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Heidi Klum als Mutter Teresa der Fashion-Branche? Lachhafte Inszenierung einer menschenverachtenden Show

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Von: Sina Alonso Garcia

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Germany‘s Next Topmodel
Eine neue Staffel „Germany‘s Next Topmodel“ hat begonnen. Und mit ihr eine Lobhudelei von Heidi Klum auf sich selbst. © dpa/ProSieben/Richard Hübner/privat (Fotomontage BW24)

In der Auftakt-Sendung zur 18. Staffel von „Germany‘s Next Topmodel“ drückt Heidi Klum auf die Tränendrüse. Ihr Versuch, sich gegen die Vorwürfe zu rechtfertigen, wirkt aufgesetzt und wenig überzeugend. Inzwischen wurde ihr Statement sogar aus der On-Demand-Folge gelöscht. Ein Kommentar.

Stuttgart - Sie laufen wieder. Oder, treffender: Sie humpeln wieder. Seit vergangenem Donnerstag kämpfen knapp 30 blutjunge Anwärterinnen um den Titel als „Germany‘s Next Topmodel 2023“. Viele von ihnen betreten erstmals die TV-Bühne. Doch bevor das große Staksen losgeht, werden die Zuschauer nochmal eben von Modelmama Heidi Klum über ein großes Missverständnis aufgeklärt. In einem ausführlichen Statement äußert sich die 49-Jährige zu der nicht abreißen wollenden Kritik an der Model-Show. Im Kern behauptet Klum: Anders, als viele der Sendung vorwerfen, sei hier „alles echt“ und keiner wolle den „Meeedchen“ etwas Böses. Niemand, der auch nur den Hauch einer Ahnung hat, wie Reality-Formate funktionieren, wird ihr diese Lüge abnehmen.

Während in der Erstausstrahlung von Folge 1 bei Pro7 noch ein ausführliches Statement von Klum zum Intro gehörte, sucht man dieses in der On-Demand-Version in der Mediathek vergeblich. Ernsthaft, Pro7? Ihr müht euch mit einer so ausschweifenden Erklärung ab, um sie dann umgehend aus der Folge herauszuschneiden? Als ob die Aussagen nicht schon unglaubwürdig genug waren, untermauert ihr mit diesem Schritt nur noch die These, dass man diese nicht für voll nehmen kann. Im Netz kursieren derweil Mitschnitte der Sendung, die die fragwürdigen Behauptungen Klums zeigen.

GNTM: Heidi Klum rechtfertigt sich gegen Vorwürfe

„Wir sind nun mal eine Reality-Sendung“, so Klum. „Und wir zeigen genau das, was passiert. Es gibt keinen Text und keine Storyline. Alles, was die Models tun und sagen, ist einzig und allein ihre eigene Entscheidung.“ Im Kern mag diese Aussage stimmen. Aber sie lässt außer Acht, dass jede in einer bestimmten Emotion getätigte Aussage der jungen Frauen völlig aus dem Kontext gerissen und an anderer Stelle eingebaut werden kann. Auch die Art, wie die Redakteure der Sendung ihre Fragen formulieren, kann die Teilnehmerinnen wahlweise als eingebildet, zickig oder charakterlich schwierig erscheinen lassen.

Wer wochenlang von seiner Familie abgeschnitten, dem Smartphone und damit dem Kontakt zur Außenwelt beraubt, mit wildfremden Menschen unter einem Dach lebt, neigt vermutlich eher dazu, psychisch mürbe zu werden und in Konflikte zu geraten. Die Behauptung, man wolle den Kandidatinnen nichts Böses, ist lachhaft. Zwar nahm das Mobbing an Ex-Kandidatin Lijana Kaggwa ein Ausmaß an, das der Sender womöglich nicht vorhergesehen hatte. Glaubt man der Teilnehmerin, habe die Show den Hass gegen sie aber munter befeuert, indem sie in vielen Szenen bewusst manipuliert und zu bestimmten Aussagen hingerissen worden sei.

Ein weiterer Strohhalm, an den sich Heidi Klum bei der Rechtfertigung ihrer menschenverachtenden Show GNTM gerne klammert: In Sachen Diversity ist sie in ihren Augen in der Branche ganz vorne mit dabei. „Wo Diversity bei anderen aufhört, machen wir bei Germany‘s Next Topmodel ein ganzes Stück weiter“, betont Klum. Melancholische Klaviermusik unterlegt ihre Aussage. Tatsächlich hat sie in dem Punkt recht, dass ihre Models nicht mehr alle nur Striche in der Landschaft sind, die ausnahmslos Size Zero am knochigen Leibe tragen. Doch der Grund, warum die Damen so verschieden sind, dürfte weniger am Wunsch nach Diversity, sondern an den Stereotypen liegen, mit denen Reality-Formate wie GNTM gerne arbeiten. Das beste Beispiel hierfür ist die 66-jährige Lieselotte aus Staffel 17, die trotz mangelnder Begabung als Mannequin von Folge zu Folge weitergeschleppt wurde. Der einzige Grund: Sie erfüllte perfekt das Klischee der witzigen, jung gebliebenen Rampensau, die es nochmal wissen will.

GNTM: Diversity nur ein Vorwand, um möglichst unterschiedliche Stereotype abzubilden?

Steile These: Es geht in Klums „More-Heidi“-Show nicht wirklich nur um Diversity. Es geht auch darum, dem Zuschauer etwas Neues zu zeigen. Ob in Form von Best Agers, Curvy oder Petite Models: Unterschiedliche Typen machen in einer Sendung, in der es um Unterhaltung geht, eigentlich nur Sinn. Wie Ex-Juror Joop kürzlich verriet, entscheide die Pro7-Redaktion zudem anhand der Quoten-Tauglichkeit der Kandidatinnen, wer bleibt und wer die Sendung verlässt.

Dass die selbst ernannte Modelmama nur das Beste für ihre Schützlinge will, scheint angesichts der zahlreichen Enthüllungen rund um die Mechanismen der Show wenig wahrscheinlich. In erster Linie dürfte es Klum um die Vermarktung gehen. Für alle jungen Frauen, die aufgrund jugendlicher Naivität auf die Manipulationen der Show hereingefallen sind, klingt Heidis Selbstinszenierung als Mutter Teresa der Fashion-Branche wohl wie blanker Hohn. Auch Lijana Kaggwa, die wegen der Darstellung ihrer Person in der Sendung und den Folgen zeitweise von Suizidgedanken geplagt wurde, will das scheinheilige Statement nicht so stehen lassen: „Ich bin geschockt. Heidi hat einfach auf JEDEN Punkt meines Enthüllungsvideos vom vergangenen Jahr geantwortet“, sagt sie in einem Video auf Social Media. „Aber keine Sorge: Die Antwort wird nicht lange auf sich warten lassen.“

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