„Raus aus der Nische“: E-SUV als letzte Chance für angeschlagene Mercedes-Tochter Smart

Am 7. April stellte die Mercedes-Tochter Smart das E-SUV Smart #1 in Berlin vor. Für die angeschlagene Marke soll das Modell ein Befreiungsschlag werden.
Stuttgart/Berlin - Am gestrigen Donnerstag, 7. April, präsentierte die Automarke Smart mit dem Smart #1 in Berlin das seit langem angekündigte E-SUV. Für die Tochter des Stuttgarter Autokonzerns Mercedes-Benz stellt dieses Modell eine radikale Kehrtwende dar. Die Marke, die 1994 gegründet wurde und seit 2020 ausschließlich E-Autos produziert, ist weltweit hauptsächlich für die klassischen zweisitzigen Kleinwagen Smart Fortwo bekannt. Bei der Ankündigung, das Kult-Modell zu einem SUV zu machen, erntete Mercedes deutliche Kritik. Mit dem nun öffentlich vorgestellten Modell verlässt die Mercedes-Tochter die Kleinwagensparte und will sich so komplett neu aufstellen.
Im Mercedes-Benz-Konzern ist die Marke Smart seit langem das schwarze Schaf. Während das Tochter-Unternehmen Mercedes-AMG aus Affalterbach und die Derivate von Mercedes-Maybach mit hochpreisigen Luxusautos den Konzerngewinn nach oben treiben, lastet die Kleinwagensparte seit rund 24 Jahren schwer auf der Bilanz des großen Autobauers. In Kooperation mit dem chinesischen Autokonzern Geely, dessen Gründer Li Shufu der größte Aktionär von Mercedes-Benz ist, soll die Marke neu erblühen. Der Smart #1 ist das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit, mit dem sich Smart aus dem übergroßen Schatten des Mercedes-Sterns lösen will, berichtet das Handelsblatt.
Mercedes-Tochter Smart mit E-SUV statt Kleinwagen - „erreichen ganz andere Zielgruppen“
Durch den deutlichen Fokus auf die Produktion von E-Autos gestaltet Mercedes-Benz seit einigen Jahren den gesamten Konzern um. Bereits Mitte 2020 wurde bekannt, dass Mercedes ein Werk mit 1.600 Mitarbeitern verkaufen und eines der beliebtesten E-Autos künftig in China produzieren will. In diesem besagten Werk im französischen Hambach wurde bislang der elektrische Smart EQ produziert. Nachdem ein britischer Milliardär das Werk übernommen hatte und so 1.300 Mercedes-Mitarbeiter vor der Arbeitslosigkeit rettete, wurde bekannt, dass die Autos der Marke Smart ab 2022 ausschließlich in China produziert werden sollen.
Mit einer Länge von rund 4,3 Metern und Platz für fünf Personen hat das in Berlin vorgestellte Smart-SUV nur noch wenig mit den beliebten Kleinwagen der Mercedes-Tochter gemeinsam. „Wir gehen mit dem Produktportfolio raus aus der Nische“, sagte Dirk Adelmann, Chef der Smart Europe GmbH, dem Handelsblatt. Durch die Größe des Modells sei Smart zum ersten Mal auch für Familien geeignet und biete zudem eine elektrische Reichweite von bis zu 440 Kilometern. „Das ist deutlich mehr als nur ein City-SUV. Wir gehen über das rein urbane Umfeld hinaus und erreichen ganz andere Zielgruppen.“
Vertriebsnetz von Mercedes in Europa und Geely in China - Smart gibt globalen Anspruch auf
Dieter Zetsche, Vorgänger von Mercedes-Chef Ola Källenius, hielt im Jahr 2019 letztmals seine schützende Hand über die Kleinwagen-Tochter. Die durch die Weltpremiere des Smart #1 erstmals direkt gezeigte Kooperation mit Geely ist wohl auch die letzte Chance für die Marke, profitabel zu werden. Deshalb gab Smart auch den globalen Anspruch auf und will laut dem Handelsblatt zunächst nur in Europa und China Fuß fassen. „Wir planen relativ konkret weitere Produkte“, bestätigte Dirk Adelmann. „Nur so viel: Wir haben Anfang 2021 im Rahmen einer Zielgruppenanalyse bei potenziellen Kunden angefragt, wie unsere Ideen ankommen. Neben dem #1 hatten wir noch ein weiteres Produkt dabei, das mindestens genauso gut abgeschnitten hat.“
Für diese Offensive nutzt Smart in Zukunft das Vertriebsnetz von Mercedes-Benz in Europa und das von Geely in China. Das bringt aber auch Verpflichtungen mit sich. „Unsere beiden Shareholder haben uns ins Buch diktiert, dass wir definitiv im ersten Lebenszyklus des #1 in die Gewinnzone fahren“, erklärte Adelmann dem Handelsblatt. Demnach muss Smart bis spätesten 2029 profitabel sein. Das dürfte angesichts der bisherigen Reaktionen auf den elektrischen SUV von Smart keine leichte Aufgabe werden. Zudem tritt Smart durch das deutlich größere Modell zwar nicht mehr in die direkte Konkurrenz mit dem Mini Cooper, dafür gilt es aber gegen neue Konkurrenten anzukämpfen.
Mit dem Smart #1 beansprucht Smart einen Platz im Premiumbereich und konkurriert damit beispielsweise mit dem ID.3 von Volkswagen. Smart selbst sieht die angestrebte neue Produktpalette dagegen als ideale Ergänzung zur Luxus-Fahrzeugflotte von Mutter-Konzern Mercedes-Benz. Preislich soll der Smart #1 „unterhalb des EQA liegen“, sagte Adelmann. Das kleinste elektrische Mercedes-SUV ist für rund 48.000 Euro zu haben. Da sei allerdings noch viel Luft nach unten, sagte Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM), dem Handelsblatt. „Smart darf nicht wieder den Fehler machen, seine Modelle zu hoch zu bepreisen.“