1. bw24
  2. Auto

„Müssten niederknien und betteln“: Taiwan-China-Konflikt könnte fatale Folgen für deutsche Autoindustrie haben

Erstellt:

Von: Julian Baumann

Kommentare

Die Niederlassung von Mercedes-Benz in Peking.
Die deutsche Autoindustrie ist von Halbleiterkomponenten aus Taiwan abhängig. Der Konflikt mit China könnte deshalb fatale Folgen haben (Symbolbild). © Reiner Unkel/Imago

Der Besuch von US-Parlamentspräsidentin Pelosi in Taiwan könnte fatale Folgen für die deutsche Autoindustrie haben. Auch Mercedes, BMW und VW sind von den dort produzierten Chips abhängig.

Stuttgart/Taipeh - Die Spannungen zwischen China und Taiwan könnten im Falle einer Eskalation verheerende Folgen für die deutsche Autoindustrie haben, sagte der Repräsentant der semipräsidentiellen Republik in Deutschland. Von den in Taiwan produzierten Halbleiterchips sind auch die drei großen deutschen Autokonzerne Mercedes-Benz, BMW und VW abhängig und China ist insgesamt seit einiger Zeit der mit Abstand größte Absatzmarkt für Autos. Ende vergangenen Jahres wurde bekannt, dass der Einfluss Chinas auf Mercedes-Benz größer ist, als zuvor gedacht. Die Beijing Automotive Group (BAIC) hält aktuell fast 10 Prozent der Anteile am Stuttgarter Autokonzern.

Die Volksrepublik China verbietet Ländern, die eine diplomatische Beziehung mit Peking haben, offizielle Kontakte zur Republik China, allgemein Taiwan genannt. Nach dem Besuch von US-Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi in Taiwan am Mittwoch (3. August) drohen die Spannungen zwischen dem diktatorisch geführten Festland (China) und dem semipräsidentiellen Inselstaat (Taiwan) zu eskalieren. „Die Europäer können es sich nicht leisten, dass Taiwan mit der gesamten Halbleiterindustrie und den Lieferketten unter die Kontrolle von China gerät“, warnte Jhy-Wey Shieh, der diplomatische Vertretet Taiwans in Deutschland, im Interview mit der WirtschaftsWoche.

„Kein deutsches Auto funktioniert ohne Chips aus Taiwan“, sagt der diplomatische Vertreter

Wie wichtig die Halbleiterkomponenten für die weltweite Autoindustrie sind, zeigten die Folgen der Chipkrise in den vergangenen Monaten. Bei Mercedes-Benz standen mehrere Werke immer wieder temporär still und die Mitarbeiter wurden in die Kurzarbeit geschickt, dasselbe gilt auch für die anderen großen Hersteller. Die Produktion der gesamten Autoindustrie war in Gefahr. Die Halbleiterkomponenten werden zum großen Teil in Taiwan hergestellt, zu dem Deutschland eine enge wirtschaftliche Beziehung hält. „Kein deutsches Auto, kein Volkswagen, BMW oder Daimler-Benz (ehemaliger Name der heutigen Mercedes-Benz Group, Anm. d. Red.), auch kein Handy, funktioniert ohne Chips oder andere Komponenten aus Taiwan“, machte Jhy-Wey Shieh im Gespräch mit der WirtschaftsWoche deutlich.

Die diktatorisch geführte Regierung in Peking sieht allerdings nur ein China, während das demokratisch geführte Taiwan sich längst als unabhängig ansieht. Eben deshalb könnte der Besuch der US-Parlamentspräsidentin so weite Kreise ziehen. „China ist militärisch stark und eine Diktatur. Und wie Russland in der Ukraine sieht China in Taiwan einen Teil des eigenen Territoriums“, erklärte der diplomatische Vertreter. China hatte die USA vehement vor einem Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan gewarnt, die formell dritthöchste Person der Vereinigten Staaten reiste dennoch in den Inselstaat und sicherte Taiwan umfassende Unterstützung zu. Als Reaktion begann China ein Militärmanöver vor Taiwan, wie die Agenturen dpa und AFP berichten.

Unterstützung der USA für Taiwan könnte Chance für westliche Autoindustrie sein

Eben dieses Eskalationspotenzial hätte auch für die deutsche Autoindustrie fatale Folgen, sollte Taiwan mit der gesamten Halbleiterproduktion unter den Einfluss von China fallen. „Die Chinesen würden daraus Erpressungspotenzial entwickeln“, warnte Jhy-Wey Shieh. „Dann müssten die Deutschen und andere niederknien und betteln, um an die Komponenten von China zu kommen.“ Dass mit China nicht zu spaßen ist, haben westliche Unternehmen bereits zu spüren bekommen. Mercedes-Benz zog Chinas Wut mit einem Werbespot auf sich, der offenbar „westliche Klischees“ bediente. Der mächtige Autokonzern zog die Werbung daraufhin zurück, spekuliert wurde, dass dies als Reaktion auf eine Warnung aus Peking geschah.

Der diplomatische Vertreter Taiwans in Deutschland macht im Gespräch mit der WirtschaftsWoche aber auch deutlich, dass auch China von der deutschen Autoindustrie abhängig ist. „Die Chinesen haben Deutschland und die Unternehmen immer wieder erfolgreich unter Druck gesetzt“, so Jhy-Wey Shieh. „Auch chinesische Unternehmen sind aber abhängig von der deutschen Industrie.“ Obwohl Peking weiterhin darauf pocht, dass es nur ein China geben darf und das offenbar auch mit militärischen Drohungen verdeutlichen will, ist Shieh der Meinung, die Volksrepublik werde die Verbindungen zum technisch hochentwickelten Industriestaat nicht kappen.

Eben weil die deutsche Autoindustrie, genau wie andere Branchen, so von China abhängig ist, könnte die Zusicherung von Unterstützung durch US-Parlamentspräsidentin Pelosi für Taiwan auch eine Chance sein. Zumindest, wenn der Konflikt nicht weiter eskaliert. „Wenn die Lieferketten vielfältiger werden, kann Taiwan auch eine entscheidende Rolle spielen“, sagte Jhy-Wey Shieh. Die Leute in Taiwan seien gut ausgebildet und fleißig, man müsse dem bislang nur von wenigen Staaten anerkannten Land aber die Möglichkeit zur Zusammenarbeit bieten. „Der Westen würde seinen Fehler wiederholen, wenn er nun Taiwan im Stich lässt“, sagte der diplomatische Vertreter in Bezug auf den Ukraine-Russland-Konflikt.

Auch interessant

Kommentare