Huml habe ihm versichert, sie sei willens und in der Lage, die „Scharte auszuwetzen“, betont Söder. Ein wenig klingt es, als sichere er sich gleich eine Option, doch noch die Reißleine zu ziehen - und als weise er auch die Verantwortung für künftige Fehler von sich. Allerdings bekommt die Gesundheitsministerium einen neuen „Aufpasser" an die Seite: Münchens wohl bekanntesten Polizeibeamten*.
Seine politischen Gegner halten Söder am Donnerstag die offenkundig gewordene Lücke zwischen dessen publikumswirksamen Ankündigungen und der Realität vor. Ein Satz steht im Fokus. „Ein Dienst, den wir für Deutschland machen“, sagte Söder erst am Montag nach einer außerplanmäßigen Videoschalte seines gesamten Kabinetts - und nun dieses Chaos mit mehreren zehntausend vertrödelten Tests.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock beispielsweise sieht Söder persönlich in der Verantwortung für die Panne. „Wer sich als Ministerpräsident permanent als Krisenmanager inszeniert und sich selbst ständig auf die Schulter klopft, ist auch in der Verantwortung sicherzustellen, dass es funktioniert“, sagt Baerbock am Donnerstag. Bayerns FDP-Chef Daniel Föst spricht von einem „Armutszeugnis“ und einem „Sicherheitsrisiko für ganz Deutschland“. Er betont auch: Söder könne sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Söder nennt derlei Reaktionen erwartbar - und auch zulässig, wenn Fehler passierten. Er sei der Opposition nicht böse, wenn diese jetzt „zähnefletschend“ alles Mögliche sage. Es gehe aber beim Kampf gegen das Coronavirus auch nicht um irgendeinen Schönheitswettbewerb. Im Ringen der Ministerpräsidenten um Corona-Regelungen wirkte das allerdings bisweilen anders.
Allerdings gibt es Kritik auch aus direkt aus Bayern. „Nicht das Ehrenamt hat versagt, sondern die nachgelagerten Institutionen“, sagte der Geschäftsführer der Bayerischen Rotes Kreuzes, Wolfgang Obermair. Offenbar wolle man die Last der Pannen auf viele Schultern verteilen. „Aber unsere Schultern stehen dafür nicht zur Verfügung.“ Auch beim „ein oder anderen erfahrenen Kabinettsmitglied" wachse der Verdruss, will die Frankfurter Allgemeine Zeitung erfahren haben.
Aber das ist eine weitere Botschaft, die Söder am Donnerstag sendet: Eigene Fehler sieht er nicht. „Uns war wichtig, so rasch wie möglich zu starten“, sagt er über die Autobahn-Teststationen. Es habe schwere Fehler gegeben - aber „in der Umsetzung, nicht in der Strategie“.
Auch sein Vorpreschen verteidigt er, auch wenn die bayerischen Behörden den Ankündigungen diesmal nicht hinterherkamen. „Vielleicht ist dann auch der Anspruch höher, als die Umsetzung manchmal geht.“ Und Söder betont: „Fakt ist: Das Tempo ist hoch: Aber das Tempo wird nicht von uns oder von mir gemacht, sondern durch Corona bestimmt.“
Fakt ist tatsächlich auch: Söder ist - Stand Donnerstag - nach wie vor fast der einzige Regierungschef, der in seinem Land Teststationen an den Autobahnen für Reiserückkehrer anbietet. In den meisten Ländern mit deutschen Außengrenzen gibt es solche Stationen nicht - in Baden-Württemberg sollte die erste noch in dieser Woche starten. Fast überall reisen Urlauber also ein, ohne dass es in Grenznähe ein breites Angebot gäbe, sich freiwillig testen zu lassen. „Dies findet im Rest von Deutschland nach wie vor so nicht statt“, sagt Söder. Nur für Rückkehrer aus Risikogebieten sind die Tests inzwischen Pflicht.
Söder warnt deshalb eindringlich vor einer massiven Verschlechterung der Corona-Lage in den kommenden Monaten. Denn tatsächlich weiß keiner, wie viele Reise-Rückkehrer das Virus mit nach Hause bringen. Sind es tatsächlich zwei Prozent, wie es die bayerischen Zahlen nahelegen? Noch ist auch offen, welche Folgen die bayerische Test-Panne hat. Wie viele Infizierte gibt es am Ende, wo sind diese nun, wie viele andere Menschen haben diese inzwischen eventuell angesteckt - alles offen.
Unterdessen hat sich auch eine bekannte Politikerin als Opfer der bayerischen Test-Panne „geoutet“: Die Grüne Claudia Roth ist nach eigenen Angaben von dem Debakel selbst betroffen. Sie warte noch heute auf die Ergebnisse ihres Tests vom 2. August, sagte sie der Augsburger Allgemeinen. Am Münchner Flughafen sei sie auf das Coronavirus getestet worden. Nachfragen seien ins Leere gelaufen, die Corona-Hotline sei nie erreichbar gewesen. „Mittlerweile bin ich bei einem Arzt in Augsburg gewesen - innerhalb von 23 Stunden hatte ich mein negatives Testergebnis.“
Roth kritisierte Söder scharf: „Wenn sich Herr Söder als Top-Manager der Pandemie stilisiert und ständig noch mehr Kontrollen ankündigt, aber keinen Realitätscheck macht, ob überhaupt ausreichend Kapazitäten vorhanden sind, dann ist das fahrlässig“, sagte Roth. „Es ist gerade in diesen Pandemie-Zeiten brandgefährlich, wenn das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit der Politik durch sowas verspielt wird.“
Im weiteren Verlauf des Corona-Test-Skandals gerät Ministerin Huml in die Kritik, offenbar wusste sie bereits mehrere Tage früher von den chaotischen Zuständen an den Teststationen.
Abzuwarten bleibt, ob das Problem nun auch den Wunsch nach einer Kanzlerschaft Söders in der Bevölkerung dämpft. Die Neue Ruhr Zeitung kommentierte, durch die Corona-Probleme der Unions-Politiker wie Laschet und Söder gebe es bestenfalls einen Gewinner: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. In der Schusslinie steht nun selbst Kanzlerin Angela Merkel. Späte Kritik gibt es auch am Treffen Söders mit der Kanzlerin im Juli. (dpa/fn)
Unterdessen zeigt sich, dass es bereits vor der großen Panne zu Verzögerungen kam. Ein Infizierter lief nach Test in Bayern tagelang ahnungslos durch Hamburg und auch eine betroffene Ärztin aus Köln weiß, „das kann kein Einzelfall sein“.
Während die SPD mit Olaf Scholz schon ein Jahr vor der Wahl ihren Kanzler-Kandidaten gefunden hat, ist die Union noch nicht festgelegt. Beste Chancen hat Markus Söder, doch in der Union entsteht zunehmend eine Kluft in Sachen K-Frage.