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Im Kreis Esslingen steht ein Haus für einen Euro zum Verkauf – und keiner will es haben

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Von: Julia Hawener

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Für einen Euro steht ein Haus in Wendlingen (Kreis Esslingen) zum Verkauf. Doch damit kommt man nicht weit. Denn vor einem Einzug muss weiteres Geld investiert werden. Und die Stadt stellt Forderungen.

Wendlingen – Eine Flasche Wasser, eine Brezel beim Bäcker oder einen Schokoladenriegel – viel mehr bekommt man in Deutschland für einen Euro nicht. Und schon gar nicht in Zeiten hoher Inflationsraten. Anders sieht es in Wendlingen im Kreis Esslingen aus, denn dort wird derzeit ein komplettes Haus für nur einen Euro verkauft. Es hört sich an wie eine billige Betrugsmasche, obwohl es auch in Baden-Württemberg teurere und kostengünstigere Regionen gibt. Doch das Ein-Euro-Haus ist tatsächlich ein offiziell ausgeschriebenes Angebot der Stadt Wendlingen. Sie sucht nun schon seit einiger Zeit einen passenden Käufer für das Gebäude in der Kirchstraße 21 im Stadtteil Unterboihingen. Bisher allerdings vergeblich.

Die Stadt Wendlingen in Baden-Württemberg ist nicht die erste, die ein Gebäude für den Preis einer Chipstüte an den Mann oder die Frau bringen will. So wurde etwa in Heidenheim ein Haus zum Spottpreis angeboten. Und bereits 2019 machten italienische Dörfer Schlagzeilen, weil sie gleich mehrere Häuser für jeweils nur einen Euro „verscherbelten“. Schnell wurde damals jedoch klar, dass es für das Schnäppchenangebot einen Grund gab: Zum einen gingen den Dörfern die Bewohner aus, aber vor allem waren die Immobilen stark renovierungsbedürftig. Sie sahen mehr nach Ruinen als nach Häusern aus und waren teils sogar einsturzgefährdet. So dramatisch steht es um das Haus im Kreis Esslingen nicht, jedoch muss auch hier Hand angelegt werden. Und dazu kommt, dass die Stadt bestimmte Forderungen an den zukünftigen Besitzer stellt.

Stadt im Kreis Esslingen verkauft Haus für einen Euro – „denkmalgerechte Sanierung“ gefordert

Bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 2017 lebte Mathilde Großmann in dem ehemals unter Denkmalschutz stehenden Haus. Deshalb ist das Gebäude im Ort auch als „Großmann’sches Haus“ oder „s’Mathilde-Haus“ bekannt. Da die Unterboihingerin keine Kinder hatte, vermachte sie das Doppelhaus inklusive Scheunenteil der Stadt Wendlingen. Seitdem ist es unbewohnt. Wie die Stadt selbst auf ihrer Internetseite schreibt, ist der ehemalige Widdumhof eines der ältesten Gebäude in der Gegend und seit mehreren Jahrhunderten ein „ortsprägendes Bauwerk“ in zentraler Lage. Denkmalgeschützt sei es jedoch wegen zahlreicher früherer Veränderungen nicht mehr. Trotzdem verlangt die Stadt nach eigenen Angaben eine „denkmalgerechte Sanierung“.

Gebäude in der Kirchstraße 21
Das Gebäude im Wendlinger Ortsteil Unterboihingen wird für einen Euro verkauft. © Julia Hawener

Für einen potenziellen Käufer bedeutet das konkret: Das äußere Erscheinungsbild „soll ‚alt’ aussehen und sich wieder gut in die Umgebungsbebauung einfügen“, erklärt Jens Fritz, der für die Vermarktung des Gebäudes zuständig ist, gegenüber den Stuttgarter Nachrichten (StN). Dabei würde sich die Stadt beispielsweise wünschen, dass das alte Fachwerk, das derzeit noch unter einer eher tristen Fassade verschwunden ist, wieder freigelegt wird. Beim Innenraum hätte man dagegen mehr Freiheiten und er könnte auch moderner gestaltet werden. Wer Interesse daran hat, das Gebäude zu renovieren, muss allerdings, wie die Stadt im Angebot erklärt, bereits einen detaillierten Plan vorlegen. Statik und Beschaffenheit des Gebäudes sollen darin unter anderem berücksichtigt werden. Ein Grobentwurf genüge also nicht.

Haus steht für einen Euro zum Verkauf – „Das ist finanziell ein Fass ohne Boden“

Am Ende entscheidet dann der Gemeinderat, welches Sanierungskonzept den Zuschlag bekommt. Laut StN hätten in den vergangenen Wochen etwa ein Dutzend Interessenten das Gebäude besichtigt. „Es waren ganz unterschiedliche Besucher“, sagt Jens Fritz. Aber ein Käufer oder eine Käuferin blieb bislang aus. Im Netz wundern sich einige User nicht, dass es bisher keinen großen Ansturm auf das Ein-Euro-Haus gab. „Denkmalgerechte Sanierung vorgeschrieben. Das ist finanziell ein Fass ohne Boden“, schreibt etwa ein Nutzer auf Facebook. „Der ganze Hickhack und die Genehmigung der Behörde ist hier wohl ausschlaggebend, dass niemand die Burg will“, stimmt ein anderer User zu und vermutet, dass so eine Sanierung locker „eine Million Euro kosten kann“.

Wie viel Geld tatsächlich in das Gebäude gesteckt werden muss, bis es wieder bewohnbar ist, kann wohl niemand sicher sagen. Aber auch Jens Fritz geht von mindestens 200.000 Euro aus, wie die StN berichten. Andere Nutzer sehen zwar in der Immobilie nicht das finanzielle Problem, für sie wäre das Gebäude aber sinnvoller als Bleibe für Geflüchtete genutzt. „Ich kann die Stadt nicht verstehen, es kommen so viele ukrainische Menschen ins Land und suchen Unterkunft. Egal wie, Hauptsache Unterkunft“, schreibt etwa ein User auf Facebook. Der Bedarf an Wohnraum für Geflüchtete sei auch an der Stadt nicht einfach vorübergegangen, wie Jens Fritz sagt. Wohnraum für die Geflüchteten werde allerdings möglichst schnell benötigt und eine Sanierung dauere einige Zeit. Zudem sei das Gebäude nicht groß genug. Sollte sich allerdings in naher Zukunft kein Käufer finden, stehe diese Option eventuell wieder im Raum.

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