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Fahrgastverband kritisiert Streckensperrungen der Bahn in Stuttgart – „Problem wurde viel zu lange ignoriert“

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Von: Nadja Pohr

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Die Streckensperrungen der Deutschen Bahn rund um Stuttgart kamen für Pendler und Politiker teilweise überraschend. Der Fahrgastverband PRO Bahn Baden-Württemberg kritisiert das Vorgehen gegenüber BW24 stark.

Stuttgart - Die Bahn in Stuttgart hat vielen Pendlern in der Schwaben-Metropole schon einige Nerven gekostet und glänzte zuletzt nicht mit Verlässlichkeit. Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen zu Ausfällen und Verspätungen. Beispielsweise blieben S-Bahnen plötzlich ohne Strom auf den Strecken stehen und zwangen Fahrgäste, zu Fuß weiterzugehen. Und auch die Streiks des Bahnpersonals legten den Verkehr in Stuttgart kurzzeitig lahm.

Als wären diese Ärgernisse nicht schon für viele Grund genug, um künftig komplett auf die Bahnen in der Landeshauptstadt zu verzichten, kommen nun weitere Einschränkungen hinzu. Die Deutsche Bahn wird ab 21. April im Bereich Bad Cannstatt/Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) einige Streckensperrungen vornehmen, die bis Ende Juli reichen werden. Das wird massive Auswirkungen sowohl auf den S-Bahn- als auch den Fern- und Güterverkehr haben.

Fahrgastverband kritisiert Bahn: „Es wird nach dem Motto ‚wird schon irgendwie gehen‘ gehandelt“

Hintergrund des ganzen seien laut Bahn die Kabelverlegearbeiten für den neuen digitalen Verkehrsknoten Stuttgart mit dem digitalen Europäischen Zugsicherungssystem (ETCS), der im Zuge des Milliardenprojekts Stuttgart 21 entsteht. Fahrgäste bringen für die kurzfristige Sperrung nur wenig Verständnis auf. Thorsten Krenz, der baden-württembergische Bahnchef, verteidigt die Maßnahmen jedoch: „Wir bauen den digitalen Knoten nicht aus Selbstzweck, sondern zum Wohl und Nutzen der Metropolregion Stuttgart“. Die Umsetzung sei ja in Ordnung, nur das „Wie“ ist fragwürdig, sagt Joachim Barth, der Landesvorsitzende des Fahrgastverbands PRO Bahn Baden-Württemberg.

Barth weiß, dass sich einige Streckensperrungen nicht vermeiden lassen. Doch er mahnt: „In solchen Fällen müssen
die Sperrungen dann aber so kurz wie möglich erfolgen und vor allem gründlich geplant werden.“ Das sei nach der Meinung des Vorsitzenden des Fahrgastverbands in der Schwaben-Metropole nicht erfolgt, wie er gegenüber BW24 äußert. „Im jetzt konkreten Fall in Stuttgart hat DB-Netz das Problem viel zu lange ignoriert und nach dem Motto ‚wird schon irgendwie gehen‘ gehandelt“, kritisiert Joachim Barth. Da die Notwendigkeit für die Bauarbeiten schon lange bekannt gewesen ist, hätte man die Streckensperrungen bei sorgfältiger Planung besser gestalten können.

Bahnhof Stuttgart Bad Cannstatt mit S-Bahn im neuen Design
Die Deutsche Bahn wird ab 21. April im Bereich Bad Cannstatt/Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) einige Streckensperrungen vornehmen, die bis Ende Juli reichen werden. © IMAGO/Arnulf Hettrich

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Erschwert wurde die Organisation auf den Strecken rund um Stuttgart laut des Vorsitzenden zusätzlich durch Fehler aus der Vergangenheit. „So gibt es nach Waiblingen zwar vier Gleise, die aber nicht flexibel in alle Richtungen befahren werden können. Sonst hätte man während der Bauarbeiten auf einem Teil der Strecke weiterfahren können“, erklärt er. Für einen entsprechenden Umbau der Weichen und Signale fehle jetzt aber die Zeit, denn sonst könne der Termin für die Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs Stuttgart 2027 nicht gehalten werden. Immerhin bringt das neue ETCS-System einen großen Vorteil mit sich: „Damit sollte in der Zukunft bei Störungen ein flexiblerer Betrieb möglich werden“, sagt Barth unserer Redaktion.

Drohendes Bahn-Chaos durch Streckensperrungen – auch Verkehrsminister Hermann wird verurteilt

Aufgrund des drohenden Bahn-Chaos durch die Streckensperrungen zeigten sich auch einige Politiker aus der Landeshauptstadt verärgert. Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) sprach etwa von einem „Riesenärgernis“, Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) tadelte die Kommunikationspolitik der Bahn. Für eben diese wird Hermann jedoch auch von der FDP verurteilt.

Der verkehrspolitische Sprecher der Liberalen, Christian Jung, wirft der Landesregierung vor, man habe die Fachpolitiker über die Streckensperrungen nicht informiert. Außerdem sei es „jetzt die Aufgabe von Verkehrsminister Winfried Hermann, nicht permanent zu meckern, sondern nun mit allen Akteuren den Ersatzverkehr zu organisieren.“ Der FDP-Politiker Friedrich Haag unterstellt dem Grünen-Politiker außerdem, das Bahn-Chaos für seine persönliche Abneigung gegen Stuttgart 21 zu instrumentalisieren. Die Stuttgarter Pendler hoffen wohl dagegen einfach nur, dass es bei den Bauarbeiten nicht zu weiteren Verzögerungen kommt.

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