Gefahr „Corona-Züge“? Scheuer lehnt neue Bahn-Regel des Geldes wegen ab - FDP warnt vor „Hygiene-Chaos“

Andreas Scheuer ist gegen eine Reservierungspflicht bei der Bahn - auch aus finanziellen Gründen. Ein FDP-Experte äußert Unverständnis: Die Gesundheit müsse an oberster Stelle stehen.
- Die Deutsche Bahn erlebte in der Corona-Krise schwere Zeiten: Wochenlang fuhren Züge fast leer durchs Land.
- Nun steigen die Fahrgastzahlen wieder - doch gerade das bereitet neue Sorgen.
- Gefordert wird eine Reservierungspflicht. Minister Andreas Scheuer (CSU) lehnt das auch aus finanziellen Erwägungen ab - und zieht scharfe Kritik auf sich und seine Partei.
Berlin - Die Deutsche Bahn bleibt in der Corona-Krise ein Problemkind: Nach dem Kompentenzstreit um Masken-Kontrollen rückt nun eine mögliche Reservierungspflicht in den Fokus. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat entsprechende Forderungen am Dienstag (25. August) abgelehnt. Sowohl diese Tatsache, als auch Scheuers Begründung stößt bei der Opposition allerdings auf starkes Unverständnis.
Scheuer und Söders CSU in der Kritik: „Die Gesundheit der Menschen steht klar über diesen Fragen“
Scheuer erklärte, eine Reservierungspflicht bedeute weniger Flexibilität. Es drohe zudem die Gefahr, dass Fahrpreise steigen könnten und Defizite bei Verkehrsunternehmen ausgeglichen werden müssten, da die Kapazitäten sinken. Weil die
Auslastung der Deutschen Bahn in der Corona-Krise gesunken ist und dies für Löcher in der Bilanz sorgte, hat der Bund bereits Milliardenhilfen zugesagt.
Heftigen Gegenwind bekam Scheuer vom Verkehrs-Experten der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Jung. „Die Bahn hat schon jetzt ein Milliarden-Defizit – die Gesundheit der Menschen steht für mich klar über diesen Fragen“, sagte er der Ippen-Digital-Zentralredaktion. „Was nicht passieren darf, ist, dass man solche Argumente heranzieht und am Ende haben wir Corona-Züge – da reicht ja im schlimmsten Fall eine infizierte Person.“ Die Bahn dürfe zusätzlich zum Finanz-Chaos nicht auch noch ein „Hygiene-Chaos“ bekommen.
Jung nahm auch explizit die CSU und Parteichef Markus Söder ins Visier. „Wenn man sieht, dass uns Herr Söder jeden Tag darüber belehrt, auf was wir in anderen Bundesländern als Bayern alles zu achten haben, dann kann man schon erwarten, dass die CSU und ihr Verkehrsminister dafür sorgen, dass die Deutsche Bahn dieses Problem löst.“
Bahn in der Corona-Krise: FDP-Politiker fordert Pandemie-Regeln - „Ist mir völlig unbegreiflich ...“
Jung äußerte Unverständnis für die Tatsache, dass es auch knapp ein halbes Jahr nach Start der Pandemie noch immer keine Reservierungspflicht bei der Deutschen Bahn gibt. „Es gab mehr als genug Zeit, sich auf Corona verkehrspolitisch und digital durch intelligente Lösungen einzustellen“, erklärte er . „Deshalb ist mir völlig unbegreiflich, dass man in dieser Lage mit seiner Fahrkarte nicht gleichzeitig auch eine Sitzplatzreservierung bekommt.“
Der FDP-Politiker berichtete von zahlreichen Zuschriften vor allem älterer Menschen, die aufgrund der Sorge vor überfüllten Zügen vor Bahnfahrten zurückschrecken. Schon vor Corona seien Züge auf einigen Strecken immer voll gewesen, teils seien Menschen „in der 1. Klasse, im Bistro und in der 2. Klasse gestanden oder auf dem Boden gesessen“. „Das ist etwa aus Brandschutzgründen schon ohne Pandemie sehr bedenklich – und das gilt es jetzt umso mehr zu vermeiden“, betonte Jung. Flexibilität könne dabei nicht das Problem sein: „Per App“ könnten auch Nutzer der BahnCard 100 problem- und kostenlos Reservierungen bekommen.
„Die Bahn weiß genau, dass es Kapazitätsprobleme gibt“, sagte Jung im Gespräch mit der Ippen-Digital-Zentralredaktion. Sinnvoll sei über eine Reservierungspflicht hinaus, nur jeden zweiten Platz zu besetzen und zusätzliche Wagen aus der Ersatzzugflotte der InterCitys bereitzustellen. Jung regte auch an, den Menschen an großen Umsteigebahnhöfen durch längere Haltezeiten zu ermöglichen, außerhalb des Zuges „in aller Ruhe“ zum Waggon mit ihrem Sitzplatz zu gelangen.
Corona: Auch Lokführer-Gewerkschaft fordert Reservierungspflicht - Pofalla erlebt keine überfüllten Züge
Eine Reservierungspflicht im Fernverkehr ist in der Corona-Krise immer wieder gefordert worden, etwa von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer - damit nötige Sitzabstände zwischen den Reisenden eingehalten werden können.
Allerdings sprach sich auch Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla gegen eine Reservierungspflicht aus. Pofalla sagte, er fahre viel mit der Bahn, könne aber nicht von überfüllten Zügen berichten. Die Abstandsregelungen könnten eingehalten werden. Eine Reservierungspflicht hätte Auswirkungen auf die Kapazitäten, betonte auch er. (fn mit Material von dpa)
Auch die Maskenpflicht sorgt in der Bahn immer wieder für Probleme. Zuletzt machte gar ein AfD-Politiker Negativschlagzeilen. Die Deutsche Bahn überrascht indessen mit einer Million ermäßigter Tickets. Diese sind jedoch nur für eine Gruppe erhältlich.