Hört auf, fremde Kinder anzufassen – es ist übergriffig und unfair

Für einige Menschen scheint es normal zu sein, fremde Kinder anzufassen. Leider merken viele nicht, wie übergriffig ihr Verhalten ist. Unsere Autorin findet: Das muss aufhören.
Stuttgart - Obwohl es schon eine Weile her ist, erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. Auf der Firmenfeier meines Vaters tobte mein fünfjähriges Ich über die Spielwiese. Neben uns grillten die Erwachsenen. Die Stimmung: Heiter und ausgelassen. Wir hatten gerade begonnen, Ball zu spielen, als ein mir fremder Mann sich näherte – offenbar ein Kollege meines Vaters. Mit einem fröhlichen „Und - wem gehörst du?“ packte er mich, riss mich nach oben und schleuderte mich durch die Luft. Bevor ich etwas antworten konnte, setzte er mich wieder am Boden ab, ging seines Weges – und ließ mich benommen und verunsichert zurück.
Sicherlich wollte der Kollege meines Vaters nur einen Spaß machen. Zudem liegt das Ereignis nun 25 Jahre zurück – eigentlich nicht der Rede wert, oder? Obwohl ich keine böse Intention dahinter sehe, erinnere ich mich sehr genau an die Situation. Ich weiß noch, dass ich mich in dem Moment nicht gut gefühlt habe. Mit dem Wissen von heute würde ich sagen: Ein solches Verhalten ist ziemlich übergriffig.
Erwachsene, die fremde Kinder anfassen: Eltern berichten von ungeheuerlichem Verhalten
Was gibt fremden Menschen das Recht, kleine Kinder, die nicht ihre sind, anzufassen? Das fragte sich kürzlich auch eine Bloggerin, die von übergriffigem Verhalten Fremder gegenüber ihren Kindern erzählt. Unter ihrem Beitrag melden sich weitere Eltern zu Wort, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Sie berichten, wie Fremde in den Kinderwagen fassen, die Wange von Kleinkindern tätscheln, ihnen über die Haare streicheln. Ich finde: Wenn es sich nicht um Freunde, Familienmitglieder oder andere nahestehenden Personen handelt, überschreiten die Erwachsenen damit eindeutig eine rote Linie.
Natürlich kommt es manchmal auf den Kontext an. Bei der alten Frau aus der Nachbarschaft, die in den Kinderwagen schaut und das Baby sanft am Arm berührt – nun ja, traumatisiert wird davon sicher niemand. Dennoch ist es fatal, wenn völlig fremde Personen denken, dass sie Kinder einfach so begrabbeln können. Durch ihren Altersvorsprung haben Erwachsene kognitiv einen klaren Vorteil gegenüber den Kindern, die sich womöglich noch nicht so gut artikulieren können – oder einfach noch nicht gefestigt genug sind, um zu sagen, dass sie eine Berührung nicht möchten. Das kann zu sehr unangenehmen Gefühlszuständen führen.
Grenzen akzeptieren – und bei Unsicherheiten nachfragen
Jedes Kind definiert seinen persönlichen Grenzen anders. Umso wichtiger ist es gerade auch für Freunde oder Familienmitglieder, je nach Alter des Kindes, nachzufragen. Etwa: „Darf ich dir helfen?“, wenn ein Kind es zum Beispiel nicht alleine auf den Spielturm am Spielplatz schafft. Einfach so anfassen, ohne Einverständnis der Mutter oder vom Kind selbst, gehört sich nicht. Punkt. Auch Kinder haben ein Recht auf körperliche Integrität. Wer die Kleinen ohne deren Zustimmung einfach so anfasst, nutzt seine körperliche und kognitive Überlegenheit aus und kann sein Gegenüber stark überfordern. Also, liebe Erwachsene: Lasst es einfach und nehmt die Kleinen als das wahr, was sie sind: Gleichwertige Menschen.