ZF Friedrichshafen sucht kreative Köpfe - „Autos von morgen werden Softwarefahrzeuge sein“

Die Halbleiterkrise trifft sowohl Autobauer als auch Zulieferer. ZF Friedrichshafen hat einen eigenen Weg gefunden, mit der misslichen Lage umzugehen.
Friedrichshafen - Die Wartezeiten werden immer länger, die Situation prekärer - die Halbleiterkrise sorgt in der gesamten Automobilindustrie für Probleme und Verzögerungen. Die Daimler AG etwa kann aufgrund fehlender Bauteile unzählige Mercedes-Benz-Trucks nicht ausliefern. Produktionsstopps und Kurzarbeit war an vielen Standorten die Folge.
Das Coronavirus in Baden-Württemberg hat auch großen Einfluss auf die Wirtschaft im Land; die Sparten Entwicklung und Forschung leiden darunter. Da ist Einfallsreichtum gefragt. Genau damit stellt sich der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen der Krise entgegen. Denn der Mangel an Halbleitern sorgt auch im schwäbischen Unternehmen für Herausforderungen.
E-Auto-Boom: ZF Friedrichshafen hat „Wandel frühzeitig begonnen“
Die Entwickler bei ZF Friedrichshafen waren wie viele Angestellte in anderen Unternehmen zeitweise in Kurzarbeit. Nur die Projekte rund um Software und Digitalisierung wurden nicht zurückgefahren, um darin weiterhin führend zu bleiben. Auch wenn die Corona-Pandemie die Autoindustrie hart trifft, hat sie nicht nur Nachteile, wie Dirk Walliser, Entwicklungschef bei ZF Friedrichshafen, gegenüber den Stuttgarter Nachrichten berichtete.
Da die Entwickler auch vor der Pandemie schon international vernetzt an Computern arbeiteten, habe sich an der Arbeitsweise nichts geändert. Durch die Fortschritte der Digitalisierung sei man bereits flexibler geworden. „Die Hälfte unserer Entwickler kommt nicht aus Europa. Unsere Teams tauschen sich virtuell dank der verfügbaren Technologien häufiger und effizienter aus als früher“, so der ZF-Entwicklungschef.
Der E-Auto-Boom in Baden-Württemberg kam dem Unternehmen in der Krise zugute. „Es steht bei ZF schon lange fest, dass die CO₂-neutrale Mobilität ein Muss ist. Wir haben den Wandel frühzeitig begonnen“, so Dirk Walliser. Ein Problem sieht er jedoch in der schlechten Ladeinfrastruktur in Deutschland. Es gebe viel zu wenige Ladepunkte im Land. Durch die steigenden Strompreise droht E-Auto-Fahrern zudem eine Kostenfalle.
ZF Friedrichshafen: Trotz Halbleiterkrise konnten einige Lieferketten aufrechterhalten werden
Umso wichtiger ist daher auch die Reichweite von E-Autos. Die Firma Bosch entwickelte jüngst revolutionäre Chips für E-Autos, welche die Reichweite massiv steigern sollen. Mit der Steigerung der Reichweite einer Batterieladung beschäftigt sich momentan auch ZF Friedrichshafen. „Da sehen wir noch großes Potenzial im gesamten Antriebsstrang, von der Batterie über den E-Motor bis zur Leistungselektronik“, sagt Dirk Walliser. Vor allem in der Softwareentwicklung ist das Unternehmen aktuell auf der Suche nach neuen kreativen Köpfen. „Die Autos von morgen werden Softwarefahrzeuge sein. 60 Prozent der Wertschöpfung wird auf Software entfallen“, ist sich der Manager sicher.

Kreativ und flexibel ging der Automobilzulieferer aus Baden-Württemberg auch mit den Lieferengpässen um. Zwar beeinträchtige der Mangel an Prozessoren die Entwicklung, doch es gebe andere Möglichkeiten. „So können wir alternative Prozessoren verwenden, wenn sie verfügbar sind und exakt die geforderten Maße haben“, erklärt Dirk Walliser. Meist seien dies Prozessoren mit etwas kleinerer Speicherkapazität und weniger Rechenleistung. „Wenn der Kunde die Zahl der gewünschten Softwarepakete reduziert, kann er mit der schlankeren Alternative bedient werden.“
Mit diesem Konzept konnte das Unternehmen einige Lieferketten aufrechterhalten. „Es fordert allerdings die Entwickler heraus, weil sie umentwickeln müssen. Darüber müssen wir natürlich mit unseren Kunden reden. Wir überlegen gemeinsam, ob wirklich alle Softwarepakete gebraucht werden.“