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Mercedes-Strategiechefin Carolin Strauß im Exklusiv-Interview: „Die Luxus-Strategie bietet enormes Potenzial“

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Von: Julian Baumann

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Links: Ein Mercedes-Benz EQS 4Matic. Rechts: Mercedes-Strategiechefin Carolin Strauß.
Im Interview mit BW24 sprach Mercedes-Strategiechefin Carolin Strauß über die Luxus- und die E-Auto-Strategie des Traditionskonzerns. © Mercedes-Benz AG - Communication

Mercedes-Benz setzt auf Luxus und Elektrifizierung. Im Exklusiv-Interview mit BW24 sprach Strategiechefin Carolin Strauß über die Zukunft des Konzerns.

Stuttgart - In der langen Geschichte des Stuttgarter Traditionskonzerns Mercedes-Benz hat sich das Unternehmen mehrfach neu erfunden und ausgerichtet. Am 19. Mai stellte der Vorstand um Konzernchef Ola Källenius die erweiterte Luxus-Strategie des Autobauers vor. Mercedes besinnt sich noch stärker auf den Luxus, in Zukunft sollen vor allem die hochpreisigen Modelle der Kernmarke Mercedes-Benz, der Luxus-Marken Mercedes-AMG und Mercedes-Maybach und die Modelle der vollelektrischen Baureihe Mercedes-EQ im Fokus stehen.

Die Transformation zur E-Mobilität geht bei Mercedes-Benz demnach Hand in Hand mit der verstärkten Ausrichtung auf den Luxus. Mit der Grundsteinlegung eines E-Campus im Herzen des Stammwerks in Stuttgart-Untertürkheim präsentierte der Konzern einen Beleg für die erklärte Lead in Electric Strategie. Im Interview mit BW24 sprach Carolin Strauß, Strategiechefin von Mercedes-Benz, unter anderem über ihre Arbeit, die Zukunftspläne des Weltkonzerns und darüber, warum die Elektrifizierung zum jetzigen Stand die einzige realistische Zukunftsperspektive für den Autobau ist.

Mercedes-Strategiechefin Carolin Strauß im Interview: „Wir fokussieren uns auf profitables Wachstum“

Frau Strauß, Sie arbeiten bereits seit 18 Jahren bei Mercedes-Benz und sind seit Beginn des Jahres 2022 Strategie-Chefin. Können Sie uns zum Start einen Einblick in Ihre Arbeit geben?

Ich bin seit Anfang des Jahres Leiterin der Mercedes-Benz Strategie und befasse mich intensiv mit zahlreichen spannenden strategischen Themen. Wir haben bei Mercedes sechs strategische Säulen und in diesem Jahr stehen besonders die Umsetzung unserer Lead in Electric Strategie und das Thema Lead in Car-Software stark im Fokus, aber auch die Umsetzung unserer Luxus-Strategie.

Was stand bei Ihrem Amtsantritt zu Beginn des Jahres im Fokus?

Ich bin inzwischen seit 18 Jahren bei Mercedes-Benz und hatte die Möglichkeit, viele interessante Aufgaben zu übernehmen. Aber natürlich bietet eine neue Stelle neue Ansprechpartner und neue Herausforderungen. Insofern habe ich die ersten Monate genutzt, um mich genau mit den Themen vertraut zu machen und mich einzuarbeiten.

Das bei Mercedes-Benz aktuelle Thema ist die Luxus-Strategie, die bereits im Jahr 2020 verkündet und vor wenigen Tagen, am 19. Mai, noch einmal konkretisiert wurde. Wie sind bisher die Reaktionen auf die Strategie?

Die Reaktionen sind sehr positiv. Ich glaube, es ist gut, dass wir uns einen klaren Fokus setzen, auch in Zeiten der Transformation eine klare Richtung vorgeben und unsere Strategie weiter konsequent umsetzen. Die Strategie wurde bereits im Herbst 2020 vorgestellt. Und das ist im Grunde eine Nachschärfung genau dieser Strategie, denn der Wunsch nach etwas Besonderem ist bei den Kunden weiterhin ungebrochen. Und das soll der Kunde bei Mercedes-Benz auch bekommen.

Es gab vereinzelt aber auch Kritik. Der Verkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann (Grüne), hat jüngst die Luxus-Strategie von Mercedes-Benz kritisiert und sie als Einladung für asiatische Hersteller bezeichnet. Was sagen Sie dazu?

Ich bin davon überzeugt, dass die Luxus-Strategie für uns enorme Chancen und auch enormes Potenzial bietet. Wir wollen und werden weiter wachsen - aber fokussieren uns auf profitables Wachstum. Insofern machen wir unser Geschäft resilienter und sichern so beispielsweise auch Arbeitsplätze in Deutschland.

Mercedes-Strategiechefin Carolin Strauß im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart.
Carolin Strauß ist seit dem 1. Januar 2022 die Strategiechefin von Mercedes-Benz. © Mercedes-Benz AG - Communication

Mercedes-Benz-Strategiechefin Carolin Strauß

Carolin Strauß trat im Jahr 2004 in die damalige Daimler AG ein und war sowohl in der Fahrzeug- und Motorenentwicklung, als auch im Corporate Audit sowie mehrere Jahre im Stab des ehemaligen Konzernchefs Dieter Zetsche tätig. Im Jahr 2018 übernahm sie die Verantwortung für das Lifecycle-Management, von September 2019 an war sie in leitender Funktion für die Antriebssysteme zuständig und steuerte in diesem Bereich alle Projekte - von Motoren und Getrieben bis zu den eATS. Seit dem 1. Januar 2022 ist Carolin Strauß, als Nachfolgerin von Mathias Geisen, Head of Strategy bei der Mercedes-Benz Group AG.

Das erklärte Ziel ist es, nicht mehr im Bereich der Volumenhersteller konkurrenzfähig zu sein. Mercedes-Benz wird deshalb auch drei Modelle aus dem Einstiegssegment streichen. Was sind die Nachteile einer Massen- oder Volumenproduktion?

Die Luxus-Strategie bedeutet ja nicht Nischenstrategie. Wir wollen weiter wachsen, aber eben verstärkt profitabel wachsen. Im Einstiegssegment, dem Entry Luxury Segment, gibt es aktuell sieben Aufbauvarianten und wir werden uns zukünftig auf vier fokussieren. Ziel ist es, die Produkte noch attraktiver für den Kunden zu machen. Wir werden in Zukunft eine ganze Palette an überzeugenden, vollelektrischen Produkten im Entry-Segment anbieten. Das absolute Volumen in diesem Bereich bleibt gleich. Dadurch, dass wir in Summe wachsen, wird der Anteil dieses Segmentes am Gesamtvolumen geringer.

Einige Mercedes-Kunden befürchten jetzt, dass sie sich in Zukunft keinen Neuwagen mehr leisten können. Welche Zielgruppe will Mercedes-Benz denn ansprechen?

Wir werden auch in Zukunft ein sehr attraktives Angebot haben, das seinen Preis wert sein wird. Natürlich zielt eine Luxus-Strategie am Ende auch darauf ab, sich auf Kunden zu fokussieren, die sich das auch leisten können und wollen. Global gesehen, steigt die Anzahl an Personen, die sich ein solches Fahrzeug leisten können. Und auch in Zukunft werden aus meiner Sicht sehr viele Kunden dazu bereit sein, Geld für einen Mercedes auszugeben. Denn sie bekommen ja auch einen entsprechenden Gegenwert, ein wirklich tolles und begehrenswertes Fahrzeug. Mercedes-Benz ist die wertvollste Luxus-Automobilmarke der Welt und wir sehen, dass im Luxussegment die Restwerte mitunter auch höher sind. Das heißt, auch davon profitieren die Kunden.

Der Fokus soll in Zukunft auch auf den Luxusmodellen der Kernmarke Mercedes-Benz und der Marken Mercedes-AMG, Mercedes-Maybach und Mercedes-EQ liegen. Gibt es Überlegungen oder sogar konkrete Pläne, dieses Portfolio noch zu erweitern?

Wir haben am 19. Mai eine neue dreistufige Segmentierung unseres Produktportfolios vorgestellt: das Entry Luxury Segment, das Core Luxury Segment und das Top-End Luxury Segment. Im Entry Luxury Segment werden wir uns wie bereits gesagt eher fokussieren. Im Top-End Luxury Segment dagegen, werden wir das Portfolio weiter ausbauen. Wir werden weitere limitierte Editionen und noch mehr Individualisierungsmöglichkeiten anbieten. Und auch die Elektrifizierung werden wir noch stärker vorantreiben. Dadurch wird der Kunde in diesem Segment noch weitere Auswahlmöglichkeiten bekommen und wir gehen davon aus, im Top-End Segment überproportional wachsen zu können.

Im vergangenen Jahr wurde die Partnerschaft zwischen Mercedes-Benz und Aston Martin intensiviert. Spekuliert wurde in diesem Rahmen sogar über eine vollständige Übernahme. Gibt es in diese Richtung Pläne?

Schon 2013 gab es die erste strategische Kooperation mit Aston Martin. 2020 wurde diese Partnerschaft noch verstärkt und ermöglichte Aston Martin Zugang zu neuen Technologien und Komponenten von Mercedes-Benz, darunter auch Hybrid- und Elektroantriebsstränge. Im Tausch erhöhen wir schrittweise unsere Beteiligung an Aston Martin bis maximal 20 Prozent. Es besteht nicht die Absicht, diese Beteiligung über dieses Niveau hinaus zu erhöhen.

Aber die Absicht, mit der Technik von Mercedes-Benz E-Autos von Aston Martin zu bauen, wie es in einer Pressemitteilung im vergangenen Jahr hieß, besteht weiterhin?

Diese Absicht besteht weiterhin.

Auch in Zukunft werden sehr viele Kunden dazu bereit sein, Geld für einen Mercedes auszugeben.

Carolin Strauß, Strategiechefin Mercedes-Benz

Bei der E-Auto-Strategie ist der nächste große Meilenstein nach 2025 der Wechsel von derzeit „Electric First“ zu „Electric Only“ ab dem Jahr 2030. Ab diesem Jahr will Mercedes-Benz überall da, wo es die Marktbedingungen zulassen, ausschließlich E-Autos verkaufen. Wie müssen die Marktbedingungen dafür denn aussehen?

Letztendlich liegt unsere Aufgabe vor allem auf der Angebotsseite. Wir werden unseren Kunden eine ganze Palette an überzeugenden vollelektrischen Fahrzeugen bieten. Das heißt, es wird schon in diesem Jahr in jedem Segment eine elektrische Alternative geben und wir werden bis 2030 soweit sein, auf vollelektrisch umstellen zu können. Am Ende erfordert die weltweite Umstellung aber mehr, als dass wir das Angebot bereitstellen. Dazu zählt auch eine Infrastruktur, die mit dem Hochlauf der Elektromobilität Schritt halten kann. Denn der Wechsel zur Elektromobilität muss für den Kunden attraktiv sein, und das möglichst weltweit.

Sie haben gerade die Ladeinfrastruktur angesprochen. Die ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht überall weit genug ausgebaut. Mercedes-Benz ist bei Ionity beteiligt, aber gibt es Pläne, selbst Ladesäulen zu errichten, wie es beispielsweise Tesla macht?

Wir leisten dazu neben der Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotte schon länger unseren Beitrag, zum Beispiel mit Mercedes me Charge. Über unsere Mercedes me App kann Mercedes me Charge benutzt werden und es gibt die Möglichkeit, auf eines der größten Ladenetzwerke Europas zuzugreifen. Das Netzwerk an Ladepunkten wächst kontinuierlich, mittlerweile sind es allein in Europa rund 300.000 und weltweit 700.000. Einen weiteren Beitrag liefern wir über unsere Ionity-Beteiligung: bis 2025 wird Ionity die Anzahl an Ladesäulen von heute 1.700 auf rund 7.000 erhöhen.

Am 19. Mai wurde bei dem Strategie-Update eine neue Mercedes-E-Klasse angekündigt. Wird das eine Verbrenner-E-Klasse?

Wir haben im Grunde zwei Varianten: Wir haben die klassische E-Klasse, die es als Verbrenner und als Plug-in-Hybrid geben wird und die wir im nächsten Jahr auf den Markt bringen. Und gleichzeitig kommt jetzt auch der EQE als vollelektrische Variante auf den Markt. Insofern hat der Kunde die volle Auswahl und kann frei wählen, was am besten zu ihm und seinen Bedürfnissen passt.

Mercedes-Strategiechefin: „Für uns ist die Richtung ganz klar, nämlich batterieelektrische Fahrzeuge“

Porsche arbeitet an synthetischen Kraftstoffen, mit denen der Verbrenner CO₂-neutral betrieben werden soll. Wären die E-Fuels, bei einer entsprechenden Marktreife und bezahlbaren Preisen auch für bestimmte Mercedes-Modelle eine Option?

Wichtig ist es immer zu überlegen, was wir mit der Elektrifizierung erreichen wollen. Wir möchten dem Kunden eine nachhaltige Option bieten. Daher müssen wir betrachten - wie kommt die Energie ins Fahrzeug und wie wird sie effizient verwendet? Insofern muss man sich die Gesamtenergiebilanz anschauen: Wie wird sie erzeugt und wie wird sie dann in die Mobilität umgesetzt? Wir sehen heute, dass die batterieelektrischen Fahrzeuge eine deutlich bessere Energiebilanz haben. Insofern liegt unser Fokus ganz klar auf batterieelektrischen Alternativen. Sollte sich im technologischen Umfeld etwas ändern, sind wir dafür natürlich offen. Synthetische Kraftstoffe in unseren Verbrennern einzusetzen, ist grundsätzlich möglich. Nur sehen wir das zum heutigen Stand nicht als die nachhaltigste und energieeffizienteste Lösung aller Varianten an.

Die Entwicklung der Wasserstoff-basieren Brennstoffzelle wurde ebenfalls eingestellt. Was sind dafür die Gründe?

Das ist im Grund eine ähnliche Begründung wie bei den E-Fuels. Wir müssen den Wasserstoff zunächst erzeugen, dann muss er transportiert und anschließend in Energie zurückverwandelt werden, um sie in einem Elektromotor dann wieder in Mobilität umzusetzen. Und auch diese Gesamtbilanz ist aktuell deutlich schlechter als das, was wir auf der batterieelektrischen Seite sehen. Für uns ist die Richtung ganz klar, nämlich batterieelektrische Fahrzeuge.

Mercedes-Benz hat als erster Hersteller der Welt die Freigabe für das autonome Fahren der Stufe 3 erhalten und die Technologie vor wenigen Tagen zum Verkauf freigegeben. Wenn ich es richtig verstanden habe, muss man diese Freigabe auf jedem Markt neu beantragen. Wie ist da der Fortschritt?

Ich glaube, die Freigabe für Level 3 in Deutschland ist ein wichtiger Anfang und ein Alleinstellungsmerkmal. Diesen Prozess wollen wir fortführen. Es ist ein kontinuierlicher Rollout, jedes Land hat eigene Regeln und Regulierungen, die wir berücksichtigen wollen. Gleichzeitig entwickeln wir auch die Technologie immer weiter.

In drei Worten: Was macht Mercedes-Benz für Sie als Marke aus?

Begehrenswert - weil Mercedes für absolute Traumautos steht.

Technologieführend - als Ingenieurin haben mich immer die technologischen Innovationen von Mercedes begeistert.

Nachhaltig - weil Luxus nicht ohne Nachhaltigkeit geht.

Können Sie abschließend einen Einblick geben, welche Schritte in der Luxus- und der E-Auto-Strategie als Nächstes anstehen?

Nun geht es an die weitere Umsetzung. Wir haben unsere Strategie aufgezeigt und ich glaube, wir haben schon gute Fortschritte gemacht. Auch an den Zahlen des vergangenen Jahres sieht man, dass die Luxus-Strategie trägt, dass wir sehr viele Fahrzeuge aus dem Top-End Luxury Segment verkauft haben. Das werden wir weiter ausbauen. Wir sehen, dass die Elektrifizierung weiter beschleunigt und auch da geht es bei uns weiter um die Umsetzung, damit wir die Ziele, die wir uns gesteckt haben, auch erreichen. Wir sind aktuell auf einem sehr guten Weg und den werden wir konsequent weiter verfolgen.

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