„Nur noch Abzocke“ – Kommunen in BW drehen an der Grundsteuer-Schraube
In der Energiekrise ist die Grundsteuerlast in Baden-Württemberg höher als in anderen Bundesländern. Viele Kommunen haben die Steuersätze erhöht.
Tübingen – Lebensmittel, Kraftstoffe oder Energie – in vielen Lebensbereichen müssen die Verbraucher weiter tiefer in die Tasche greifen. Auch im Juli hatte die Inflation in Deutschland die 7-Prozent-Marke geknackt, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In Baden-Württemberg, wo ab 12. September das neue Schuljahr beginnt, zeigt sich das auch bei Schulmaterialien wie Blöcken oder Heften, die im Vergleich zum Vorjahr deutlich teurer geworden sind.
Über 13 Prozent der Kommunen im Südwesten schrauben am Grundsteuersatz
Dass die Inflation zum Schulstart auch die Kleinsten trifft, bezeichnete ein Facebook-User als „trauriges Beispiel“. Er fordert, dass die Grundausstattung für Schüler grundsätzlich kostenfrei sein sollte – und löst damit eine Debatte aus. Die gibt es auf Facebook auch mit Blick auf die Grundsteuer in Baden-Württemberg, an der einige Städte und Gemeinden im Südwesten gedreht hatten. „Überall nur noch Abzocke“, schreibt eine Nutzerin.
In einer von der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) veröffentlichten Studie ist von Hebesätzen der Grundsteuer B die Rede, die in 13,4 Prozent der Kommunen in Baden-Württemberg angestiegen sind. Größer sei der Anteil nur in Schleswig-Holstein und im Saarland gewesen, berichtet die Südwest-Presse (swp). In lediglich 0,3 Prozent der baden-württembergischen Kommunen sind die Hebesätze gesunken, berichtet der Südwestrundfunk (SWR).
BW mit fünfthöchster Grundsteuerlast in Deutschland: In Tübingen am größten
Der EY-Studie zufolge ist durchschnittliche Grundsteuerlast pro Kopf in Baden-Württemberg schon 2021 leicht um vier Prozent auf 166 Euro angestiegen. Damit hatte Baden-Württemberg die im Bundesvergleich fünfthöchste Steuerlast. Die Studie zeigt aber auch auf, dass es auch zwischen den einzelnen Kommunen zum Teil erhebliche Unterschiede gibt. In Tübingen etwa war der Grundsteuer-Hebesatz mit 660 Euro am höchsten ausgefallen.
Die Grundsteuer anzuheben ist ein Instrument, das Kommunen nutzen können, um die Kassen aufzufüllen. Die Grundsteuer B wird nach SWR-Informationen auf bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben und muss von allen Eigentümern bezahlt werden, welche die Kosten aber auf ihre Mieter umlegen können. Sprich, neben einer Gasumlage ab 2022 in Deutschland, über die RUHR24 informiert, kommt auch noch die Grundsteuer-Mehrbelastung.
Facebook-User zu Grundsteuer in der Energiekrise – „Sollten sie mal aussetzen!“
Die „sollten sie mal aussetzen in der aktuellen Zeit“, meint dazu ein Facebook-User. „Und dann kommt auch noch die Grundsteuer-Reform 2022 in Baden-Württemberg dazu“, beschwert sich eine andere Nutzerin. Wieder ein anderer Facebook-Nutzer fasst es so zusammen: „Die einen reden von Entlastung und die anderen erhöhen etwas.“ Bundesweit beobachten die Studienautoren jedoch eine geringere Hebesatz-Steigerung, als in den Vorjahren.
„Die starke konjunkturelle Erholung nach der Corona-Hochphase hat zu einer überraschend guten finanziellen Entwicklung in vielen Kommunen und zu einem kommunalen Finanzierungsüberschuss von 4,6 Milliarden Euro geführt“, erklärt Mattias Schneider, Partner bei EY und Leiter im Bereich Government & Public Services. Der Handlungsdruck sei gesunken und weniger Kommunen mussten im Bundesvergleich an der Steuer-Schraube drehen.

Experte kritisiert Grundsteuer-Politik der Kommunen: zu wenig Senkungen
Schneider kritisiert jedoch, dass nur eine kleine Minderheit der Kommunen von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Hebesätze zu senken – in Baden-Württemberg sind das unter ein Prozent aller Kommunen. „Steueranhebungen, die mitunter auch stark ausfielen, waren stattdessen in den letzten Jahren gerade in Regionen mit vielen finanzschwachen Kommunen mehrfach.“ Schneider macht in der EY-Studie zudem auf die ungewissen Folgen der Steuerreform aufmerksam.
Noch sei ungewiss, wie sich die bevorstehende Grundsteuerreform auf die Einnahmesituation der einzelnen Kommunen auswirken werde. „Dabei sollte es nicht zu einer gravierenden Mehrbelastung der Bürger kommen“, fordert der Experte. Derzeit übermitteln in Baden-Württemberg und ganz Deutschland die Grundstücksbesitzer ihre Daten noch an die Finanzbehörden. Erst ab 1. Januar 2025 sollen dann die neu ermittelten Grundsteuerbeträge fällig werden.