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„Jeder darf mich doof finden“: Lachyoga-Trainerin lächelt nur noch über Hasskommentare

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Von: Yasina Hipp

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Carmen Goglin ist mittlerweile eine wahre Netz-Berühmtheit. Warum das Gorilla-Lachen ihre liebste Übung ist und ob sie damit Geld verdient, erzählt sie im Gespräch.

Reutlingen – „Hab’s probiert, sitze jetzt in der Psychiatrie“, ist nur einer der unzähligen Kommentare unter dem TikTok-Video mit dem Titel „Wir rauchen jetzt eine Lach-Zigarette“. Darin zu sehen: eine blonde Frau, Mitte 50, in einem pinken Oberteil, die an einer imaginären Zigarette zieht und beim „auspusten“ des ebenso imaginären Rauchs herzhaft lacht.

Klingt absurd? Ohne den Hintergrund zu kennen, ist es das auch. Hinter den kurzen Videos, die auf den Social-Media-Plattformen TikTok, Instagram und YouTube millionenfach geklickt und kommentiert werden, stecken aber ernste Absichten. Absichten einer Frau, die jedem helfen will, schlechte Gefühle mit einfachen Mitteln in Positives zu wandeln.

Lachyoga hilft der mentalen Gesundheit: Carmen Goglin erkrankte selbst an Depressionen

Die 58-jährige Carmen Goglin stammt ursprünglich aus Ostdeutschland, heute lebt sie mit ihrer Familie im baden-württembergischen Reutlingen. Dort betreibt sie seit 2013 ihre Lachschule. Hauptberuflich hilft sie Firmen bei der Personalarbeit. Zum Lachyoga hat sie gefunden, weil sie an Depressionen erkrankte. Sie habe sich antriebslos, gefühlsmäßig erstarrt und energielos gefühlt – nach drei Jahren Psychotherapie entschied sie sich zusätzlich die Lachyoga-Lehrerausbildung zu absolvieren. Seitdem bereichert sie das Netz mit ihren Lachübungen und bietet Kurse an. „Heute bin ich sehr dankbar dafür, dass ich mich durch die Depressionen mehr mit mir selbst beschäftigt habe und Dinge ablegen konnte, die mir nicht gutgetan haben“, erzählt Goglin im Gespräch mit unserer Redaktion.

Ich lache, glaube ich, mehr als andere.

Lachyoga-Trainerin Carmen Goglin

Beim Lachyoga geht es hauptsächlich darum, sich selbst in eine positive Stimmung zu versetzen, so Goglin: „Das Gehirn kann nämlich nicht zwischen künstlichem und echtem Lachen unterscheiden.“ Darauf zielen auch die Lachyoga-Methoden und Carmen Goglins Videos ab. Sie selbst hat das Prozedere schon sehr verinnerlicht: „Ich lache, glaube ich, mehr als andere. Mir fällt es einfacher als anderen, über mich und Dinge, die bei mir schiefgehen, zu lachen.“

Mit der„Lachzigarette“ aus vollem Herzen lachen.
In einem ihrer erfolgreichsten Videos erklärt sie, wie man mithilfe einer „Lachzigarette“ aus vollem Herzen lachen kann. © Screenshot @carmengoglin/TikTok

Mit dem Gorilla-Lachen kann man „sich selbst zum Affen machen“

Dabei sei es genau das, worauf es ankomme. „Man muss auch mal zulassen, dass man sich selbst unperfekt zeigt“, fordert die 58-Jährige. Und das funktioniert hervorragend mit ihren Videos. Neben der Lachzigarette gibt es beispielsweise auch die Lachkurbel, das Scheibenwischer- oder Fenster-Putz-Lachen und – Goglins liebste Übung – das Gorilla-Lachen: „Die Übung finde ich toll, weil sie die Botschaft mit sich bringt: ,Ich erlaube mir in dem Moment mich zum Affen zu machen‘“. Dabei klopft man sich wie ein Affe mit den Fäusten auf die Brust und lacht währenddessen.

Laut und offen zu lachen, dürfte vielen Menschen schwerfallen, man schämt sich. Das laute Lachen gilt als nicht gesellschaftstauglich, und wird Goglin zufolge von Eltern, Erziehern und Lehrkräften im Laufe des Erwachsenwerdens abgewöhnt. Das spiegelt sich auch in den Kommentaren unter Goglins Videos wider: Viele User machen sich darüber lustig, erklären sie für verrückt oder Schlimmeres.

„Jeder darf mich doof finden und das ist ja auch legitim“

Früher habe sie noch viel Energie in Kommentare wie „Lösch dich“ oder „Würde mir wünschen, du würdest nicht leben”gesteckt. Sie löschte die Kommentare, blockierte die Nutzer. Heute weiß sie, dass sie damit nur gegen etwas kämpft, was sie „eh nicht stoppen kann“. Goglins Erkenntnis können sich auch Menschen außerhalb von Social Media zu eigen machen: „Jeder darf mich doof finden und das ist ja auch legitim. Und so ist es im normalen Leben ja auch. Nie werden einen alle Menschen gut finden und das ist okay. Das zu akzeptieren, bringt ein Stück Freiheit.“

Carmen Goglin hat auf YouTube 29.000 Abonnenten, auf Instagram folgen ihr 125.000 Menschen, auf TikTok sind es 36.000 (Stand: 24. Mai). Das meistgeklickte TikTok-Video von ihr hat ganze 5,5 Millionen Aufrufe. Jedoch gefällt ihr auf TikTok der raue Umgangston nicht: „Ich habe lange gebraucht, um zu sehen, dass die Hater gar nicht unbedingt mich meinen, sondern sich selbst präsentieren wollen. Sie wollen sich mit furchtbaren Kommentaren gegenseitig überbieten.“

Lachyoga und seine Ursprünge

Beim Lachyoga werden Lachübungen mit tiefer Yoga-Atmung kombiniert, was diverse positive Auswirkungen, vor allem physischer Art, mit sich bringt. Nach zehn- bis fünfzehnminütigem ununterbrochenem lauten Lachens aus dem Zwerchfell stellen sich erste Veränderungen ein: die Stimmung hebt sich durch die Ausschüttung von Glückshormonen, das Immunsystem wird stärker, eine Vielzahl von Muskeln ist aktiv, die Aufnahmefähigkeit von Sauerstoff verbessert sich und es kann zu einer positiveren Lebenseinstellung verhelfen (Quelle: Meta-Analyse der Friedrich-Schiller-Universität Jena).

1995 legten der Wissenschaftsjournalist Norman Cousins und der Arzt und Yogalehrer Dr. Madan Kataria und seine Frau Madhuri den Grundstein für die Lehre: „Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind, wir sind glücklich, weil wir lachen.“ Heutzutage belegen zahlreiche wissenschaftlichen Studien die positiven Effekte des Lachens.

Lachyoga-Trainierin bekommt auf der Straßekeine Hasskommentare

Nachdem im März ihr Buch („Oma geht viral: Lachen und Hate – zwei Seiten von Sichtbarkeit?“) erschienen ist, steht als nächstes Großprojekt eine Biografie an. Und nebenher natürlich weiterhin Lachvideos für die sozialen Medien produzieren und Kurse geben. Übrigens: Im echten Leben wird sie mittlerweile auch häufig auf der Straße erkannt. Bei diesen Begegnungen sind die Menschen „sehr zuvorkommend, sehr nett und freundlich“ – von Hass oder bösen Kommentaren keine Spur.

Was auch gegen schlechte Laune hilft, ist reisen. Unser Autor hat sich für eine Reise der besonderen Art entschieden und auf ein fremdes Haus aufgepasst.

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