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Die Sterne über Stuttgart verschwinden – „Den Menschen entgeht eines der schönsten Himmelsereignisse“

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Von: Nadja Pohr

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Forscher warnen vor einer drastischen Zunahme der Lichtverschmutzung. Dadurch lassen sich immer weniger Sterne am Himmel erkennen. Die Sternwarte Stuttgart kämpft seit ihrem Bestehen mit dem Problem und bestätigt gegenüber BW24 eine folgenschwere Entwicklung.

Stuttgart - Straßenbeleuchtung, angestrahlte Denkmäler oder Geschäftsbeleuchtung in den Städten: Selbst als eine Energiesparverordnung ausgesprochen wurde, war unter anderem Stuttgarts Innenstadt hell erleuchtet. Dabei wäre eine Verringerung der Beleuchtung nicht nur wegen und in Zeiten der Energiekrise wichtig. Das zeigte nun eine Studie des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam, der Ruhr-Universität Bochum und vom NOIRLab der National Science Foundation (NSF).

Die Forscher riefen unter anderem die Bevölkerung zur Beobachtung des Himmels auf und sammelten von 2011 bis 2022 mehr als 50.000 Einreichungen. Dadurch sollte ermittelt werden, welche Sternenkarten sich von verschiedenen Standorten aus noch eindeutig erkennen lassen. Das Ergebnis der Studie: Die sogenannte Lichtverschmutzung macht es zunehmend schwerer, die Himmelskörper zu identifizieren. Die Geschwindigkeit, in denen die Sterne verschwinden, sei dramatisch, wie fr.de berichtet. Auch bei der Sternwarte Stuttgart auf der Uhlandshöhe beobachtet man seit Jahren eine Zunahme des Lichtsmogs, wie Andreas Eberle, Vorsitzender der Schwäbischen Sternwarte, gegenüber BW24 erklärt.

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„Stuttgart wird immer heller“: Mit bloßem Auge kann man in der Stadt immer weniger Sterne am Himmel sehen

Die Lichtverschmutzung sei kein neues Thema für die Betreiber der Sternwarte. Seit der Gründung vor 100 Jahren könne man eine Zunahme beobachten. „Wir haben Vereinsberichte, die schon in den 50er-Jahren beklagen, dass Stuttgart immer heller werde“, sagt Eberle. „Manche der damals routinemäßig im Teleskop eingestellten Objekte können wir unseren Besuchern heute nicht mehr zeigen.“ Dennoch habe man in der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg dank eines geeigneten Beobachtungsstandortes und der langjährigen Erfahrung mit dem Thema Lichtsmog noch „Glück im Unglück“.

Menschen beobachten auf der Schwäbischen Alb den Sternenhimmel im Hintergrund erkennt man beleuchtete Städte
Durch die Lichtverschmutzung wird es immer künftig schwieriger werden, die Sterne am Nachthimmel zu erkennen, wie Forscher warnen. © IMAGO/7Aktuell

„Für unsere Sternwarte bedeutet die Zunahme der Lichtverschmutzung daher in erster Linie, dass wir einen immer größeren technischen Aufwand betreiben müssen, um die negativen Effekte der Lichtverschmutzung abzumildern“, sagt Eberle unserer Redaktion. Man plane daher auch eine Erweiterung bei der Sternwarte, um Platz für ein neues, größeres und leistungsfähigeres Teleskop zu schaffen. Umgekehrt bedeute dies allerdings auch, dass man mit bloßem Auge immer weniger sehen könne. „Das hat zur Folge, dass wir schon heute während öffentlichen Führungen feststellen müssen, dass es immer mehr Menschen gibt, die in ihrem Leben noch nie die Milchstraße gesehen haben. Damit entgeht ihnen eines der schönsten Himmelsereignisse“, zeigt sich der Vorsitzende alarmiert.

Wie der Chef der Sternwarte Stuttgart weiter erklärt, gebe es derzeit Bemühungen der UNESCO, den Nachthimmel als schützenswert anzuerkennen. „Ich glaube, jeder, der das Glück hatte, in einer klaren, mondlosen Alpennacht ohne Fremdlicht nach oben zu schauen, kann bestätigen, was für ein besonderes Gefühl das ist.“

Die Folgen der Lichtverschmutzung könnten dramatisch sein

Laut der Studie wurde pro Jahr der Nachthimmel in Europa um 6,5 Prozent und in Nordamerika um 10,4 Prozent heller. Weltweit betrug der jährliche Durchschnitt der Aufhellung 9,6 Prozent. Die Zunahme der Lichtverschmutzung kann daher dramatische Folgen mit sich bringen. „Wenn die Entwicklung so fortschreitet, wird ein Kind, das an einem Ort geboren wird, an dem 250 Sterne sichtbar sind, dort an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 Sterne sehen können“, warnte Christopher Kyba, Erstautor der Studie. Darüber hinaus beeinträchtigt die Lichtverschmutzung sowohl tag- als auch nachtaktive Tiere.

Um einen weiteren Anstieg künftig zu verringern, schlägt der Vorsitzende der Sternwarte Stuttgart unter anderem eine bessere Ausrichtung der Straßenlampen vor. Wenn diese konsequent nach unten strahlten und nicht etwa seitlich oder nach oben, spare das nicht nur Energie, sondern schütze auch nachtaktive Lebewesen und den Biorhythmus der Anwohner. „Viele Gemeinden sind inzwischen für dieses Thema sensibilisiert und eine gelungene Umrüstung wirkt sich spürbar positiv aus“, sagt Eberle. Am besten wäre es jedoch, überflüssige Beleuchtung komplett auszuschalten.

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