„Schlimmer als Corona“ – Bäcker im Südwesten kämpfen mit extremen Energiepreisen
Nicht nur die Energiekrise stellt die Bäcker vor große Probleme. Gegenüber BW24 erklärt Frank Sautter von der Bäckerinnung, was die aktuelle Situation sogar schlimmer macht als die Corona-Pandemie.
Stuttgart – Die Verbraucher-Preise für Lebensmittel, Kraftstoffe oder auch Energie erreichen in Baden-Württemberg sowie in ganz Deutschland Ausmaße, die man vor ein paar Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte. Die Energie- und Preiskrise spiegelt sich auch in der Rekord-Inflationsrate von 7,5 in Deutschland wider – und Ökonomen sagen voraus, dass die Zahl 2022 sogar zweistellig werden könnte.
Bäcker in Baden-Württemberg in Bedrängnis – „Sparmaßnahmen bald ausgereizt“
Doch nicht nur die Verbraucher kämpfen mit der Preis- und Energiekrise an nahezu allen Fronten – auch die Wirtschaft in Baden-Württemberg und ganz Deutschland kommt immer stärker in Bedrängnis. Primär die vielen kleinen und mittelständischen Betriebe, die viel Energie in der Produktion benötigen und auf Rohstoffe nicht verzichten können, kämpfen mit der extremen Situation. Frank Sautter, Geschäftsführer der Bäckerinnung Stuttgart-Nord, ist besorgt.
Sautter gegenüber BW24: „70 Prozent unserer Öfen werden mit Gas beheizt. Wir sind ein sehr Energie-intensives Handwerk.“ Daher sei es nicht nur das Gas – auch die Strompreise würden extrem ansteigen. Und auch die Bäcker in Baden-Württemberg manövriert das früher oder später in eine Zwickmühle. Denn ab einem gewissen Punkt seien die Einsparmaßnahmen ausgereizt und die Bäcker müssten die Mehrkosten auf die Verbraucher umlegen.
Bäcker im Südwesten stehen vor extremen Kosten – noch „schlimmer als Corona“
Und das ist das nächste, große Problem, denn: „Irgendwann kommen wir in Dimensionen, wo die Kunden sagen, ‚das ist es mir nicht mehr wert‘.“ Zumal die Konkurrenz im Einzelhandel – etwa von Kaufland oder Lidl – riesig sei. Sautter: „Die Discount-Produkte haben zwar nicht dieselbe Qualität, sind aber deutlich günstiger.“ Hinzu kommt, dass die Bäcker noch an anderen Fronten mit der Energie- und Preiskrise kämpfen. Sautter nennt einige Beispiele:
- Kosten für die Logistik – etwa, wenn Filialen beliefert werden müssen.
- Enorme Rohstoff-Preise, etwa für Papier bei der Papiertüten-Produktion.
- Höhere Personalkosten, weil der Mindestlohn 2022 stufenweise ansteigt.
Sautter: „Es ist die Kombination der Kosten, die die Situation so gefährlich für uns macht.“ Eine Situation, die der Geschäftsführer der Bäckerinnung Stuttgart-Nord im BW24-Gespräch „schlimmer als Corona“ einstuft, denn: In der Coronavirus-Pandemie hätten die Betriebe verschiedene Mittel, beziehungsweise Fördermöglichkeiten zur Verfügung gehabt – etwa das Kurzarbeitergeld. Aber jetzt treffe es die Bäcker auf „breiter Front“.
Es ist die Kombination der Kosten, die die Situation so gefährlich für uns macht.
Die ersten Bäcker müssen Preise anziehen: Energiekosten „der letzte Hammer“
Gerade viele kleinere Betriebe würden jetzt an einen Punkt kommen, wo Preisanpassungen unumgänglich seien. Die Bäckerei-Kette Härdtner mit Hauptsitz in Neckarsulm im Kreis Heilbronn musste die Preise um fünf bis zehn Prozent nach oben anpassen, berichtet der Südwestrundfunk (SWR). Und auch Thomas Hammann, der Inhaber der Bäckerei Wiedmann in Heilbronn, berichtet im SWR von finanziellen Herausforderungen.
Hammann: „Der letzte Hammer waren jetzt die steigenden Energiepreise“, weshalb auch er seine Preise anpassen musste. Doch das würde natürlich auch die Kunden belasten, die selbst knapper bei Kasse sind. Und auch Sautter bestätigt gegenüber BW24, dass die Anpassung der Preise eine Gratwanderung sei. „Es macht einen Unterschied, ob ich als Bäcker 600 Brote für je drei Euro oder ob ich 300 Brote für einen Preis zwischen sechs und acht Euro verkaufe.“
Mehrwertsteuer, Zuschüsse und Co. – was der Branche konkret helfen könnte
Hilfen aus der Politik in Baden-Württemberg, beziehungsweise der Bundesregierung, könnten helfen, Existenzen in der Branche zu sichern. Gegenüber BW24 zählt Sautter mehrere Möglichkeiten auf, die mittelfristig helfen könnten. Hier seien etwa Ausnahmen bei der CO₂-Steuer oder der Gasumlage denkbar. Auch eine Strompreisbremse, wie es sie in Österreich gibt, könnte vielen Bäcker-Betrieben helfen. Zuvor hatte Merkur.de über die Maßnahme berichtet.
Zudem könnten direkte finanzielle Zuschüsse für die Betriebe oder auch eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer wie in Zeiten der Corona-Pandemie helfen, die Bäcker über Wasser zu halten. Ähnliche Entlastungsideen hatten zuvor schon andere Energie-intensive Branchen, wie die Stahlindustrie, ins Spiel gebracht. In vielen Industriebereichen ist Gas nach wie vor eine wichtige Heiz- und Energiequelle, die kurzfristig schwer oder nicht zu ersetzen ist.