Boris Palmer transfeindlich? Jusos kritisieren Tübinger OB wegen Aussagen
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer schreibt auf Facebook, dass eine Transfrau keine Frau sei. Mit seinen Aussagen verärgert er die Jusos, die ihm Transfeindlichkeit vorwerfen.
Tübingen - Vor einer Weile hatte er angekündigt, sich aus Facebook-Debatten zurückzuziehen. Nun sorgt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) auf der sozialen Plattform mal wieder für Gesprächsstoff. In einem Post, der sich auf ein Streitgespräch in der Zeit bezieht, äußert er sich kritisch gegenüber Transmenschen, die sich selbstbestimmt einem Geschlecht zuordnen. „Ich halte daran fest, dass eine Transperson keine Frau ist, auch wenn sich die Person so fühlt“, schreibt er. Zwar sei es das „gute Recht“ dieser Personen, sich einem anderen als ihrem biologischen Geschlecht zugehörig zu fühlen. Dies berechtige sie seiner Meinung nach aber nicht dazu, sich als biologische Frau zu definieren.
„Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden“, stellt Palmer klar. „Ich bin sehr dafür, dass Transpersonen ihr Leben so führen, wie sie wollen.“ Dabei lehne er jegliche Form der Diskriminierung von Transpersonen ab. Trotz allem sei eine Transfrau für ihn keine Frau. „Der Schutz von Frauenrechten stellt eine eigene Kategorie, die genauso berechtigt ist wie der Schutz von Trans Personen“, so Palmer.
Jusos kritisieren Boris Palmer: „Schwelle von Peinlichkeit zu Hetze überschritten“
Geht es nach der Meinung von Judith Rahner, Initiatorin einer Meldestelle für „antifeministisches“ Verhalten, sind Palmers Aussagen transfeindlich. Wie sie gegenüber der Zeit sagt, spreche man damit Menschen die Identität ab. „Gut, dann melde ich mich hiermit als transfeindlich“, reagiert Palmer. „Bei mir entsteht der Eindruck, dass Meinungsfreiheit nicht in das Konzept dieser Form von Aktivismus passt.“
Die Jusos in Tübingen halten Palmers Aussagen für hochproblematisch. „Boris Palmer hat spätestens mit diesem Post die Schwelle von Peinlichkeit zu Hetze überschritten“, kritisieren sie in einer Pressemitteilung. „Einmal mehr schießt er sich auf eine Minderheitengruppe ein und verbietet diskriminierende Ressentiments.“ Die Jusos verurteilen die „neuerliche Entgleisung“ des Tübinger OBs zutiefst und fordern den grünen Stadtverband sowie die grüne Jugend Tübingen dazu auf, sich von den „transfeindlichen“ Äußerungen Palmers zu distanzieren. „Tübingen ist eine weltoffene Stadt, in der transfeindliche Äußerungen und jegliche Diskriminierung keinen Platz haben“, heißt es weiter. „Schon gar nicht im Rathaus.“
Boris Palmer feuert zurück und hinterfragt Begrifflichkeiten
Boris Palmer wäre nicht Boris Palmer, wenn er die Kritik der Jusos einfach so stehen lassen würde. Auf Facebook gibt er sich kampflustig und wettert gegen die „Thesen einer wissenschaftlich äußerst gewagten Gender-Theorie“. Wer sich dieser nicht anschließe, werde „sofort mit aller Härte diffamiert, denunziert und ausgegrenzt“. Die Reaktion der Jusos hält er für undemokratisch. Durch deren Methode werde „Widerspruch im Keim erstickt und die eigene Weltsicht durchgesetzt“.
„Welchen Sinn sollte eigentlich der Begriff Transgender haben, wenn eine Transfrau eine Frau wäre, also kein Unterschied mehr gesehen werden dürfte? Und wem ist mit diesem Streit bitte gedient?“
„Ob die Jusos sich jemals die Frage gestellt haben, wie groß der Anteil der Menschen in Deutschland ist, die jede Benachteiligung von Transpersonen ablehnen, aber Männer, die eine Geschlechtsumwandlung vollziehen lassen, nicht als Frauen begreifen, sondern eben als Transpersonen?“, schreibt Palmer. „Welchen Sinn sollte eigentlich der Begriff Transgender haben, wenn eine Transfrau eine Frau wäre, also kein Unterschied mehr gesehen werden dürfte? Und wem ist mit diesem Streit bitte gedient?“
Facebook-Post von Boris Palmer löst Diskussionen aus – Debatte um Geschlecht und Gender
Mit seinen Aussagen regte Palmer auf Facebook eine Diskussion an. Der ursprüngliche Beitrag wurde bereits mehr als 620-mal kommentiert und erhielt 968 Likes (Stand: 8. März, 12.56 Uhr). Während die einen ihm zustimmen, kritisieren andere seine Wortwahl. An der Art, wie die Kommentare verfasst sind, sieht man, wie emotional aufgeladen das Thema für viele offenbar ist. Ähnlich wie Palmer erging es kürzlich auch Germany‘s-Next-Topmodel-Kandidatin Zoey Saflekou aus Stuttgart. In einer Instagram-Story hatte sich die 26-Jährige kritisch gegenüber einem Essay von Transmann Linus Giese geäußert. Auch sie wurde daraufhin als transfeindlich kritisiert. Genau wie Palmer betonte auch Saflekou, dass es ihr in keiner Weise darum gehe, Transpersonen zu diskreditieren. Vielmehr störte sie sich an bestimmten Begrifflichkeiten, die der Autor für bestimmte Geschlechtsorgane verwendete.
Erst im vergangenen Jahr kochte die Debatte um Geschlecht und Gender hoch, als an der Umboldt-Universität in Wien ein Vortrag von Biologin Marie-Luise Vollbrecht abgesagt wurde. Der Titel des Vortrags lautete „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht, Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“. Nach der Ankündigung von Protesten hatte die Hochschule den Vortrag gestrichen.