„Typisch deutsch“: Gemeinderat erlaubt Straße über Schulhof

Über den Schulhof des Gymnasiums Schönau führt eine Straße. Über das Problem wird schon seit Jahren diskutiert, nun entschied der Gemeinderat: Die Autos dürfen weiter dort fahren, dafür wird der Pausenbereich für die Schüler eingezäunt.
Schönau/Lörrach - In Deutschland ist man, was manche Themen angeht, extrem pingelig. Auf einige Tugenden sowie Rechte und Regeln wird viel Wert gelegt. Manchmal wünscht man sich jedoch, dass man hierzulande nicht so engstirnig ist – wie zum Beispiel, als die Band Sportfreunde Stiller in Freiburg spielte, die Stadt das Konzert aber wegen der gestörten Ruhepause beendete.
Neben einigen Charakterzügen ist den Deutschen aber noch etwas anderes heilig: das Auto. Das könnte damit zusammenliegen, dass die Automobilindustrie hier mit Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz stark vertreten ist. Häufig beschweren sich einige Bürger darüber, dass Autos in Deutschland immer Vorrang haben und viele politische Entscheidungen zugunsten der Fortbewegungsmittel ausfallen. Ein Beispiel dafür scheint ein Fall an einem Gymnasium in Schönau im Kreis Lörrach in Baden-Württemberg zu sein.
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Gemeinderat erlaubt Straße über Schulhof – Schüler müssen hinter Absperrung Pause machen
Es klingt absurd, ist aber wahr: Mitten über den Pausenhof des Schönauer Gymnasiums führt eine Straße. Als vor 20 Jahren die Schule, die einst auch der ehemalige Bundestrainer Jogi Löw besuchte, neu gebaut wurde, stellte man fest, dass der Schulhof auf den gegenüberliegenden Rathausplatz ausgedehnt werden muss. Doch zwischen den beiden Bereichen verläuft eine Straße, auf der Autos in Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen.
Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob die Verkehrsführung geändert werden sollte. Der Gemeinderat der Stadt hat nun kürzlich beschlossen, dass die Autos auch weiterhin über den Schulhof fahren dürfen, wie der SWR berichtet. Für die Kinder, die Eltern und den Rektor eine unverständliche Entscheidung. Passiert sei zwar bisher noch nichts, aber es sei schon zu Beinaheunfällen gekommen, erklärte Schulleiter Jörg Rudolf.
Als Lösung für das Problem ordnete die Behörde nun eine Absperrung an, die den Pausenhof einzäunt und somit auch die Fläche für die rund 460 Schüler einschränkt. „Ästhetisch würde ich das einfach mal Augenkrebs nennen“, sagte Rudolf dem SWR. Die Kinder und Eltern protestieren gegen die Maßnahme und setzen sich für eine temporäre Sperrung der Straße von 7 bis 14 Uhr ein. Am 13. März ist eine Demonstration geplant und auch ein Bürgerbegehren wurde bereits vorbereitet.
„Eine Katastrophe ist das für die Kinder“: Im Netz reagiert man fassungslos auf Beschluss des Gemeinderats
Nicht nur bei den Betroffenen des Schönauer Gymnasiums löst der Beschluss des Gemeinderats Fassungslosigkeit aus, sondern auch bei den Usern im Netz. „Zeigt mal wieder den Stellenwert von Schüler in unserer Gesellschaft. Einfach nur traurig!“, schreibt ein Instagram-Nutzer. „Eine Katastrophe ist das, für die Kinder“, kommentiert ein weiterer. Es sei „typisch deutsch“, dass Autos mal wieder den Vorrang hätten, ärgert sich ein User.
„Da stehen doch jetzt mehr als genug Absperrungen ... Warum nehmen die Schüler sich diese nicht einfach und sperren damit die Straße“, scherzt ein anderer. Einige Nutzer schlagen vor, das Problem mit einem Poller oder einer Schranke zu lösen und so einen Kompromiss zu finden. „Sollte doch kein Problem sein“, schreibt einer.