionale Produkte zu achten, zeigen die Recherchen von BW24 zur katastrophalen Situation der Erdbeer-Landwirte in Baden-Württemberg, die 2022 einen Teil ihrer Ernten vernichten mussten. Als Grund dafür nennt der Landesverband Erwerbsobstbau die günstige Import-Ware, mit der baden-württembergische Erzeuger nicht mehr mithalten können. Die Folge sind schwindende Erdbeerfelder im Südwesten.

Auch interessant

Kommentare