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„Planungssicherheit“ oder „Todesurteil“? Landtagsfraktionen in Baden-Württemberg zum Verbrenner-Aus

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Von: Julian Baumann

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Mit der Entscheidung des EU-Parlaments scheint ein Verbrenner-Ende ab 2035 besiegelt zu sein. Unter den Landtagsfraktionen in Baden-Württemberg gehen die Meinungen dazu mitunter weit auseinander, wie eine BW24-Umfrage ergab.

Stuttgart - Im vergangenen Jahr hatten sich die EU-Mitgliedstaaten nach langen Verhandlungen darauf geeinigt, ab 2035 nur noch klimafreundliche Neuwagen zu erlauben. Zuvor hatte es auch innerhalb der Bundesregierung noch Uneinigkeit gegeben, die auch nach der Entscheidung nicht beigelegt werden konnten. Die Uneinigkeit in der Koalition brachte die „Gemüter zur Wallung“. Mit der Einigkeit der EU-Staaten war ein Ende der Verbrenner-Produktion ab 2035 aber noch nicht entschieden, da sich in nächster Instanz die Länder mit dem EU-Parlament einigen mussten.

Eine solche Einigung wurde am 14. Februar 2023 erwirkt. Damit hat das EU-Parlament ein Verbrenner-Aus ab 2035 besiegelt und auch E-Fuels, synthetische Kraftstoffe aus Solar- und Windenergie, sollen für Neuwagen keine Alternative zu Benzin oder Diesel darstellen. Da sich ein Verbrenner-Verbot für das Autoland Baden-Württemberg mit Weltfirmen wie Mercedes-Benz, Porsche, Bosch oder der ZF Friedrichshafen besonders auswirkt, hat BW24 die Landtagsfraktionen der Grüne, CDU, SPD, FDP und AfD nach ihren Meinungen zur EU-Entscheidung befragt. Diese gehen mitunter weit auseinander.

Verbrenner-Aus ab 2035: Wie stehen die Landtagsfraktionen zur EU-Parlamentsentscheidung?

Bereits am Tag der Entscheidung, dem 14. Februar, hat die FDP-Landtagsfraktion ein Statement des Sprechers für individuelle Mobilität, Friedrich Haag, veröffentlicht. Das nachfolgende Statement von Herrn Haag stammt demnach aus der Mitteilung der Partei. Der FDP-Abgeordnete hatte kürzlich gegenüber BW24 auch die Abgasnorm Euro 7 scharf kritisiert.

FDP-Landtagsfraktion Baden-Württemberg: Friedrich Haag, Sprecher für individuelle Mobilität

Wie steht die FDP-Fraktion zur EU-Parlamentsentscheidung?

„Die EU-Entscheidung gegen den Verbrenner ist eine Entscheidung gegen den Klimaschutz und die Menschen. Das ist Gift für den Industriestandort Baden-Württemberg und ein Todesurteil für die Technologieoffenheit. Wir brauchen Defossilisierung statt Deindustrialisierung. Wenn sich nur noch reiche Menschen ein Auto leisten können, ist der soziale Frieden in Gefahr. Individuelle Mobilität darf keine Frage des Einkommens sein.“

Friedrich Haag, Sprecher für Wohnungsbau und Individuelle Mobilität der FDP-Landtagsfraktion.
Friedrich Haag ist Sprecher für Wohnungsbau und individuelle Mobilität der FDP-Landtagsfraktion. © FDP/DVP Landtagsfraktion Baden-Württemberg

Welche Folgen sehen Sie durch ein Verbrenner-Verbot für den Verkehr in Baden-Württemberg?

„Durch das Verbrenner-Aus kommen schwerwiegende Folgen auf den Industriestandort Baden-Württemberg zu. Mit der Elektromobilität als nahezu einziger Zukunftsperspektive, wie sie Ministerpräsident Kretschmann hierzulande propagiert, verschwenden wir nicht nur Potenzial beim Klimaschutz, sondern riskieren auch unsere Arbeitsplätze und machen uns von chinesischen Rohstoffimporten abhängig.

Ohne synthetische Kraftstoffe hat Baden-Württemberg keine Chance, weltweit Vorreiter in Klimaschutz und technologischem Fortschritt zu werden. Noch haben wir aber einen Fuß in der Tür, um Verbrenner mit E-Fuels weiterzufahren. Wir von der FDP setzen uns weiterhin dafür ein, dass diese Tür offenbleibt und wir den Weg in Richtung echten Klimaschutz im Verkehr durch synthetische Kraftstoffe gehen können.“

Die Statements von Grüne, CDU, SPD und AfD entstammen exklusiv der Umfrage unserer Redaktion.

Grüne-Landtagsfraktion Baden-Württemberg: Silke Gericke, verkehrspolitische Sprecherin

Wie steht die Grünen-Fraktion zur EU-Parlamentsentscheidung?

„Wir Grüne positionieren uns mit einem klaren Ja zum Verbrenner-Aus 2035. Diese Maßnahme ist für das Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehrssektor zwingend notwendig. Die EU hat mit ihrer Entscheidung einen konkreten Weg vorgegeben und schafft klare Rahmenbedingungen. Das schafft auch für Unternehmen Investitions- und Planungssicherheit – etwa für den Aufbau einer eigenen Batterieproduktion.“

Silke Gericke, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion.
Silke Gericke ist verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg. © Lena Lux

Welche Folgen sehen Sie durch ein Verbrenner Verbot für den Verkehr in Baden-Württemberg?

„Das Verbrenner-Aus hat viele Vorteile für Gesundheit und Klima: Der Verkehr wird insgesamt im Land CO2- und schadstoffärmer sowie leiser. Wir wissen aber auch: Das ist ein Kraftakt für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer. Unternehmen, die jetzt die Zügel in die Hand nehmen und die Herausforderungen angehen, werden in Zukunft profitieren können – bei den Umsatzzahlen und bei den Arbeitsplätzen.

Der öffentliche Verkehr ist da nicht ausgenommen: Auch Busunternehmen müssen nachlegen, was emissionsfreie, elektrische Antriebe betrifft – und etwa ihre Betriebshöfe mit der notwendigen Ladeinfrastruktur ausstatten. Die sogenannte ‚Clean Vehicle Directive‘ der EU gibt dafür bereits klare Mindestvorgaben.“

CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg

Wie steht die CDU-Fraktion zur EU-Parlamentsentscheidung?

„Das Europaparlament hat mit seiner Entscheidung einer technologieoffenen Zukunft für die Automobilindustrie eine Absage erteilt, indem ab 2035 ausschließlich auf elektrisch betriebene Kfz gesetzt werden soll. Erst 2027 soll die Europäische Kommission nochmals überprüfen, ob alternative Kraftstoffe zukünftig bei neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen eingesetzt werden können. Aus Sicht der CDU-Fraktion muss der Weg sein, im Wettbewerb der verfügbaren und in Entwicklung befindlichen Technologien die besten Lösungen zu finden, um echten und nachhaltigen Klimaschutz umsetzen zu können. Zudem bleibt fraglich, ob bis zu einem geplanten Verbrenner-Verbot überhaupt die erforderliche Ladeinfrastruktur zur Verfügung stehen wird – und das in ganz Europa.“

Welche Folgen sehen Sie durch ein Verbrenner-Verbot für den Verkehr in Baden-Württemberg?

Thomas Dörflinger bei einer Rede im Landtag von Baden-Württemberg in Stuttgart.
Thomas Dörflinger ist stellvertretender Vorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. © Landtag Baden-Württemberg

Dazu der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Dörflinger: „Die Umstellung der Antriebe auf neue, saubere Technologien ist bereits im Gange. Dafür hätte es kein Verbrenner-Verbot gebraucht. Bund und Land fördern diesen Umstieg schon heute mit erheblichen Mitteln. Die Entscheidung des EU-Parlaments schränkt die zur Verfügung stehenden Mittel auf dem Weg zu einem klimafreundlichen Verkehr nur unnötig ein. Umso wichtiger ist es, dass nun der Hochlauf der Produktion von E-Fuels endlich beginnt – denn nur so können die zahllosen Verbrenner-Fahrzeuge, die auch nach einem Zulassungsverbot für neue Fahrzeuge noch sehr lange auf der Straße wären, klimafreundlich betrieben werden.“

SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg

Wie steht die SPD-Fraktion zur EU-Parlamentsentscheidung?

„Wir begrüßen grundsätzlich alle Entscheidungen, die zu einer schnellen Erreichung der Klimaziele beitragen. Diese Entscheidung wird allerdings schwerwiegende Konsequenzen für die Menschen und die Wirtschaft in Baden-Württemberg haben. Der Prozess der Transformation der Automobil- und Zulieferindustrie wird sich beschleunigen müssen. Die SPD steht dabei an der Seite der Beschäftigten.“

SPD-Landesvorsitzender Andreas Stoch bei einer Rede im Landtag von Baden-Württemberg in Stuttgart.
Die SPD-Landtagsfraktion befürchtet schwerwiegende Konsequenzen für Menschen und Wirtschaft (im Bild: Landesvorsitzender Andreas Stoch). © Bernd Weißbrod/dpa

Welche Folgen sehen Sie durch ein Verbrenner-Verbot für den Verkehr in Baden-Württemberg?

„Wir fordern nach wie vor Technologieoffenheit bei den Antrieben: ReFuels können bei PKW eine Übergangstechnologie sein, so wie Brennstoffzelle und Wasserstoff bei LKW, Zügen und Flugzeugen.

Aber auch die Landesregierung muss endlich ihre Aktivitäten zur Antriebs- und Mobilitätswende beschleunigen. Wir brauchen nicht, wie gerade vom Verkehrsminister Hermann angekündigt, weniger öffentliche Ladesäulen bis 2030, sondern eine Beschleunigung des Ausbaus. Wir brauchen außerdem mehr Mittel für die Busförderung und keine Kürzungen wie im laufenden Haushalt. Nur dann ist das Ziel noch erreichbar, die Busflotten im Land bis 2035 auf elektrische Antriebe umzustellen.“

AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg: Miguel Klauß, verkehrspolitischer Sprecher

Wie steht die AfD-Fraktion zur EU-Parlamentsentscheidung?

„Die AfD-Fraktion lehnt die Entscheidung ab, da sie zum gravierenden Nachteil Deutschlands und ganz besonders Baden-Württembergs ist. Es ist immer ein Fehler, wenn Politiker ein Datum vorgeben, wann eine Technologie verboten werden soll. Dies muss immer marktwirtschaftlich passieren und auf Innovation und Forschung beruhen .Es erschüttert auch das Vertrauen der Bürger, wenn ungelernte und unqualifizierte Politiker über eine Technologie entschieden, die von Ingenieuren und Erfindern entwickelt wurde.

Die Entscheidung ist ein fatales Signal an jeden Forschungs- und Wirtschaftsstandort, aber auch an den ehrlichen Arbeitnehmer, der seinen eigenen Arbeitsplatz- und Wohlstandsverlust auch noch mit seinem Steuergeld finanzieren muss. Es ist zudem beschämend, dass ausgerechnet die ehemalige Arbeiterpartei SPD dieser Arbeitsplatzvernichtung wohlwollend zugestimmt hat.“

Miguel Klauß, verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg.
Miguel Klauß ist verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg. © AfD-Landtagsfraktion

Welche Folgen sehen Sie durch ein Verbrenner-Verbot für den Verkehr in Baden-Württemberg?

„Es läuft unweigerlich darauf hinaus, dass es individuelle Mobilität und Freiheit nur noch für Wohlhabende geben wird. Mieter in Mehrfamilienhäuser mit geringem oder mittlerem Einkommen können die E-Mobilität nicht bezahlen und verfügen auch nicht über die nötige Infrastruktur. Das ist der Weg in die Beseitigung des Mittelstandes und des Aufbaus einer Zweiklassengesellschaft. Das Ziel dahinter ist klar, den Anteil der Fahrzeuge zu reduzieren und nur noch für Gutbetuchte zu ermöglichen. Das ist eine fatale gesellschaftliche Entwicklung, beruhend auf einer gefährlichen Ideologie im krassen Gegensatz zu Marktwirtschaft und Freiheit.“

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