Ex-Mitarbeiter rechnen mit Lidl ab - „habe es körperlich und psychisch nicht mehr geschafft“
In der Dokumentation „Lidl - die Insider“ berichten vier ehemalige Mitarbeiter des Discounters von dreisten Verkaufsmaschen in den Filialen. Im Netz sorgen die Enthüllungen für Kritik.
Neckarsulm - „Lidl lohnt sich“ - der Slogan des Discounters aus Baden-Württemberg ist in aller Munde. Aber sind die Produkte in den Lidl-Filialen wirklich so günstig und hochwertig, wie beworben? Und was läuft hinter den Kulissen ab? In der kürzlich ausgestrahlten ZDF-Doku „Lidl - die Insider“ (19. Juli, 20.15 Uhr, ZDFzeit) berichten vier ehemalige Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen über die Tricks des Lebensmittel-Riesen.
Die Aussteiger, die in der Doku gezeigt werden, waren bei Lidl im Marketing, im Einkauf, in der Filialleitung oder im mittleren Management beschäftigt. Um ihre Identität zu schützen, treten sie bis zur Unkenntlichkeit maskiert vor die Kameras. Und das nicht ohne Grund: Ihre Vorwürfe an das Unternehmen wiegen schwer.
Verbraucher-Täuschung bei Lidl: Manipulative Einkaufswagen und Nachhaltigkeits-Lüge
„Jeden Tag geben Kunden bei Lidl zu viel Geld aus - weil sie die Tricks nicht kennen“, sagt eine Sprecherin der ZDF-Doku. Schon der Einkaufswagen sei optimiert - und zwar auf maximalen Umsatz. Wie ein ehemaliger stellvertretender Filialleiter berichtet, seien die Wagen absichtlich übergroß und schief gebaut, sodass die Waren bis ans Ende rutschen. So passiere es schnell, dass Kunden ihren Wagen als leer empfinden - und automatisch mehr kaufen als geplant. Auch die Anordnung von Preisschildern sei extra unübersichtlich gestaltet, sodass nicht jedem Verbraucher klar sei, welches Schild zu welchem Produkt gehöre.

Neben offensichtlichen Maschen berichten die Lidl-Insider auch von Tricksereien beim Thema Nachhaltigkeit. So rühme sich Lidl etwa damit, vollständig auf Haltungsform 1 beim Fleisch zu verzichten. Laut ZDF finde man in den Filialen des Discounters allerdings überwiegend Haltungsform 2 - was leider nicht viel tierfreundlicher ist als die Stufe darunter.
Lidl: Ehemalige Angestellte sind sauer - „Was Lidl über Einweg erzählt, ist Müll“
Auch die Verpackung der Lidl-Eigenmarke „Saskia“ (Wasser und Sprudel) scheint nicht gerade umweltfreundlich zu sein. Zwar wirbt der Discounter damit, dass die Einweg-Flaschen am laufenden Band recycelt werden. In der Doku erklärt ein ehemaliger Manager allerdings, dass der Bedarf nach „Saskia“ so groß sei, dass immer wieder neue Einweg-Flaschen in den Kreislauf hinzukommen. „Was Lidl über Einweg erzählt, ist Müll“, so sein vernichtendes Fazit.
Aufmerksame Lidl-Kunden dürften gemerkt haben, dass vielerorts die Plastik-Einkaufskörbe, die es eine Zeit lang gab, wieder aus den Märkten verschwunden sind. Das hat offenbar System. „Lidl hat relativ schnell gemerkt, dass die Anzahl der Produkte, die am Ende im Korb landen, wesentlich geringer ist, als wenn die Kunden mit einem Einkaufswagen einkaufen“, so die Ex-Filialleiterin. Deshalb sei man vom Unternehmen dazu aufgefordert worden, die Körbe restlos zurück ans Zentrallager zu schicken. „Wenn Kunden uns nach den Körben gefragt haben, mussten wir sagen: Die gibt es nicht mehr, weil sie zu oft geklaut wurden.“
Lidl: Ehemalige Filialleiterin wirft das Handtuch - „habe es körperlich und geistig nicht mehr geschafft“
In der Kritik steht in der ZDF-Doku auch der Umgang von Lidl mit seinen Angestellten. Die ehemalige Filialleiterin berichtet von Leistungsdruck, internen Mitarbeiter-Rankings und Überstunden. „Der Druck dahinter, die Kennzahlen zu schaffen und zu erreichen, war für mich irgendwann einer der Gründe, zu sagen, ich verlasse das Unternehmen - weil ich es rein körperlich und auch geistig-psychisch gar nicht mehr geschafft habe, vernünftig mein Privatleben zu leben“, sagt sie. Lidl dementiert die Vorwürfe auf Anfrage des ZDF und erklärt: „Unsere Führungskräfte sind angehalten, alle gesetzlichen und tarifrechtlichen Vorgaben bei ihren Mitarbeitern und auch bei sich selbst einzuhalten. Jede geleistete Minute wird von Lidl vergütet.“
Bereits während ihrer Ausstrahlung im ZDF am 19. Juli schlug die Insider-Doku hohe Wellen. 3,79 Millionen, gute 16,9 Prozent Marktanteil, sahen sich die Sendung an. Im jungen Publikum erzielte ZDFzeit hier sogar den höchsten Marktanteil seit neun Jahren. Zeitgleich wurde fleißig getwittert - der Hashtag #Lidl trendete dort sogar zeitweise. Statt Zuspruch hagelte es für die Insider-Enthüllungen allerdings geballte Kritik. Einige Twitter-Nutzer bemängeln, dass die Doku sich nur auf Lidl fixiert und andere Discounter außer Acht lässt. Zudem wird die Neuheit der Informationen als fraglich bewertet. „Ich finde, Lidl wird da absolut zerrissen. Das sind alles längst bekannte Verkaufstaktiken in allen möglichen Lebensmittelläden“, schreibt etwa ein Twitter-Nutzer.
Lidl-Doku: Twitter-Community wenig überrascht über „Enthüllungen“ der Ex-Mitarbeiter
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist bereits in der Vergangenheit erschienen. Er hat viele Leserinnen und Leser besonders interessiert. Deshalb bieten wir ihn erneut an.
Viele Nutzer stellen infrage, ob die „dreisten Maschen“ von Lidl wirklich so ausschlaggebend für das Kaufverhalten der Kunden sind, wie es in der Dokumentation dargestellt wird. „Wer kennt‘s nicht. Man will n Brötchen, erwischt die große Tüte und kauft dann 20 Teilchen“, scherzt etwa eine Userin. „Das ist alles so an den Haaren herbeigezogen.“ Insgesamt ist sich Twitter an diesem Abend einig: So wirklich überraschend und neu sind diese „Enthüllungen“ dann am Ende doch nicht.