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„Es wird Exzesse geben“: Chef der Polizeigewerkschaft warnt auf Facebook-Botschaft zu den Ausschreitungen

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Von: Lisa Schönhaar

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Samstagnacht kam es zu Ausschreitungen in Stuttgart - Polizisten wurden angegriffen, Streifenwagen und Läden zerstört. Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt gibt der Politik die Schuld dafür.

Stuttgart – Am vergangenen Wochenende kam es in der Nacht zum Sonntag zu schwerwiegenden Ausschreitungen in Stuttgart. Dutzende gewalttätige Kleingruppen zogen durch die Innenstadt der Landeshauptstadt Stuttgart und randalierten. Laut Angaben der Polizei wurden 40 Geschäfte beschädigt, neun Läden geplündert, mehrere Polizisten wurden angegriffen und verletzt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach von einem „brutalen Ausbruch von Gewalt“.

Die Aufarbeitung der Ausschreitungen in Stuttgart vom Wochenende fängt jetzt erst an. Für die Polizei scheint bislang festzustehen, dass die Randale nicht politisch motiviert war. Die Täter hätten keinen politischen Hintergrund gehabt, auch nicht aus der linken Szene, sagte Polizeipräsident Frank Lutz am Sonntag auf einer Pressekonferenz. Es seien vielmehr junge Menschen aus der „Party- und Eventszene“ gewesen, die sich in den vergangenen Wochen immer wieder getroffen und sich in den sozialen Medien inszeniert hätten - allerdings noch nie in einem Ausmaß wie bei den Ausschreitungen in Stuttgart.

Ausschreitungen in Stuttgart: Rainer Wendt beschuldigt deutsche Politik und Rassismusvorwürfe

Zu den Ausschreitungen in Stuttgart meldete sich auch der Chef der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, zu Wort. Auf Facebook postete Wendt ein Foto mit dem Text „Ein Tipp für diejenigen in Parteien, Parlamenten, Regierungen und Redaktionen, die nach Ursachen für die Gewaltexzesse in Stuttgart suchen: Es war vermutlich nicht der ,latente Rassismus in der deutschen Polizei‘. Willkommen in der deutschen Lebenswirklichkeit!“

Ein Polizeiauto steht nach den schweren Ausschreitungen in Stuttgart in der Nacht zum Sonntag in der Innenstadt.
Ausschreitungen in Stuttgart: Gewalttätige Kleingruppen zogen in der Nacht zum Sonntag durch die Innenstadt, zerstörten Geschäfte und griffen Polizisten an. © Sven Kohls/dpa

Rainer Wendt schreibt zu den Ausschreitungen in Stuttgart auf Facebook: „Niemand darf sich darüber wundern, wenn sich gewaltbereite Gruppen dazu ermuntert fühlen, sich auf diese Weise auszutoben, wenn sich die deutsche Politik wochenlang mit Gespensterdiskussionen über angeblichen strukturellen Rassismus in der Polizei oder Polizeigewalt beschäftigt“. Wenn den Menschen sogar durch eine Parteivorsitzende der SPD suggeriert werde, die Feinde unseres Rechtsstaates säßen in der Polizei, schwäche diese Politik den Staat und stärke seine Gegner.

Mit seiner Aussage zu den Ausschreitungen in Stuttgart bezieht sich Gewerkschaftschef Wendt auf eine Äußerung von SPD-Chefin Saskia Esken. In einem Interview hatte Esken in Bezug auf die „Black lives matter“-Proteste nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd gesagt, auch in Deutschland gebe es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, der durch Maßnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden müsse. Später entschuldigte sich die SPD-Chefin und relativierte ihre Aussage - sie habe nicht die gesamte deutsche Polizei unter Generalverdacht stellen wollen.

Ausschreitungen in Stuttgart laut Rainer Wendt ein Warnzeichen für neuen Linksterrorismus

Schon vor den Ausschreitungen in Stuttgart am vergangenen Wochenende kam es zu Gewalt gegen Polizisten. Am Stuttgarter Hauptbahnhof etwa wurde ein 33-Jähriger aus Nigeria ohne Fahrkarte im Zug aufgegriffen und anschließend von der Polizei kontrolliert. Laut Angaben der Polizei führte der Mann mehrere gefälschte Ausweisdokumente mit sich. Daraufhin verteidigte eine wütende Menschenmenge den Mann vor den Beamten.

Auch ein anderer Polizei-Einsatz in der Innenstadt eskalierte. Als Polizisten einen 18-Jährigen mit dunkler Hautfarbe in Stuttgart in Gewahrsam nehmen wollten, kreisten Hunderte Menschen sie ein. Ein Sprecher der Polizei sagte gegenüber BW24, dass dieser Einsatz ohne den gewaltsamen Tod von George Floyd und der darauffolgenden weltweiten Entrüstung nicht derart eskaliert wäre.

Auch wenn Polizeipräsident Frank Lutz auf der Pressekonferenz zu den Ausschreitungen in Stuttgart einen linksextremistischen Hintergrund ausschloss, hält Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt die jüngsten Randale in der Innenstadt für ein Warnsignal. Auf Facebook schreibt Wendt, das Bundesamt für Verfassungsschutz warne zu recht vor dem Entstehen eines neuen Linksterrorismus. „Diese Auswüchse in Stuttgart sind deutliche Warnzeichen dafür“, schreibt der Gewerkschaftschef. „Die Politik ist aufgerufen, endlich die richtigen Weichen zu stellen, um zu starken staatlichen Strukturen in den Sicherheitsbehörden, in der Justiz und dem Justizvollzug zu kommen, wenn staatlicher Kontrollverlust nicht zum Wesensmerkmal deutscher Lebenswirklichkeit werden soll.“

Ganz offensichtlich hätten sich in Stuttgart verschiedene Gruppierungen aus unterschiedlichen Milieus ermutigt gefühlt, ihre Gewaltbereitschaft mit brutaler Gewalt und hoher krimineller Energie zu demonstrieren, so Rainer Wendt zu den Ausschreitungen in Stuttgart. „Diese Exzesse wird es künftig vor allem in großen Metropolen geben, sich dann aber rasch auch in Kleinstädten zeigen.“

Nach den Ausschreitungen in Stuttgart diskutieren Stadt und Polizei über ein Alkoholverbot in Baden-Württemberg. Die Sicherheitspartnerschaft machte am Dienstag einen ersten Schritt, um die Innenstadt sicherer zu machen. Viele Kommunen und Gemeinden befürchten, das Verbot so nicht umsetzen zu können.

Der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Ralf Küsterer, wirft der Stadt Stuttgart vor, aggressive und respektlose Jugendliche aus politischer Korrektheit ignoriert zu haben. Er sagte außerdem, die Stadt hätte die Forderungen der Polizei zur Durchsetzung eines Grünflächenverbots ignoriert.

Nach den Ausschreitungen in Stuttgart ist im Netz eine brisante Tonspur aufgetaucht. Zu hören ist ein mutmaßlicher Polizist, der die Täter der Krawalle als „Kanaken" bezeichnet. Die Polizei Stuttgart hat die Echtheit der Aufnahme bestätigt - sie ermittelt in den eigenen Reihen.

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