SPD und Grüne Jugend wollen Stopp für bestimmte Abschiebungen

Künftig soll einigen Ausländern eine langfristige Bleibeperspektive eröffnet werden. Das Gesetz gilt noch nicht - doch Südwest-SPD und Grüne Jugend wollen, dass schon jetzt niemand aus dieser Gruppe mehr abgeschoben wird. Und es gibt noch schärfere Kritik.
Donaueschingen/Stuttgart (dpa/lsw) - SPD und Grüne Jugend haben die grün-schwarze Landesregierung für deren Asyl- und Migrationspolitik hart kritisiert. So forderte die Südwest-SPD einen sofortigen Abschiebestopp für Menschen, die voraussichtlich nach den neuen Regeln des Bundes eine Bleibeperspektive in Deutschland haben. «Obwohl klar ist, dass die Neuregelung kommen wird, werden nach wie vor regelmäßig Menschen abgeschoben, die voraussichtlich unter dieses Gesetz fallen werden», kritisierte die SPD die grün-schwarze Landesregierung. Die Grüne Jugend stellte der eigenen Mutterpartei derweil ein katastrophales Zeugnis für deren Asylpolitik vor.
Der Vorstoß der SPD bezieht sich auf das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht, das das Bundeskabinett im Juli beschlossen hatte. Es soll für Menschen gelten, die zum Stichtag 1. Januar 2022 seit mindestens fünf Jahren in Deutschland gelebt haben und sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen. Ausländern, die seit Jahren ohne gesicherten Aufenthaltstitel in Deutschland leben, soll so eine langfristige Bleibeperspektive eröffnet werden.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte: «Es ist unglaublich, dass in Baden-Württemberg heute noch Menschen abgeschoben werden, die seit Jahren hier leben, integriert sind und in Berufen arbeiten, für die wir händeringend Fachkräfte suchen.» Die Landesregierung agiere hier weder humanitär noch wirtschaftsfreundlich.
Grüne werden bei Landesparteitag mit Kritik konfrontiert
Auch bei ihrem eigenen Landesparteitag mussten die Grünen am Wochenende heftige Kritik einstecken für ihre Asylpolitik - von der eigenen Jugendorganisation. «Die katastrophale Asylpolitik der Landesregierung zerstört nicht nur Existenzen, sie schwächt auch den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft», sagte Aya Krkoutli, Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, am Samstag in Donaueschingen. Die Abschiebepraxis im Südwesten sei nicht akzeptabel. Allein im vergangenen Jahr seien 1300 Menschen abgeschoben worden. Besonders dramatisch sei die Situation in der Abschiebehafteinrichtung Pforzheim. Gefangene hätten von gewaltsamen Übergriffen und Beleidigungen durch das Vollzugspersonal sowie den Entzug von dringend benötigten Medikamenten berichtet.
Krkoutli sieht die Schuld aber nicht nur beim Koalitionspartner: «Das Problem liegt nicht nur bei der CDU. Wir haben die Nase voll, dass sich die Landesregierung hinter einzelnen Ministerien versteckt, oder hinter der abscheulichen Abteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe.» Letzteres organisiert die Abschiebungen, für die Asylpolitik ist das CDU-geführte Migrationsministerium zuständig. An Ministerpräsident Winfried Kretschmann gerichtet, sagte Krkoutli: «Wir erwarten von dir, lieber Winfried, eine klare Haltung für alle, die hier ein Leben aufgebaut haben, und wir erwarten eine klare Ansage an den Koalitionspartner.»
Junge Union kritisiert die Haltung der Grünen Jugend
Die Junge Union im Südwesten kritisierte die Haltung der Grünen Jugend. «Wer, wie die Grüne Jugend, die rechtsstaatlichen Entscheidungen unserer Behörden und Gerichte als „abscheulich“ bezeichnet, hat offensichtlich ein gestörtes Verhältnis zu unserem Rechtsstaat», teilte Florian Hummel, Landeschef der CDU-Jugend, mit.
Wie die SPD forderte auch Krkoutli, die Zeit bis zum neuen Chancen-Aufenthaltsgesetz zu überbrücken. «In dieser Zeit könnten wir in Baden-Württemberg eine Vorgriffsregelung einführen, um das Bleiberecht geduldeter Menschen zu garantieren. So wie es auch Berlin, NRW und Niedersachsen das gemacht haben.»
Bevor das geänderte Aufenthaltsrecht in Kraft treten kann, muss noch der Bundestag zustimmen. Pro Asyl hatte die Behörden der Länder aber bereits dazu aufgefordert, jetzt schon niemanden mehr abzuschieben, der nach der Neuregelung eine Aufenthaltserlaubnis beantragen könnte. Nach Angaben von Pro Asyl gilt das Chancen-Aufenthaltsrecht voraussichtlich etwa ab Dezember dieses Jahres.