Grüne auf stiller Suche nach der Kretschmann-Nachfolge: Macht‘s Cem Özdemir?
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird 75 Jahre alt. Wer könnte dem Grünen Landesvater nachfolgen und vor allem: wann?
Stuttgart - Winfried Kretschmann ist sicherlich einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Als es zur Hochzeit der Corona-Pandemie zu zahlreichen rechten Aufmärschen kam, machte er in der Talkrunde von Markus Lanz deutlich: „Mit Fackeln vor Privatwohnungen von Politikern aufzumarschieren, das hat die SA erfunden.“
Ein anderes Mal, ebenfalls bei Lanz, ging es um die Ministerpräsidentenkonferenz, bei der während der Pandemie immer wieder versucht wurde, einen möglichst bundeseinheitlichen Kurs festzulegen. Häufig gelang dies nur bedingt. Als Kretschmann in der ZDF-Runde dann vorgeworfen wurde, er würde mit seiner Politik in Baden-Württemberg ausscheren, platzte ihm der Kragen: Es seien doch keine „Schurken am Werk“ und er ziehe mit der damaligen Kanzlerin Angela Merkel an einem Strang.
Die Grünen verzeichnen unter Winfried Kretschmann einen Abwärtstrend in Baden-Württemberg
Kretschmann kann feurige Monologe halten. Allerdings sind sie seltener geworden, was auch zu dem Vorwurf passt, der Ministerpräsident sei amtsmüde geworden. Fakt ist: Am 17. Mai wird Kretschmann 75 Jahre alt. Außerdem ist ein Abwärtstrend der Grünen im Ländle nicht von der Hand zu weisen: Mit 32,6 Prozent lag die Partei bei der Landtagswahl 2021 noch deutlich vor der CDU (24,1 Prozent). Inzwischen ist die CDU (28 Prozent) laut Prognosen an den Grünen (27 Prozent) vorbeigezogen.
Knallharte Gründe, weshalb sich Fragen nach der Kretschmann-Nachfolge aufdrängen. Erstens: Wer kommt infrage? Zweitens: Wann wird der Wechsel an der baden-württembergischen Landesspitze vollzogen?
Ein Name, der als möglicher Nachfolger auf der Hand liegt, ist der Bad Uracher Cem Özdemir. Der aktuelle Bundeslandwirtschaftsminister pflegt zum einen regelmäßig seine Beziehung zu seiner schwäbischen Heimat, zum anderen würde er, als konservativer Grüner, den eingeschlagenen Kretschmann-Weg fortsetzen.
Cem Özdemir: „Winfried meistert die Transformation wie ein Jungspund“
Dazu passt, wie er bei der diesjährigen Grünen Aschermittwochsveranstaltung auftrat, worüber die FAZ berichtete. Dort sagte Özdemir: „Es geht in der Politik nicht um die reine Lehre und auch nicht um die absolute Wahrheit. Gott sei Dank. Es geht um gute Kompromisse.“ Außerdem lobte er den Ministerpräsidenten in höchsten Tönen: „Winfried meistert die Transformation wie ein Jungspund.“
Druck übt Özdemir also keinesfalls auf Kretschmann aus. Generell macht es den Eindruck, als würden sich die Grünen fast schon bockig die Ohren zu halten, wenn sie auf die Zukunft an der baden-württembergischen Spitze angesprochen werden. „Wir als Partei reden nicht darüber, wir wollen darüber auch nicht öffentlich diskutieren“, wird die Grüne Landesvorsitzende Lena Schwellig in der FAZ zitiert.

Özdemir hat wohl auch linken Support bei den Grünen
Die Zeitung schreibt außerdem, dass sich Özdemir auch fern der Konservativen wohl keine Sorgen um innerparteilichen Support machen müsste. „Wenn Cem sagt, er will, dann wird er auch die Unterstützung der Parteilinken haben. Ganz klar, er ist das Zugpferd. Wir sind ja nicht blöd: Eine CDU-geführte Regierung setzt bestimmt nicht mehr grüne Politik durch“, sagte ein Repräsentant.
Möglich wäre, dass die Partei Özdemir als Nachfolger ausruft, dieser aber zunächst Bundesminister bleibt und parallel mit Kretschmann den Wahlkampf im Südwesten in Angriff nimmt. Eine weitere Option wäre, man würde Özdemir nach der Europa- und Kommunalwahl von Partei und Fraktion zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Manche würden sogar einen Wechsel in diesem Jahr bevorzugen.
Die Alternativen neben Özdemir sind übrigens rar. Dem Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz soll es an Format fehlen. Und Finanzminister Danyal Bayaz hat derweil vermutlich zu wenig Unterstützung in der Partei. Zudem ist er mit Özdemir gut befreundet, auf den es am Ende, in Sachen Kretschmanns Nachfolge, wahrscheinlich hinauslaufen wird.