1. bw24
  2. Baden-Württemberg

Schülerbeirat spricht sich für genderneutrale Sprache aus und erntet Kritik - „größter Unsinn überhaupt“

Erstellt:

Von: Franziska Schuster

Kommentare

An einem Whiteboard in einer Schule in Karlsruhe steht im Juli 2021 das Wort „Lehrer“ in verschiedenen Gender-Schreibweisen.
Gendern oder nicht? An Schulen in Baden-Württemberg herrscht darüber weiterhin Uneinigkeit. © Uli Deck/dpa

Sollte genderneutrale Sprache an Schulen in Baden-Württemberg eingeführt werden? Der Landesschülerbeirat spricht sich dafür aus - und erntet Kritik.

Stuttgart - Genderstern, Unterstrich oder Doppelpunkt - Schreibweisen für das Gendern gibt es mittlerweile viele. Nicht überall kommt dieser Ausdruck der geschlechterneutralen Sprache gut an, immer wieder sorgt das Thema für Diskussionen. Auch in Baden-Württemberg wird der Einsatz von Sternchen, Doppelpunkt und Co. hitzig debattiert. Bereits im vergangenen Jahr stand die Frage im Raum, ob die geschlechtergerechte Schreibweise auch in Schulen im Land verwendet werden sollte.

Der damalige Vorschlag von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne): Lehrkräfte sollten mit Schülern eine Schreibweise zum Gender-Sternchen vereinbaren. Den Schulen im Land sei es somit selbst überlassen, ob sie Genderzeichen in Aufsätzen und Prüfungen zulassen wollen, so die Politikerin. Auf ihren Vorschlag hagelte es viel Kritik.

Auch ein Jahr nach den Äußerungen von Theresa Schopper sind die Schulen im Land bei der Genderfrage auf sich selbst gestellt. Die Lager sind geteilt: Der Deutsche Rechtschreibrat ist etwa der Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden solle. Eine Schreibweise mit Genderstern und Co. sieht die Rechtschreibordnung jedoch noch nicht vor. Ein Umstand, den der Landesschülerbeirat scharf kritisiert.

Änderung der Rechtschreibordnung kein einfaches Unterfangen - „gravierende Eingriffe“

Die einen befürworten das Gendern, andere lehnen es vehement ab. Die Frage, ob gendern oder nicht, teilt Deutschland. Doch wie der SWR berichtet, wird gerade unter jüngeren Menschen im Land gegendert - sowohl im mündlichen, als auch im schriftlichen Sprachgebrauch. Im Schulalltag stellt das jedoch ein Problem dar. Da es keine einheitliche Regelung gibt, können die Gender-Schreibweisen in Tests oder Klassenarbeiten auch mal als Fehler angekreidet werden. Denn: Das Kultusministerium schreibt vor, dass der deutsche Rechtschreibrahmen für Klassenarbeiten gilt - und dieser beinhaltet nicht die geschlechterneutralen Schreibweisen.

„Wir finden das nicht mehr zeitgemäß“, sagt Jakob Jung, Vorsitzender des Landesschülerbeirats dazu. „Es gibt immer noch die 20 oder lassen wir es nur 15 Prozent sein, die das tatsächlich nicht gut finden und dann Macht oder Entscheidungsgewalt ausnutzen“, berichtet er.  

Ganz so einfach ändern beziehungsweise einfügen ließen sich die Schreibweisen in der Rechtschreibordnung allerdings nicht, wie Sabine Krome, Geschäftsführerin Deutscher Rechtschreibrat, gegenüber dem SWR betont. „Das stellt gravierende Eingriffe in Orthographie, Grammatik und Wortbildung dar“, sagt sie. Vor allem für Deutschlernende, etwa mit Migrationshintergrund, sei das Gendern gravierend. Sprache müsse schließlich für alle verständlich, eindeutig und gut lesbar sein. „Wenn man solche Formen zulässt oder empfiehlt, schließt man auch gleichzeitig bestimmte Gruppen aus der Schreibgemeinschaft aus“, gibt Sabine Krome zu bedenken.

Diskussion im Netz: „Aufgezwungenes Gendern wird keine Akzeptanz der Menschen bringen“

Der Landesschülerbeirat fordert dennoch eine Überarbeitung der Rechtschreibordnung. Ob und wann dies geschehen wird, ist derzeit noch offen. Allerdings hat der Rechtschreibrat zum Thema genderneutrale Sprache an Schulen mittlerweile eine Arbeitsgruppe gebildet. Ende September und im Februar will sich dieser zusammensetzen und über das Thema diskutieren.

Auch in den sozialen Netzwerken und im Netz löst das Thema Gendern regelmäßig hitzige Diskussionen aus. Die Stuttgarter Youtuberin Alicia Joester bemüht sich unterdessen um einen sachlichen Dialog. Die YouTuberin ist dennoch der Meinung, dass Gendern scheitern wird. Auf Facebook wird zur Genderthematik an Schulen ebenfalls viel kommentiert. Die Stimmung ist eindeutig: Die meisten User lehnen das Gendern ab. „Das ist der größte Unsinn überhaupt“, schreibt ein User etwa. „Klares Nein zum Gendern!“, stimmt ein weiterer zu.

Andere werden in ihrer Argumentation genauer. „Wenn in der Schule die Grammatik richtig vermittelt wird, so auch der Unterschied zwischen Genus und Sexus, dann sollte das Gendern sich erübrigen, da man feststellt, dass die deutsche Sprache dies bereits abdeckt und das Geschlecht nicht zwangsweise über Artikel definiert wird“, schreibt eine Userin. „Gendern zerstört den Sprachfluss und überhaupt wird die deutsche Sprache zerstückelt“, argumentiert ein weiterer Leser. „Aufgezwungenes Gendern wird keine Akzeptanz der Menschen bringen, denen es eigentlich helfen sollte. Eher im Gegenteil. Viel wichtiger ist es, Akzeptanz zu erlernen und zu leben“, findet ein anderer.

Was versteht man unter „Gendern“?

Der Begriff „Gendern“ oder auch „Gendering“ kommt vom englischen Wort „gender“, was „[soziales] Geschlecht“ bedeutet. Gendern bezeichnet im allgemeinen Sinne die Berücksichtigung oder Analyse des Geschlechter-Aspekts in Bezug auf eine Grundgesamtheit von Personen oder Daten, etwa in Wissenschaft, Statistik und Lehre.

Außerdem steht das Gendern im Deutschen für einen geschlechterbewussten Sprachgebrauch, der die Gleichbehandlung der Geschlechter in der schriftlichen und gesprochenen Sprache zum Ausdruck bringen will. Dabei wird unterschieden zwischen zweigeschlechtlichen, binären Formen und mehr geschlechtlichen Kurzformen mit Genderzeichen. Diese können neben männlichen und weiblichen auch nichtbinäre, diversgeschlechtliche Personen ansprechen und einbeziehen.

Auch interessant

Kommentare