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Stadt in Baden-Württemberg kündigt Mietern, um Flüchtlinge einzuquartieren 

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Von: Sina Alonso Garcia

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Stadt Lörrach/Schreiben an Flüchtlinge
Die Stadt und die Wohnbaugesellschaft Lörrach halten an ihrem Plan, 40 Mieter auszuquartieren, fest. In sozialen Netzwerken wurde ein entsprechendes Schreiben geteilt. © dpa/Philipp von Ditfurth/Twitter (Fotomontage BW24)

In Lörrach sollen rund 40 Mieter aus einem Wohnkomplex ausziehen, um Platz für Geflüchtete zu schaffen. Die Ankündigung sorgt bundesweit für Diskussionen.

Lörrach - Die steigende Zahl von ukrainischen Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern führt in den Kommunen derzeit zu großen Herausforderungen. Besonders die Schaffung von Wohnraum für die Flüchtlinge gestaltet sich nicht immer einfach. In Lörrach wurde nun eine Entscheidung gefällt, die für Diskussionen sorgt. In einem Gebäude in der Wölblinstraße, in dem aktuell etwa 40 Mieter leben, soll Platz für rund 100 geflüchtete Personen gemacht werden. Laut Angaben der Stadt Lörrach handelt es sich bei dem Objekt um einen Wohnbau der 1950er-Jahre, der ohnehin „am Ende seines Lebenszyklus“ stehe und dessen Abbruch und Ersatzneubau für die nächsten Jahre vorgesehen war. Wie die Stadt betont, sollen den Mietern zeitnah moderne und bezahlbare Wohnangebote unterbreitet werden.

In den sozialen Medien sorgte das Schreiben der Wohnbaugesellschaft zur Kündigung der Mietverhältnisse für Gesprächsstoff. Viele Betroffene äußern ihren Unmut. Auch Bundes- und Landespolitiker meldeten sich zu Wort. Eine Bewohnerversammlung, die eigentlich in den kommenden Tagen angesetzt war, wurde wegen der angespannten Situation verschoben. „Die Stimmung ist zu aufgeheizt“, sagt Thomas Nostadt, Geschäftsführer der Wohnbau Lörrach, laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Lörrach: Sanierung der Wohnungen für Geflüchtete soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein

Wie aus dem Schreiben der Wohnbau Lörrach hervorgeht, soll die gesamte Anlage bereits bis zum Jahresende als Flüchtlingsheim genutzt werden. Die betroffenen Mieter zeigten sich gegenüber dem SWR zum Teil bestürzt. „Im ersten Moment wird dir der Boden unter den Füßen weggerissen“, sagt ein Bewohner. Seine Bedenken: Während die Wohnungen im Haus nach und nach saniert werden und die Nachbarn schrittweise ausziehen, könne es sein, dass er am Ende „sozusagen in einem ukrainischen Flüchtlingsheim“ lebe. Unmittelbar nachdem einzelne Wohnungen saniert wurden, sollen dort Geflüchtete einziehen. Eine weitere Mieterin sieht die Angelegenheit entspannter. Wie sie mitteilt, habe sie Verständnis für den Schritt. „Wir bekommen ja andere Wohnungen.“

„Wir sind uns der Verantwortung unseren Kunden gegenüber bewusst und werden für jeden Einzelnen eine individuelle und gute Lösung finden“, betont Nostadt. „Auch der Umzug wird von Seiten der Wohnbau Lörrach logistisch und finanziell unterstützt.“ Die Kooperationsbereitschaft aufseiten der Wohnbaugesellschaft freut auch Oberbürgermeister Jörg Lutz. „Die Wohnungen helfen uns sehr, die ankommenden Menschen in der Stadt mit Wohnraum zu versorgen und somit unserer städtischen Aufgabe nachzukommen“, sagt er. „Wir werden weitere Projekte umsetzen, um alle zu erwartenden Menschen versorgen zu können.“

Stadt Lörrach und Wohnbaugesellschaft wollen an Vorhaben festhalten

Trotz der aufgeheizten Stimmung wollen OB Lutz und Wohnbau-Geschäftsführer Nostadt an ihrem Vorhaben festhalten. „Wir haben das mehrfach so gemacht“, sagt der Chef des Rathauses. „Es waren alle zufrieden. Die Gesellschaft ist eine andere geworden.“ Lutz und Nostadt beklagen, dass Mitarbeiter beschimpft und bedroht worden seien. Nostadt spricht von „hunderten Hassmails“.

Nach der Stellungnahme der Stadt Lörrach meldete sich auch eine Sprecherin des Städtetags Baden-Württemberg zu Wort. Wie sie gegenüber der dpa erklärte, sei es gängige Praxis, nicht mehr sanierungsfähige Gebäude abzubrechen. „In solchen Fällen müssen die Mieter mit einer Kündigung rechnen.“ Falls die Mieter dann individuell passende Alternativen bekämen, sei das ein gutes Signal. „Dass der dadurch frei werdende, aber nur vorübergehend nutzbare Wohnraum zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt wird, ist zurzeit unumgänglich. Das zeigt, wie erschöpft die Unterbringungskapazitäten der Städte sind“, so die Sprecherin.

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