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Halterin versucht Kaninchen ohne Betäubung zu kastrieren – Tier muss ins Krankenhaus

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Von: Sina Alonso Garcia

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Kaninchen Ben
Noch etwas verängstigt, aber inzwischen medizinisch versorgt: Kaninchen Ben hat in der Kleintierklinik Frank einen Zufluchtsort gefunden. © Kleintierklinik Frank/Facebook

In Freiburg hat die Besitzerin eines Kaninchens versucht, ihr Tier auf eigene Faust zu kastrieren. Unter Schock und mit Schnittverletzungen wurde das Tier in eine Klinik eingeliefert.

Freiburg - „Wir sind wirklich schockiert“: Mit diesen Worten beschreibt die Kleintierklinik Frank den Fall eines Kaninchens, das kürzlich dort eingeliefert wurde. Der fünf Monate alte Bock wurde zuvor von seiner Besitzerin ohne Betäubung eigenständig zuhause kastriert – ohne, dass die Frau über anatomische Kenntnisse verfügte. „Das Tier hatte zwei Schnittverletzungen am Hinterteil, aus einer schaut seine Harnblase heraus“, schildert das Klinikteam den ungeheuerlichen Fall.

Der Grund für das rabiate Vorgehen der Besitzerin: Sie wollte sich angeblich die Kosten beim Tierarzt sparen. Außerdem sei es schwer, dort überhaupt einen Termin zu bekommen. Ihre anderen Kaninchen seien alle schon kastriert. Offenbar informierte sich die Tierhalterin in Foren, um die Kastration auf eigene Faust vorzunehmen. Wie die Kleintierklinik Frank schildert, habe die Frau das Kaninchen auf dem Küchentisch festhalten lassen, einen Hoden aus dem Hodensack geschnitten und ihn abgetrennt. „Dabei fiel eine kugelige Struktur aus dem Schnitt hervor, die ebenfalls abgeschnitten wurde, bis sich eine gelbe Flüssigkeit ergoss“, heißt es in dem Bericht weiter. Die Harnblase sei aufgeschnitten worden – „und spätestens hier merkten wohl alle Beteiligten, dass man ein Problem hatte“.

„Es ist so grausam, so etwas zu tun“: Kaninchen Ben unter Schock

Kaninchen sind klassische Beutetiere. Bei Stress verfallen sie in eine Schockstarre und bewegen sich nicht. Auch ertragen sie Schmerzen stumm. Sie schreien und zappeln nicht, wenn man ihnen ein Körperteil abschneidet. Laut Tierschutzgesetz (§ 1) ist es verboten, Tieren „ohne vernünftigen Grund“ Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. „Es ist grausam, so etwas zu tun. Wir verstehen wirklich nicht, wie einem sowas einfallen kann“, schreibt die Tierklinik.

„Auch, wenn wir versuchen, immer sachlich und ruhig zu bleiben, ist es uns hier kurz nicht gelungen“, schreibt das Klinik-Team. „Die Chirurgin hat ganz klare Worte gefunden für diese Tierquälerei und der Besitzerin nur eine Option gelassen: Abtretung des Tieres an unsere Klinik. Die andere Option wäre Einschläfern gewesen, da auch hier kein weiteres Geld für die chirurgische Versorgung des Patienten investiert werden wollte. Das kam für uns nicht in Frage.“

Gequältes Kaninchen: Tierklinik schaltet Veterinäramt ein

Noch am späten Abend übernahm die Klinik das Kaninchen auf eigene Kosten, stabilisierte dessen Kreislauf und operierte es. Die Harnblase wurde vernäht, das Tier ordentlich kastriert und zur intensivmedizinischen Betreuung stationär aufgenommen. Ab dem ersten Tag nach der OP ging es mit Ben, wie der Rammler genannt wird, endlich wieder bergauf. Laut der Klinik konnte die Infusionstherapie gestoppt werden. Ben habe sehr gut gefressen und munter in seiner Box gesessen. Er wurde mit Schmerzmitteln und Antibiotika versorgt.

„Da hier eindeutig ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorlag, haben wir den Fall beim zuständigen Veterinäramt und der Polizei gemeldet“, erklärt die Klinik. Weil die Frau neben Ben noch über weitere Tiere verfüge, wolle man nicht riskieren, dass diese womöglich auch leiden, ohne dass sich jemand um sie kümmert. Wie die Mitarbeiter der Klinik betonen, könnten sie es sich nicht verzeihen, bei einem solchen Verhalten nicht aufzustehen und laut zu werden: „Wir sind das Sprachrohr für unsere Patienten.“ Normalerweise zeige man Tierhalter nicht oft an und gehe stattdessen lieber in den Dialog – in dem Fall habe man allerdings keine andere Option gesehen.

Tierklinik appelliert an Tierhalter und die, die es noch werden wollen: „Schneidet keinem Lebewesen irgendwelche Körperteile ab“

An alle, die ein Tier haben oder die sich eines anschaffen wollen, appelliert die Klinik:

Auch, wenn die Klinik-Mitarbeiter vermutlich schon vieles gesehen haben, ging die Geschichte mit Ben dem gesamten Team besonders nahe. „Wir müssen uns erstmal davon erholen“, heißt es in dem Bericht. Zudem wolle man sich bei den Kunden entschuldigen, die während des Vorfalls im Wartezimmer gesessen und das „Donnerwetter der Chirurgin“ gegenüber Bens ehemaliger Besitzerin mit angehört hätten. „Wir sind empathisch mit unserem Beruf verbunden und da kann es mal passieren, dass wir bei einer solchen Untat die Fassung verlieren“, so das Klinik-Team.

Kaninchen Ben inzwischen gesund und munter: Video zeigt ihn beim Essen

Rund eine Woche nach dem Schock gab es nun ein kleines Update zu Ben. Ein Video auf Facebook zeigt ihn offensichtlich gesund und munter beim Knabbern von Gemüse. „Ihm geht‘s super“, schreibt das Tierklinikum. „Die Wunden sehen gut aus, er setzt Kot und Harn ab. Wir sind wirklich froh, dass er so zäh ist und es gut weggesteckt hat. Sein Appetit ist sehr groß, er lässt es sich gut schmecken bei uns.“

Auf Facebook erhält Ben viel Anteilnahme und Mitgefühl für das, was ihm widerfahren ist. „Seine Geschichte macht mir noch immer zu schaffen“, schreibt eine Nutzerin. „Und wie schön, dass es dem kleinen Mann besser geht. Für mich ist es immer wieder überraschend, dass Tiere nach solch furchtbaren Erlebnissen wieder Vertrauen zu Menschen fassen. Alles Gute für ihn.“ Auch andere User freuen sich, dass das Tier nun in Sicherheit ist. Fast 400 Nutzer gaben dem Video auf Facebook einen Daumen nach oben. Eine Kundin, die über Social Media von dem Vorfall erfuhr, hat sogar einen Korb mit Gemüse vorbeigebracht.

Tierklinik will bald nach neuem Zuhause für Kaninchen suchen – „sobald wir das Go haben“

„Uns erreichen viele Nachrichten, ob man spenden oder ihm ein neues Zuhause geben kann“, schreibt die Klinik. Wenn Behörden involviert seien, brauche die Vermittlung allerdings immer etwas Zeit. „Aber sobald wir das Go haben, suchen wir ihm ein kaninchengerechtes Zuhause mit neuen Freunden.“ Die Kosten der OP und der Versorgung übernehme man gerne. „Wenn ihr dennoch spenden möchtet, fragt mal beim Tierschutzverein in eurer Region nach. Wir sind uns (leider) sicher, dass unser Kaninchen kein Einzelschicksal ist. Viele Tiere haben schlimme Erlebnisse hinter sich. Und eure Spende an Vereine hilft, dass es ihnen besser gehen kann.“ Tatsächlich scheint Ben bei Weitem kein Einzelfall zu sein. Erst kürzlich kehrte etwa eine Katze in Österreich von einem Rundgang zurück – und war plötzlich kastriert. Ein Fremder hatte das Tier offenbar kurzerhand operiert.

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