Baden-Württemberg: SPD will Kita-Gipfel wegen Personalmangel in der Kinderbetreuung

In baden-württembergischen Kitas fehlen weiterhin in drastischem Ausmaß Fachkräfte. Die Pandemie hat die Lage noch verschärft, und die Prognosen fallen düster aus. Die SPD will den Landtag nutzen, um über weitere Schritte zu diskutieren.
Stuttgart (dpa/lsw) - Nach den alarmierenden Ergebnissen einer Umfrage unter 2200 Kita-Leitungen will die SPD im Landtag über ein «SOS-Programm» für die frühkindliche Betreuung und einen Kita-Gipfel streiten. «Dass ein Großteil der Kitas im Land die Aufsichtspflicht nicht mehr durchgehend gewährleisten kann, ist eine Katastrophe», sagte der SPD-Landes- und -Fraktionschef Andreas Stoch vor der für Donnerstag (09.30 Uhr) geplanten Debatte. Die Umfrage der Kita-Leitungen im Land bezeichnete er als «letzten Alarmruf für die Landesregierung». Zuerst hatte die «Südwest Presse» über die Forderung berichtet.
Die SPD fordert unter anderem ein Sofortrückkehrprogramm und einen Aufstockungsbonus bei Teilzeit. Zudem muss die vertragliche Leitungszeit an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. «Aufgaben der Personalmanagements, der pädagogischen Leitung oder der Organisationsentwicklung dürfen nicht zu Einschnitten in der Betreuung der Kinder führen», fordert die Partei weiter. Notwendig sei zudem eine Kita-Konferenz, bei der «alle Akteurinnen und Akteure der frühkindlichen Bildung» versuchten, die Betreuungsengpässe zu entschärfen.
Nach einer Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) hat fast jede Krippe und jeder Kindergarten im Südwesten in den vergangenen Monaten deutlich zu wenig Personal einsetzen können. Bei etwa jeder fünften Kita war der Mangel nach einer neuen Studie bisweilen sogar gravierend. «Der Personalmangel verschärft sich weiter, teilweise mit dramatischen Folgen für die Kinder und pädagogischen Fachkräfte», hatte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand vor einer Woche in Stuttgart gewarnt.
Baden-Württemberg: 88 Prozent der Kitas mussten mit weniger Personal auskommen
Nach der bundesweiten Online-Umfrage - mit über 2200 Kita-Leitungen aus Baden-Württemberg - mussten 88 Prozent der Kitas in den vergangenen zwölf Monaten zum Teil mit erheblich weniger Personal auskommen, als sie für ihre Aufsichtspflicht benötigen. Rund 18 Prozent der Kita-Leitungen berichteten, dass dies in 40 Prozent der Zeit der Fall war. Überstunden und unsichere Vorgaben in der Corona-Pandemie hätten die Belastung noch gesteigert, sagte Brand.
Für Schlagzeilen hatte auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung gesorgt. Demnach wird es in Baden-Württemberg trotz eines deutlichen Personalausbaus in den Kitas schwerfallen, ausreichend Erzieherinnen und Erzieher für die starke Nachfrage in der Kinderbetreuung einzustellen. Bis zum Jahr 2030 müssten die bestehenden Ausbildungskapazitäten fast verdoppelt werden, um den Bedarf kindgerecht zu erfüllen und Kitas auch weiter mit dem heutigen Personalschlüssel auszustatten. Das ist trotz vergleichsweiser guter Zahlen nicht zu schaffen, wie die Analyse deutlich macht, die die Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh vorgelegt hat.
In Baden-Württemberg werden nach Angaben des Statistischen Landesamts rund 454 000 Kinder in rund 9300 Einrichtungen betreut. Zwei Drittel der betreuten Kinder waren im vergangenen Jahr im klassischen Kindergartenalter von drei bis unter sechs Jahren. Die Zahl der Beschäftigten lag im März 2020 bei etwa 112 500, davon arbeiteten rund 100 000 als pädagogisches Personal. Neben dem Land ist auch die Kirche ein bedeutender Träger von Kitas.