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Bundestag diskutiert Verbot der „Letzten Generation“

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Von: Max Müller

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Ein Aktivist der „Letzte Generation“ hält vor einem Luxusgeschäft ein Plakat. Zuvor hatte er die Fassade mit Farbe besprüht.
Ein Aktivist der „Letzte Generation“ hält vor einem Luxusgeschäft ein Plakat. Zuvor hatte er die Fassade mit Farbe besprüht. © Paul Zinken/dpa

Den Bundestag beschäftigt am Mittwoch die Frage: Sollte man die „Letzte Generation“ verbieten? Aber geht das überhaupt? Ein Staatsrechtler findet sie dafür „nicht radikal genug“.

Köln – In der Vergangenheit war es oft die AfD, die Verbote kritisierte. Ob Tempolimit, AKW-Aus oder der umstrittene Partysong „Layla“ – mit dem Kampfbegriff „Verbotskultur“ wurde häufig darauf abgestellt, dass man ja bald gar nichts mehr dürfe. Nun wendet sich das Blatt. Die AfD will nämlich etwas verbieten: die „Letzte Generation“. Am Mittwoch diskutiert der Bundestag über diesen Antrag.

Die Aktionen der Klima-Aktivisten, die seit Monaten die Schlagzeilen bestimmten, spalten. Notwendiges Übel, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise aufmerksam zu machen, sagen die einen. Kriminelle Spinner, die anderen. Für letztere Gruppe liegt die Konsequenz eigentlich nahe: Verbot! Aber geht das überhaupt?

Verbot der „Letzten Generation“: Innenminister könnten eingreifen

Das würde theoretisch schon funktionieren, erklärt Friedhelm Hufen, Professor für Staatsrecht an der Universität Mainz. „Die ‚Letzte Generation‘ ist zwar kein eingetragener Verein. Dennoch greift die Verbotsnorm des Vereinsgesetzes. Es reicht, wenn eine Organisationsstruktur und ein gemeinsames Ziel vorliegt. Das ist bei der ‚Letzten Generation‘ zweifellos der Fall.“ Somit wäre Paragraf 3 des Vereinsgesetzes anwendbar, nachdem ein Verein als verboten behandelt werden kann, „wenn seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten.“ Das müsste dann durch einen Landesinnenminister oder die Bundesinnenministerin festgestellt werden.

Schwierig sei allerdings die Begründung. „Es ist nicht ersichtlich, dass die Zwecke und die Tätigkeit der ‚Letzten Generation‘ als solche strafbar sind, gegen die Grundsätze der Verfassung verstoßen oder die Verfassung außer Kraft setzen will“, so Hufen. Erklärtes Ziel der „Letzten Generation“ ist zwar ein „Gesellschaftsrat“, der Vorlagen für den Bundestag erarbeiten soll, wobei die Mitglieder durch Los bestimmt werden sollen. „Der ‚Gesellschaftsrat‘, aber das ist nur meine persönliche Meinung, ist keine gute Idee“, sagt Hufen. „Aber er wäre sicher innerhalb der Verfassung.“ Anders würde es aussehen, wenn die Klimaaktivisten das Ziel verfolgen würden, dass der Bundestag abgeschafft und an die Stelle eine Art Ökodiktatur treten sollte. „Dann wäre die verfassungsmäßige Ordnung in Gefahr – und ein Verbot sehr gut begründet“, sagt Hufen.

Verbot radikaler Gruppen: Kalif von Köln, Wiking-Jugend

Der Experte macht keinen Hehl aus seiner Antipathie für die „Letzte Generation“. Dennoch sagt Hufen: „Die Aktivisten wollen die verfassungsmäßige Ordnung bei aller Grundsatzkritik nicht abschaffen. Anders war es bei bekannten Anwendungsfällen in der Vergangenheit, wie beim Verbot des ‚Kalifats‘ von Metin Kaplan, dem selbst ernannten ‚Kalif von Köln‘, der eine Scharia-Diktatur errichten wollte. Oder die ‚Wiking-Jugend‘, eine neonazistische Kinder- und Jugendorganisation, die ein nationalsozialistisches Führerprinzip installieren wollte und schon Waffen besorgt hatte.“

Im Vergleich dazu sind die Ziele der „Letzten Generation“ vergleichsweise harmlos. „Sie sind nicht radikal genug für das Verbot als schärfstes Schwert des Rechtsstaates“, sagt Hufen – und macht dennoch klar: „Sich auf die Straße zu kleben, ist Nötigung. Da ist auch das Hilfsargument unzulässig, man wäre im Notstand. Das sind strafbare Handlungen. Dennoch reicht es nicht für ein Verbot, denn der Zweck der Vereinigung als solcher ist ja nicht, strafbare Handlungen zu begehen.“

Die AfD findet sich damit in einer absurden Situation wieder: Eigentlich muss die Partei darauf hoffen, dass sich die „Letzte Generation“ radikalisiert. „Dann müsste man tatsächlich neu nachdenken“, sagt Hufen. Allerdings gilt auch in diesem Fall, was jetzt bereits offensichtlich ist: Die Verbots-Debatte ist eher Gegenstand einer juristischen Hausarbeit. Denn in der Praxis würde es wenig verändern, wenn die Gruppe verboten wäre. „Die Aktionen würden ja nicht aufhören, wenn die ‚Letzte Generation‘ morgen verboten wird. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein Verbot nichts ändert. Die Rechtsextremisten sind nicht weg, seit die Wiking-Jugend verboten ist“, sagt Hufen.

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