Mietern kündigen für den Klimaschutz? Liebe Regierung, diese Idee ist skandalös

Das Land Baden-Württemberg wollte für Büroflächen in Stuttgart Mieter aus ihren Wohnungen werfen. Das ist schon Skandal genug. Die Begründung macht es noch schlimmer, findet unser Autor.
Stuttgart - Die Abteilung Vermögen und Bau des Finanzministeriums in Stuttgart benötigt Büroflächen. So weit, so nachvollziehbar. Dass sich selbst für eine Landesbehörde die Suche nach geeigneten Möglichkeiten angesichts der Wohnungsnot in Stuttgart schwierig gestaltet, ist ebenso plausibel. Doch sich als Finanzministerium für den Rauswurf von Mietern aus Wohnungen zu entscheiden, sorgte zu Recht für massive Kritik.
Zwar hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann vorerst die Notbremse gezogen und die Pläne wieder auf Eis gelegt - der Schaden ist allerdings angerichtet. Die Vorgehensweise und die Idee des Ministeriums sind skandalös genug. Sich als Ministerium dann noch mit der „Vorbildfunktion beim Klimaschutz“ zu rechtfertigen, wie es die Stuttgarter Zeitung berichtete, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Land will Wohnraum für Klimaschutz vernichten - und macht sich damit unbeliebt
Denn die neuen Büroflächen braucht das Finanzministerium nur, weil Landesgebäude und das Haus der Abgeordneten energetisch saniert werden und das Priorität genieße. Zunächst keine schlechte Begründung. Ohnehin tut Baden-Württemberg viel für den Klimaschutz. Doch dafür dann drei Wohngebäude mit einkommensschwachen Mietern auszusuchen, schürt bei den Bürgern Spaltung und Unverständnis. So überzeugt ihr mit Sicherheit niemanden vom Klimaschutz.
Wenn Klimaschutz als „Priorität“ bedeutet, dass Menschen in ohnehin schwieriger Lage darunter leiden müssen, verliert die Landesregierung die Zustimmung für diese massive Aufgabe. Für das Gelingen des Kampfes gegen den Klimawandel bedarf es jedoch die Unterstützung aller.
Wohnungskündigungen für den Klimaschutz: Land liefert Steilvorlage für Kritiker
Auch die Tatsache, dass „ein konkreter Bedarf für die Zwischenunterbringung der Abgeordnetenbüros in unmittelbarer Nähe zum Landtag“ nötig war, macht es nicht besser. Vielmehr ist es ein gefundenes Fressen für Kritiker von Klimaschutzmaßnahmen. Solche Aussagen nähren das Narrativ, Klimaschutz sei nur für „die da oben“, die dann bequem zum Landtag laufen können, während sich der „einfache Mann“ das Pendeln mit dem Auto wegen explodierender Benzinpreise nicht mehr leisten kann.
Zudem wird im Zusammenhang mit dem Klimaschutz immer von „Nachhaltigkeit“ gesprochen. „Zwischenunterbringung“ klingt allerdings wenig nachhaltig. Zwar wollte das Finanzministerium das neu entstehende Bürogebäude als „flexibles Ausweichquartier“ belassen. Das klingt allerdings sehr vage und verdächtig nach Leerstand, sobald der eigentliche Zweck erfüllt wäre.
Liebe Regierung: Saniert eure Landesgebäude. Werdet energieeffizienter. Kämpft für mehr Klimaschutz. Sorgt meinetwegen auch für das Wohlergeben eurer Abgeordneten. Aber bitte denkt auch daran, dass viele der notwendigen Maßnahmen oft schwer nachvollziehbar sind und es deshalb viel Überzeugungsarbeit bei den Menschen kostet. Mit Plänen wie in Stuttgart, Einkommensschwache für Klimaschutz aus ihren Wohnungen zu werfen, wird diese Mammutaufgabe künftig noch schwerer.