Mercedes-Chef warnt vor Gaslieferstopp - „helfen der Ukraine nicht, wenn wir uns selbst schwächen“

In Bezug auf ein Gasembargo warnt Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius vor einer Schwächung der deutschen Wirtschaft. Damit sei der Ukraine nicht geholfen.
Stuttgart - Der seit beinahe zwei Monaten andauernde Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat auch deutliche Folgen für die deutsche Autoindustrie. Durch die unterbrochenen Lieferketten aus der Ukraine und die drastischen Sanktionen gegen den Aggressor mussten die Autohersteller ihre Produktionen auch in Deutschland drosseln. Mercedes-Benz hat die Verbindungen zu Russland gekappt und Lieferungen in das Land eingestellt. Der Konzern aus Stuttgart betreibt zwar keine Standorte in der umkämpften Ukraine, dafür aber ein großes Produktionswerk nahe der russischen Hauptstadt Moskau.
Die deutsche Autoindustrie ist angesichts des Krieges vor allem in Sorge um die Mitarbeiter, „die Menschen kommen zuerst, dann alles Geschäftliche“, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius. Im Zuge des unrechtmäßigen Einmarsches Russlands in die Ukraine wird in Deutschland über ein Gasembargo debattiert. Das hätte für die Bundesrepublik deutliche Folgen, da Russland mit Abstand der wichtigste Lieferant von Erdgas für den gesamten europäischen Kontinent ist. Bosch-Chef Stefan Hartung warnte bereits vor den Folgen eines Gaslieferstopps. Auch Ola Källenius sieht einen sofortigen Gaslieferstopp kritisch. Die deutsche Wirtschaft müsse stark sein, um der Ukraine helfen zu können, sagte der Mercedes-CEO im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Mercedes-Chef über den Ukraine-Krieg: „Hilfsbereitschaft ist auch in der Belegschaft groß“
Zu Beginn des Ukraine-Krieges geriet auch Mercedes-Benz in die Kritik. Der schwäbische Autobauer arbeitete mit einem Panzerwagenbauer aus Russland zusammen. Kurze Zeit später hat Mercedes aber weitreichende Maßnahmen ergriffen. „Wir haben früh entschieden, den Fahrzeugexport nach Russland einzustellen, und Produktion und Vertrieb in Russland heruntergefahren“, erklärte Ola Källenius der Süddeutschen Zeitung. Mercedes-Benz würde die Ukraine nicht nur mit Geldspenden, sondern auch mit Fahrzeugen für Hilfsorganisationen unterstützen. „Die Hilfsbereitschaft ist auch in der Belegschaft groß.“
Politisch steht allerdings zur Debatte, ob es reicht, die Ukraine zu unterstützen oder ob Russland im Gegenzug auch weiter geschwächt werden müsse. Ein Gasembargo soll aus deutscher Sicht sowohl die russische Wirtschaft schwächen, als auch Wladimir Putin die Finanzierung für seinen Angriffskrieg erschweren. Laut Mercedes-Chef Ola Källenius müsse die deutsche Wirtschaft aber handlungsfähig bleiben, um helfen zu können. „Dafür braucht es derzeit auch Energie aus dem Osten, denn wir haben in Deutschland heute noch keine Energiediversifikation“, sagte er. „Wir müssen uns diese Unabhängigkeit Schritt für Schritt erarbeiten, in der Geschwindigkeit, die möglich ist.“
„Wir helfen der Ukraine nicht, wenn wir uns selbst schwächen“, sagt Ola Källenius
Vor einem Gasembargo warnten auch bereits Arbeitnehmervertreter der Autoindustrie. Bei einem Gaslieferstopp würde die gesamte Industrie nach und nach zum Erliegen kommen, hieß es. Dass eine solche Entscheidung nicht leichtfertig vorgenommen werden sollte, sieht auch Ola Källenius. „Eine starke Wirtschaftsleistung ist die Grundlage für Deutschland, überhaupt reagieren zu können, egal in welcher Dimension“, erklärte der Mercedes-Chef der Süddeutschen Zeitung. Das sei schwierig für alle und man müsse andauernd neu kalibrieren. „Aber momentan ist es richtig, die Energielieferungen nicht zu stoppen.“
Um der weiterhin stark umkämpften Ukraine helfen zu können, dürfe sich die deutsche Wirtschaft laut dem Mercedes-CEO nicht selber schwächen. „Wir helfen der Ukraine nicht, wenn wir uns selbst schwächen“, machte er deutlich. „Genau das würde aber passieren bei einem sofortigen Energie-Stopp.“ Selbst ein Weltkonzern wie Mercedes-Benz könnte einen völligen Lieferstopp von russischem Gas nicht ohne weiteres verkraften. Bestimmte Anlagen, wie beispielsweise Lackieranlagen, die rund um die Uhr laufen, um nicht zu verstopfen, stünden dann notgedrungen still. „Solche Beispiele gibt es in nahezu allen Unternehmen“, so Källenius.
Obwohl der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz vor einem Gaslieferstopp und der dadurch entstehenden Schwächung der deutschen Wirtschaft warnt, sieht er das derzeitige Vorgehen der Regierung als richtig an. „Soweit ich das sehe, entscheiden Robert Habeck und die Regierung darüber sehr überlegt“, sagte Ola Källenius. „Die wissen, was sie tun. Wir müssen in dieser schwierigen Situation hinter unserer Regierung stehen.“