Stuttgart 21: Explodieren die Kosten wegen Korruption? Bahn-Insider packen aus

Das Bahnmegaprojekt Stuttgart 21 wurde in den vergangenen Jahren immer teurer. Whistleblower der Deutschen Bahn warnten vor Korruption und Misswirtschaft.
Stuttgart - Die Baumaßnahmen für das Megaprojekt Stuttgart 21 dauern nun bereits seit mehr als zehn Jahren an und nach aktuellem Stand ist auch noch kein Ende in Sicht. Bei dem Baustart am 2. Februar 2010 wurde die Fertigstellung des bereits damals stark umstrittenen Bahnprojektes auf den Dezember 2019 datiert. Inzwischen wurde nicht nur das Datum der Fertigstellung immer wieder nach hinten verschoben, auch die Kosten für das Projekt stiegen stark an. In der Landeshauptstadt Stuttgart regt sich noch immer Protest gegen Stuttgart 21, im Februar 2020 fand die 500. Montagsdemo gegen das Bahnprojekt statt.
Zu Beginn der Baumaßnahmen für Stuttgart 21 wurden die Kosten auf bereits stolze 2,5 Milliarden Euro beziffert, die später zunächst auf 4,1 Milliarden Euro anstiegen. Inzwischen ist jedoch bekannt: Das Mega-Projekt Stuttgart 21 soll 8,2 Milliarden Euro verschlingen. Zwei Whistleblowern zufolge stiegen die Kosten auch durch Misswirtschaft und Korruption an, wie die Financial Times berichtet. Die ehemaligen Mitarbeiter der Deutschen Bahn schlugen Alarm, jedoch ohne Erfolg.
Stuttgart 21: Whistleblower sehen Grund für extremen Kostenanstieg in Korruption
Während der mehr als zehn Jahre andauernden Bauzeit von Stuttgart 21 mussten die Pläne mehrfach angepasst werden. Erst Mitte des Jahres wurde bekannt, dass eine zusätzliche Verbindung zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und dem Flughafen weitere Kosten nach sich ziehen wird. Die Fertigstellung von Stuttgart 21 wird damit noch mal mehrere Millionen Euro teurer. Umso erschreckender sind die Details, die nun von zwei ehemaligen Ingenieuren der Deutschen Bahn veröffentlicht wurden. Laut ihnen hätte ein so starker Kostenanstieg durch gerechtes Wirtschaften auch vermieden werden können.
Der Financial Times zufolge, die sich auf interne Dokumente und Insider bezieht, erhielt die Compliance-Abteilung der Deutschen Bahn bereits vor rund fünf Jahren, also im Jahr 2016, mehrfach Hinweise, dass die Kostenexplosion beim Megaprojekt Stuttgart 21 durch Korruption und Misswirtschaft hervorgerufen wurde. Die Whistleblower, die zum damaligen Zeitpunkt als Ingenieure an dem Bahnprojekt beteiligt waren, fanden jedoch kein Gehör. Stattdessen wurde einer der Bahnmitarbeiter nach einer ersten Compliance-Anhörung entlassen, der andere brach aus Angst vor den Folgen den Kontakt ab.
Stuttgart 21: Kostenexplosion hätte vermieden oder deutlich geringer ausfallen können
Der stetige Preisanstieg von 2,5 auf zunächst 4,1 und schließlich auf 8,1 Milliarden Euro hätte natürlich nicht vollständig vermieden werden können. Ein Whistleblower schätzte laut Financial Times jedoch, dass rund 600 Millionen Euro durch vermeidbare Kosten verursacht wurden. Beide ehemalige Bahnmitarbeiter warfen hochrangigen Managern des Projektes vor, überflüssige Aufträge für Gegenleistungen an Land gezogen zu haben. Dazu zählte beispielsweise der Plan für ein elektrisches Umspannwerk, das in der ursprünglichen Planung nicht inbegriffen war. Einer der Ingenieure sollte durch Druckausübung einer ihm übergeordneten Person einen Auftrag mit mehr als 2,5 Millionen Euro Volumen annehmen, obwohl ein alternatives Angebot zum Preis von 30.000 Euro vorlag.
Den Whistleblowern zufolge ignorierten hochrangige Manager des Bahnprojektes Stuttgart 21 die Aufdeckung zusätzlicher und vermeidbarer Kosten. Ein Beispiel: Die Summe für eine geplante U-Bahnhaltestelle, deren Kosten eigentlich zur Hälfte von der Kommune getragen werden sollten. Laut den ehemaligen Bahnmitarbeitern sollte alles daran gesetzt werden, die Darlegung der zusätzlichen Kosten zu vermeiden. Nachdem einer der Ingenieure des umstrittenen Megaprojektes gefeuert worden war, legte er Berufung ein - nur um dann erneut entlassen zu werden. Die Deutsche Bahn gab gegenüber der Finanical Times an, die Entlassung hätte nichts mit dem Compliance-Verfahren zu tun. Zudem habe eine im Jahr 2016 gestartete Untersuchung über die Kosten für Stuttgart 21 kein Fehlverhalten gezeigt.