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Trumpf-Chefin: „Work-Life-Balance finde ich fürchterlich“

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Von: Julian Baumann

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Die Vor- und Nachteile einer 4-Tage-Woche werden derzeit hitzig diskutiert. Die Chefin des schwäbischen Maschinenbauers Trumpf hält von der Maßnahme wenig.

Stuttgart/Ditzingen - Fleiß ist ein Attribut, das oftmals klischeehaft mit den Schwaben assoziiert wird, aktuell findet allerdings auch in der Wirtschaft in Baden-Württemberg eine Art Umdenken statt. Durch die Corona-Pandemie haben viele Unternehmen notgedrungen festgestellt, dass das Arbeiten von zu Hause aus die Mitarbeiter durchaus motivieren kann. „Die Pandemie sorgt für eine Vermenschlichung der Arbeitswelt“, hatte SAP-Personalchef Cawa Younosi erklärt. Aktuell werden die 4-Tage-Woche, die unter anderem von der Arbeitnehmergewerkschaft IG Metall gefordert wird, und weitere Maßnahmen für die Verbesserung der Work-Life-Balance diskutiert, um die moderne Arbeitswelt zu gestalten. Davon sind allerdings nicht alle Unternehmen überzeugt.

Die 4-Tage-Woche wird in Baden-Württemberg bereits umgesetzt. Ein Unternehmen aus dem Kreis Karlsruhe stellte auf die 4-Tage-Woche um, bei gleichbleibendem Gehalt und eine Managerin der Porsche-Tochter MHP testet aktuell sogar eine 3-Tage-Woche, allerdings auch bei angepasstem Lohn. Nicola Leibinger-Kammüller, Chefin des Ditzinger Maschinenbaukonzerns Trumpf, hält von einer solchen Maßnahme aber eher weniger. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (faz) sagte die Vorstandsvorsitzende des schwäbischen Familienunternehmens, das in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen feiert, dass der Wohlstand in Deutschland durch solche Maßnahmen nicht zu halten sei.

Trumpf-Chefin sieht weniger arbeiten bei gleichzeitig hohem Lebensstandard kritisch

Eine Arbeitszeitreduzierung bei gleichbleibendem Lohn klingt für Arbeitnehmer natürlich nach einer optimalen Lösung. Für große Unternehmen ist eine solche Maßnahme, selbst wenn der Lohn auch entsprechend gekürzt wird, aber meist schwierig umzusetzen. Zudem mahnen hochrangige Manager der deutschen Wirtschaft davor, dass die umfassende Einführung einer 4-Tage-Woche den Fachkräftemangel noch verschärfen werde. Mercedes-Chef Ola Källenius sprach sich deshalb gegen die Maßnahme aus und erklärte, man müsse „die Ärmel hochkrempeln“. Auch Nicola Leibinger-Kammüller sieht weniger Arbeit nicht als zielführend. „Ich sehe die Vier-Tage-Woche mit großer Sorge“, sagte sie der faz.

Trumpf-Gruppe

Die Trumpf-Gruppe ist ein führender Hersteller von Werkzeugmaschinen, Lasertechnologie und Elektronik mit Hauptsitz in Ditzingen, Kreis Ludwigsburg, Baden-Württemberg. Das Unternehmen wurde im Jahr 1923 gegründet und beschäftigt heute über 16.500 Mitarbeiter weltweit, davon über 8.400 allein in Deutschland. Die Trumpf-Gruppe ist in mehr als 70 Ländern tätig und erzielte im Geschäftsjahr 2022 einen Umsatz von 4,2 Milliarden Euro.

Zu den Geschäftsfeldern gehören die Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von CNC-Maschinen, Lasersystemen, Elektronikkomponenten und Werkzeugen; die Trumpf-Gruppe gehört zu den größten Anbietern von Werkzeugmaschinen weltweit. Die Leitung des Familienunternehmens haben Nicola Leibinger-Kammüller (Vorsitzende des Vorstands) und ihr Bruder Peter Leibinger (stellvertretender Vorsitzender des Vorstands) inne.

Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung von Trumpf, spricht zu den Mitarbeitern des Maschinenbauunternehmens Trumpf Sachsen GmbH.
Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller verfolgt die Debatte um die Einführung einer 4-Tage-Woche mit Sorge. © Monika Skolimowska/dpa

Die Arbeitnehmer in Deutschland sollten immer weniger arbeiten und gleichzeitig einen hohen Lebensstandard erbringen, obwohl die Bundesrepublik bereits die kürzesten Arbeitszeiten, viele Feiertage und die längsten Ferien habe. „So ist unser Wohlstand nicht zu halten“, sagte die Trumpf-Chefin. „Unglückseligerweise gibt es nämlich Länder, in denen viel mehr gearbeitet wird, die hungrig sind und die ihr Wirtschaftswunder noch erleben wollen.“ Bei Trumpf selbst – das Unternehmen mit Hauptsitz in Ditzingen nahe Stuttgart beschäftigt weltweit über 16.500 Mitarbeiter – würden viele das Unternehmen aber als „Gesamtkunstwerk“ über den Lohnerwerb hinaus sehen.

Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller: „Den Begriff der Work-Life-Balance finde ich fürchterlich“

Im Zuge der 4-Tage-Woche und ähnlichen Überlegungen ist oftmals von einer Work-Life-Balance die Rede, da die Mitarbeiter durch die Maßnahme mehr Zeit für Freizeit und Familienleben haben sollen. Die Trumpf-Chefin erklärte, dass sie zwar große Bewunderung für Ehepaare oder Alleinerziehende habe, die Arbeit und Familie unter einen Hut bringen müssten. „Aber den Begriff der Work-Life-Balance finde ich fürchterlich“, sagte sie. „Das klingt wie: Der Fron der Arbeit für das Geld, danach fängt das Leben an. Den Großteil des Lebens verbringt man aber bei der Arbeit.“ Deshalb müsse man sie so gestalten, dass man möglichst viel Freude daran habe.

Dass sich Arbeit und Familienleben durchaus unter einen Hut bringen lassen, zeigen unter anderem auch die Top 10 der familienfreundlichsten deutschen Unternehmen, die allerdings allesamt im IT- beziehungsweise Consulting-Bereich zu finden sind. Für Industrieunternehmen sind Maßnahmen wie die 4-Tage-Woche wie bereits erwähnt schwieriger umsetzen, viele Firmen bemühen sich aber, den Mitarbeitern bei der Gestaltung der Arbeitszeit eine gewisse Flexibilität zu gewähren. Bei Mercedes-Benz können Mitarbeiter beispielsweise dauerhaft mobil arbeiten, wenn es ihre Arbeit zulässt – auch im Ausland.

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