Gas abdrehen, Heizung kälter: Expertin erklärt, was Mieter für Rechte haben
Die Angst vor einer kalten Wohnung beschäftigt viele Mieter. Umso wichtiger ist es, seine Rechte zu kennen, weiß Angelika Brautmeier vom Mieterverein Stuttgart.
Stuttgart – Die Folgen des Ukraine-Kriegs und der Sanktionen gegen Russland spüren die Verbraucher in Deutschland aktuell so stark wie nie zuvor. Viele Supermärkte und Discounter heben die Preise für viele Alltags-Produkte massiv an – allein im Mai 2022 mussten Kunden für viele Lebensmittel rund 60 Prozent mehr bezahlen, als im Vorjahr. Und ein Ende ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Laut einer Studie könnten viele Alltags-Lebensmittel bald noch teurer werden.
Energiepreise besorgen Stuttgarter Bürger: Mieterbund erreicht viele Anrufe
Für viele Verbraucher, die ohnehin schon mit teuren Energiepreisen kämpfen, ein Desaster. Kein Wunder, dass gerade einige Mieter in Deutschland die Angst vor einer kalten Wohnung im Herbst treibt, sollte nicht genügend Gas zur Verfügung stehen. Schon heute sind die Energiepreise allgemein alarmierend. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, war importierte Energie schon im Februar 129,5 Prozent teurer als im Vorjahr.
Auch die inländisch produzierte Energie kostete im selben Zeitraum 68 Prozent mehr, als noch 2021. Für Angelika Brautmeier, Geschäftsführerin im DMB-Mieterverein Stuttgart, sind das alarmierende Zahlen. Schon heute erreichen sie und ihre Kollegen viele Anrufe besorgter Mieter. Dass erste Wohnanlagen Warmwasser für Mieter sperren, lässt den Panik-Pegel noch einmal ansteigen, wie ein Bericht von Merkur.de verdeutlicht.

Mieterrechte bei Heizung und Co. – Stuttgarter DMB-Chefin im BW24-Interview
Wenn das passiert, sollten Mieter einen kühlen Kopf bewahren und richtig reagieren. „Grundsätzlich haben Mieter ein Recht auf 24 Stunden Warmwasser am Tag“, sagt Brautmeier im Gespräch mit BW24. Gleiches gelte für die Heizung. „Die Mindest-Temperatur in der Wohnung muss tagsüber zwischen 20 und 22 Grad betragen, in der Nacht müssen minimal 16 erreicht werden.“ Ist das nicht der Fall, sollten Mieter Kontakt zum Vermieter aufnehmen.
Brautmeier und ihre Kollegen vom DMB-Mieterverein Stuttgart empfehlen immer ein Gespräch. Erst, wenn es zu keiner Lösung in der Frage zwischen Mieter und Vermieter kommt, ist eine Mietminderung der nächste Schritt. Sollte etwa das Warmwasser in der Wohnung einfach abgestellt werden, hatten Gerichte in der Vergangenheit schon Mietminderungen zwischen 7,5 und 15 Prozent als angemessen eingestuft, erklärte Rechtsexperte Henning Linnenberg gegenüber der Bild.
Mieterbund legt 9-Punkte-Plan vor: von Gaspreis-Deckel bis Mietenstopp
Heizung, Wasser, Strom oder Gas ohne Absprache einfach abstellen ist ein No-Go, gegen das man sich als Mieter in Deutschland wehren kann. „Die Tatsache, dass es derzeit eine Energiekrise gibt, ändert nichts an der Rechtslage“, versichert DMB-Stuttgart-Chefin Brautmeier. Von der Politik fordert sie eine „ausgewogene Lösung, die gesamtgesellschaftlich passt“. Konkrete Vorschläge, wie das gelingen kann, kommen vom Deutschen Mieterbund.
In einem 9-Punkte-Plan, der BW24 vorliegt, fordert der DMB folgende Sofortmaßnahmen:
- Kündigungsmoratorium, das sicherstellt, dass niemand gekündigt werden kann, der seine Nebenkosten nicht zahlen kann
- Energiesperren für die Dauer der Energiekrise komplett aussetzen
- Vermieter stärker in die Pflicht nehmen – etwa mit Blick auf Optimierung der Heizanlage
- Deckelung der Gaspreise und Tarife der Energiekonzerne genauer kontrollieren
- Heizkostenzuschuss für alle einkommensschwache Haushalte
- Wohngeld an die explodierenden Energiepreise anpassen
- CO2-Preis im Mietwohnsektor aussetzen
- Bundesweiter Mietenstopp und Verschärfung der Mietpreisbremse
- Zügigere Vergrößerung des sozialen Wohnungsbestandes bis 2030 in Deutschland
Trotz Mieterrechte und Notfallplan: Expertin gibt wichtigen Verbraucher-Tipp
Unabhängig von den Maßnahmen aus der Politik empfiehlt Brautmeier allen Mietern, ihre Vorauszahlungen zu erhöhen oder etwas Geld für die Nachzahlung auf die Seite zu legen. Angesprochen auf die einkommensschwächeren Haushalte empfiehlt die Expertin im BW24-Gespräch die Option, die Vorauszahlung zu erhöhen – selbst dann, wenn nur minimale Beträge möglich sind. Sonst sei die Gefahr groß, dass man im kommenden Jahr von der Nachzahlung erschlagen werde.
Mieter sollten Vorauszahlungen erhöhen oder etwas Geld zur Seite legen.
Sollte es ab Herbst tatsächlich zu einer Gas-Notsituation kommen, entscheidet mit Blick auf den Gas-Notfallplan der Staat, wer in Deutschland weiter beliefert wird. Von der Bundesnetzagentur heißt es hierzu, dass „Verbraucher in einer solchen Situation einen besonderen Schutz genießen und vorrangig versorgt werden“. Auch soziale Einrichtungen wie Schulen, Kliniken oder Kitas stehen auf der Prioritätenliste ganz oben.
Nachzahlung 2023 kommt: Energiekrise könnte Armutsprobleme verstärken
Trotzdem befürchtet Brautmeier, wie viele ihrer Kollegen, im kommenden Jahr ein Armutsproblem – unabhängig davon, wer noch mit Gas beliefert wird oder nicht. „Gerade viele Verbraucher mit mittleren sowie schwachen Einkommen werden sich die Energiepreise schlicht nicht mehr leisten können.“ Schon heute würden sich die persönlichen Gespräche in der Rechtsberatung im DMB-Stuttgart hauptsächlich um die Nebenkostenabrechnung drehen.