Radikaler Stellenabbau beim Autozulieferer ZF Friedrichshafen? Es droht ein Kahlschlag
Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen hat mit Schulden und einem deutlichen Gewinnrückgang zu kämpfen. Das wird laut dem Betriebsratschef drastische Folgen für die Belegschaft haben. Die Konzernspitze relativiert.
Friedrichshafen - In der baden-württembergischen Autoindustrie zeigt sich derzeit eine Art Zweiteilung. Die Autohersteller Mercedes-Benz und Porsche konnten trotz eines Krisenjahres hohe Gewinne einfahren und blicken verhalten, aber optimistisch auf das laufende Geschäftsjahr. Die Zulieferer stehen dagegen immer mehr mit dem Rücken zur Wand. Sogar die größten Unternehmen der Branche kommen nicht ohne Verluste davon. Bei Bosch herrscht angesichts der Transformation die Sorge um einen drastischen Stellenabbau, der Stuttgarter Technologiekonzern hat sich inzwischen mit dem Betriebsrat aber zumindest auf Gespräche über die Zukunft der deutschen Standorte geeinigt.
Bei der ZF Friedrichshafen gibt es dagegen für einige Standorte sogenannte Zielbilder, die zusammen mit der Gewerkschaft IG Metall ausgehandelt wurden und die Zukunft der deutschen Produktionsstandorte sichern sollen. Am Hauptsitz der ZF gibt es derzeit für die 10.000 Mitarbeiter aber noch keine Jobgarantie. Einem aktuellen Bericht des Manager Magazins zufolge malte der Gesamtbetriebsratschef des drittgrößten deutschen Autozulieferers Ende März aber ein sehr viel düstereres Bild. Er sagte einen Kahlschlag voraus, den es bei dem Traditionskonzern vom Bodensee in dieser Form noch nicht gegeben hat.
ZF Friedrichshafen will laut Betriebsratschef bis 2032 rund 9.000 Stellen in Deutschland abbauen
Dass Unternehmen, die jahrzehntelang Komponenten für Verbrennungsmotoren produziert haben, durch die Transformation zur E-Mobilität vor besonders großen Herausforderungen stehen, ist nachvollziehbar. Die ZF Friedrichshafen ist mit einem zunehmenden Fokus auf E-Mobilität, der Brennstoffzelle und dem autonomen Fahren aber eigentlich für die Zukunft gerüstet. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich nach einem Besuch bei der ZF zuversichtlich gezeigt. „Wir haben die besten Aussichten, dass wir bei der Zukunft mitmischen, bei den Fragen, die wichtig sind für die Welt“, hatte der Regierungschef erklärt. Dem großen schwäbischen Autozulieferer macht die Zukunft aber offenbar auch deutlich weniger zu schaffen, als vielmehr die Vergangenheit.
Name | ZF Friedrichshafen AG |
---|---|
Gründungsjahr | 1915 |
Hauptsitz | Friedrichshafen, Baden-Württemberg |
Branche | Automobilzulieferer, Mobilitätssysteme |
Geschäftsbereiche | Automobilzulieferer, Antriebs- und Fahrwerktechnik, E-Mobilität, Automatisierungstechnik, Industrietechnik, Nutzfahrzeugtechnik |
Mitarbeiterzahl | 164.869 (Stand: 2022) |
Produktionsstandorte | 168 in 32 Staaten |
Hauptentwicklungsstandorte | 19 in neun Ländern |
Umsatz | 43,8 Milliarden Euro (2022) |
Geschäftsführung | Holger Klein (Vorstandsvorsitzender), Heinrich Hiesinger (Aufsichtsratsvorsitzender) |
Anteilseigner | 93,8 Prozent Zeppelin Stiftung (Stiftungsträger ist die Stadt Friedrichshafen), 6,2 Prozent Dr. Jürgen und Irmgard Ulderup Stiftung |
Dem Manager Magazin zufolge war ZF-Betriebsratschef Achim Dietrich Ende März zu einer Versammlung der IG Metall nach Hannover gereist, um dort die Zukunftspläne für die deutschen Standorte des Zulieferers festzulegen. Dass laut ihm bis 2032 beim schwäbischen Traditionskonzern allein in Deutschland rund 9.000 Stellen abgebaut werden sollen – was jeder sechsten Stelle bei der ZF entspräche – klingt allerdings nicht nach Zukunftsperspektive. Die ZF hatte Ende 2022 erst mehrere Millionen Euro am Standort Saarbrücken (Saarland) investiert, um den größten Getriebestandort zukunftssicher zu machen. Aber auch dort sollen in den kommenden Jahren radikal Arbeitsplätze abgebaut werden.
Schwierige Zeiten beim großen Autozulieferer – „Herausforderungen der ZF sind noch immer immens“
Noch düsterer sieht es nach übereinstimmenden Berichten in Brandenburg an der Havel aus. Der Standort produziert unter anderem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe für Porsche, der Stuttgarter Autobauer setzt allerdings ebenfalls auf die Produktion von E-Autos. Die ZF Friedrichshafen konnte im Krisenjahr 2022 zwar den Umsatz steigern und auch die Anzahl der Mitarbeiter stieg von 157.549 im Jahr 2021 auf 164.869. Neue Jobs schuf der große Autozulieferer in jüngerer Vergangenheit aber außerhalb der Bundesrepublik. Auch IG-Metall-Chef Jörg Hofmann warnte vor einer Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland und nannte die ZF als Beispiel.

Von den genannten 164.869 Mitarbeitern, die weltweit für die ZF Friedrichshafen tätig sind, arbeitet rund ein Drittel an den deutschen Standorten. Ein so drastischer Kahlschlag, wie ihn Betriebsratschef Dietrich vorhersagte, hat es in der über einhundertjährigen Geschichte des Konzerns noch nicht gegeben. Die Führungsspitze der ZF Friedrichshafen versucht allerdings auch zu relativieren. Die Zahlen seien „spekulativ“, erklärte ein Sprecher dem Manager Magazin und wenn überhaupt, würde man den Stellenabbau sozialverträglich und ohne Kündigungen gestalten. Dass die ZF Friedrichshafen nach mehreren Krisenjahren noch immer zu kämpfen hat, steht allerdings ohne Zweifel.
„Wenn man das Jahr 2019, als der Automarkt spürbar schrumpfte, mitrechnet, sind wir nach zwei Pandemiejahren und dem Kriegsjahr 2022 mittlerweile im fünften Krisenjahr“, sagte ZF-Chef Holger Klein in einem Interview im firmeneigenen Magazin zum Geschäftsbericht 2022. Zudem hat der Konzern noch immer mit Schulden zu kämpfen, die aufgrund der genannten Krisen nur schleppend abgebaut werden konnten. „Die Herausforderungen der ZF waren und sind noch immer immens“, so Klein. Für das laufende Jahr habe man sich aber die klare Priorität gesetzt, allen Mitarbeitern eine klare Orientierung zu geben.