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Daimler: Computer-Spezialist kauft E-Klasse und macht haarsträubende Entdeckungen

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Von: Julian Baumann

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Eine Mercedes E-Klasse neben einem Laptop, auf dem jemand Computer-Code bearbeitet
Daimler: Ein IT-Spezialist schloss seine Mercedes E-Klasse an einen Computer an und stieß auf Manipulationen. © dpa/Imago

Der Daimler AG wird vorgeworfen, Abgasmanipulationen an Mercedes-Modellen vorgenommen zu haben. Ein Hacker deckte nun die Tricks der Techniker auf.

Stuttgart - Die Daimler AG setzt ihren Fokus inzwischen auf die E-Mobilität und will den CO2-Fußabdruck ihrer Modelle dadurch deutlich senken. Ab dem Jahr 2030 sollen sogar nur noch batteriebetriebene Autos mit dem Stern produziert werden. Die Verbrenner-Technologie macht dem Konzern aus der Landeshauptstadt Stuttgart jedoch noch immer Probleme. Daimler wird vorgeworfen, mithilfe einer Software Abgaswerte der Mercedes-Modelle manipuliert zu haben. Erst kürzlich wurden mehrere Daimler-Mitarbeiter wegen Betrugs verurteilt und immer mehr Mercedes-Fahrer klagen gegen das Unternehmen. Sie können sich jetzt einer Musterfeststellungsklage gegen Daimler anschließen.

Die Daimler AG wies die Vorwürfe der Abgasmanipulationen bei den Mercedes-Modellen bislang zurück und gab bekannt, sich weiterhin dagegen zur Wehr setzen zu wollen. Für die betroffenen Kunden war eine Klage für Schadensersatz schwierig, da nicht bekannt war, wie Daimler die Werte manipuliert haben sollte. Ein Hacker entdeckte die Tricks der Mercedes-Techniker nun jedoch mehr oder weniger aus Zufall, berichtet der Spiegel. Das gibt den Mercedes-Fahrern neue Hoffnung.

Daimler AG: Hacker entdeckt mutmaßliche Manipulationen bei einer Mercedes-E-Klasse

Der sogenannte Dieselskandal wirft bereits seit Jahren einen Schatten auf die Autoindustrie. Neben der Daimler AG musste sich beispielsweise auch der VW-Konzern mehrfach für Manipulationen der CO2-Werte verantworten. Im Gegensatz zu den Wolfsburgern kam Daimler bislang eher glimpflich davon. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart verdonnerte den großen Autobauer im vergangenen Jahr zwar zu einer Strafe von 870 Millionen Euro und in den USA legte Daimler einen Dieselstreit mit einer Milliarden-Zahlung bei. Die EU-Kommission richtete bislang jedoch keine Strafzahlungen gegen Daimler, wie der Spiegel berichtet.

Nun könnte die Daimler AG endgültig der Abgasschummelei überführt werden. Ein Hacker entdeckte die möglichen Tricks der Mercedes-Techniker laut Spiegel bei seinem Mercedes-Modell. Demnach wollte Felix Domke eine E-Klasse bei einem Gebrauchtwagenhändler kaufen. Zuhause schloss er den Bordrechner der Limousine an seinen Computer an und machte sich an das Werk, die schmutzigen Geheimnisse aufzudecken. Dabei wurde Domke schließlich fündig und identifizierte an acht Stellen im Softwarecode des Mercedes-Modells sogenannte Abschalteinrichtungen.

Daimler AG: Modelle fahren durch Einrichtung „gesamte Zeit im dreckigen Modus“

Durch die entdeckten Stellen im Softwarecode der E-Klasse konnte Felix Domke nachvollziehen, wie die Techniker der Daimler AG vorgingen. Die Abschalteinrichtungen reduzieren demnach die Abgasreinigung und sorgen somit dafür, dass das Auto deutlich zu viel CO2 ausstößt. „Eine dieser Abschalteinrichtungen ist eigentlich auf der Straße immer aktiviert, wodurch der Wagen praktisch die gesamte Zeit im dreckigen Modus fährt“, erklärt der IT-Spezialist. Bei der betroffenen Abgasreinigung handelt es sich im Kern um die sogenannten SCR-Katalysatoren, die Stickoxide in der Luft unschädlich machen sollen.

In diesen Katalysator wird ein harnstoffhaltiges Mittel namens AdBlue eingespritzt, den Tank für dieses Mittel platzierten die Techniker der Daimler AG neben dem Benzin-Tank. Da der AdBlue-Tank nicht zu groß geraten sollte, regulierte der Autobauer demnach den Verbrauch nach unten und reduzierte so die Stickoxid-Reinigung. „Diesen Zweck erfüllen die von mir identifizierten Abschalteinrichtungen“, so Felix Domke laut dem Spiegel. Der Hacker identifizierte jedoch gleich zwei, sehr unterschiedliche Verwendungsweisen der Abgasregulation. In einem Fall funktionierte der SCR-Katalysator wie vorgesehen und filterte die Abgase aus der Luft, verbrauchte im Gegenzug jedoch eine große Menge an AdBlue.

Dieser Vorgang sollte bei den Modellen der Daimler AG eigentlich der Normalzustand sein. Die zweite Verwendungsweise, die Felix Domke bei seiner Mercedes-E-Klasse nachweisen konnte, ist eigentlich ein Verfahren, das vom Stuttgarter Zulieferer Bosch als „Notfalllösung“ angedacht war. Dieser sollte beispielsweise dann zum Tragen kommen, wenn dem Fahrzeug viel abverlangt wird. Bei den Mercedes-Modellen ist das laut Domke allerdings der Dauerzustand.

Daimler AG hält Abschaltvorrichtung für zulässig, schaltete sie jedoch per Update ab

Diese Abschaltvorrichtungen kamen offenbar nicht nur bei der Daimler AG, sondern auch bei BMW und VW zum Einsatz. Daimler selbst sieht die Regulierung der Abgaswerte in den Mercedes-Modellen nicht als unzulässig an. Ein Daimler-Sprecher erklärte auf Anfrage des Spiegel und des Bayerischen Rundfunks, dass es sich „im Zusammenspiel und Gesamtkontext des hochkomplexen Emissionskontrollsystems“ nicht um „unzulässige Abschalteinrichtungen“ handle. Die Anwälte des schwäbischen Autokonzerns dürften jedoch ihre Schwierigkeiten haben, die Richter davon zu überzeugen.

Bisher wollte die Daimler AG im Dieselskandal keine Aktion als Schuldeingeständnis verstanden wissen, auch nicht die Zahlungen in Milliardenhöhe. Für Felix Domke wirkt eine Reaktion auf die aufgedeckten Tricks der Techniker allerdings sehr wohl wie ein Schuldeingeständnis des Autobauers. Mithilfe eines Softwareupdates, das vom Bundesamt vorgeschrieben wurde, schaltete Daimler die Abschaltvorrichtungen in den Mercedes-Modellen ab. Nun hält auch die E-Klasse des IT-Experten die „Grenzwerte mühelos ein“, sagte dieser dem Spiegel. Allerdings muss er nun regelmäßig die Flüssigkeit AdBlue für den SCR-Katalysator nachfüllen.

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