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Daimler-Betriebsratschef fürchtet um tausende Arbeitsplätze - „sehe schwarz“

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Von: Julian Baumann

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Michael Brecht, Betriebsratschef von Mercedes-Benz und Daimler Truck, fürchtet angesichts der EU-Förderungspolitik um tausende Arbeitsplätze.

Stuttgart - Die Transformation zur E-Mobilität beschäftigt die Industrieregionen weltweit, nicht überall wird die herausfordernde Umstrukturierung und der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur aber gleich gefördert. Michael Brecht, der Betriebsratschef von Mercedes-Benz und Daimler Truck, zeigte sich bereits 2022 um den Industriestandort Deutschland besorgt. Die Industriepolitik in Deutschland und Europa sei nicht ansatzweise mit China oder den USA vergleichbar, hatte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im September erklärt. „Mit dieser Geschwindigkeit wird es einfach nicht funktionieren“, so Brecht in Bezug auf die Transformation. „Ich sehe schwarz, dass die passende Infrastruktur entsprechend nachgezogen wird.“

Autobauer Mercedes-Benz hat inzwischen den Aufbau einer eigenen Ladeinfrastruktur für die wachsende E-Auto-Flotte bekannt gegeben und auch Lkw-Hersteller Daimler Truck setzt bei den schweren Nutzfahrzeugen auf die E-Mobilität. Die Sorge von Betriebsratschef Brecht, der nur noch bis zum 3. Mai auch dem Betriebsrat des Autobauers vorstehen wird, hat sich allerdings nicht gelegt. Durch die Förderpolitik in Deutschland und der EU sieht der Arbeitnehmerboss tausende Arbeitsplätze in den starken europäischen Industriestandorten bedroht.

Daimler-Betriebsratschef kritisiert Förderungspolitik in Bund und EU

In Deutschland gibt es beim Kauf eines E-Autos zwar nach wie vor einen staatlichen Zuschuss, dieser wurde zum 1. Januar 2023 aber deutlich angepasst und die Prämie soll in den kommenden Jahren weiter gekürzt werden. Zugleich hat die Bundesregierung allerdings das Ziel erklärt, bis 2030 15 Millionen vollelektrischer Autos auf die Straßen zu bringen. Durch die gedrosselte Förderung verlieren Deutschland – und auch andere Mitgliedsstaaten der EU – allerdings immer mehr den Anschluss. „Wenn die Politik in Deutschland und der EU so weitermacht, sehe ich schwarz für die Arbeitsplätze – vor allem in den heute starken Industrieregionen“, sagte Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht den Badischen Neuesten Nachrichten.

Mitarbeiter montieren am 08.02.2012 in Wörth im Werk von Mercedes Benz einen Motorblock in das Fahrwerk eines Lastkraftwagens.
Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht fürchtet angesichts der Förderpolitik von Bund und EU um zahlreiche Arbeitsplätze. © Uwe Anspach/dpa

Dass sich die Produktionen von Zukunftstechnologien zunehmend in Länder verlagern wird, in denen diese Technologien auch direkt gefördert werden, hat nicht nur Einfluss auf die Beschäftigung, sondern auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Staaten. Wie wichtig die Investitionen seien, zeige sich aktuell an der Förderpolitik der USA, so Brecht. Der von US-Präsident Joe Biden ausgerufene Inflation Reduction Act sieht Investitionen von rund 400 Milliarden Dollar in die Bereiche Energie, Industrie, Umwelt und eben auch Elektromobilität vor.

Industriestandort in Gefahr: Investitionen und Produktionsschritte werden zunehmend verlegt

Kunden, die ein E-Auto auf dem US-Markt kaufen, sollen bis zu 7.500 Dollar Steuernachlass erhalten können, während die EU die Förderungen immer weiter drosselt. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir Europäer den Schuss gehört haben“, sagte Brecht. Der Betriebsratschef von Daimler Truck setzte im Gespräch mit den BNN nach und monierte, dass in Deutschland und den EU-Staaten nur strukturschwache Regionen gefördert werden. „Wenn wir bei Daimler Truck also eine Batteriezellenfertigung in der Nähe der heutigen Produktion errichten wollen, ist es fast unmöglich, eine Förderung zu bekommen, die im Vergleich zu anderen Regionen attraktiv genug ist.“

Bereits im vergangenen Jahr hatte Michael Brecht erklärt, dass der Lkw-Bauer den großen Sprung wagen müsse. „Wir reden bei einer eigenen Batteriezellenproduktion mit fünfzehn Gigawattstunden von einer Investition zwischen 700 und 800 Millionen Euro“, sagte er der dpa. Treffe man in Deutschland nicht bald eine Entscheidung, dann würden diese riesigen Investitionen woanders getätigt. Die Verlagerung von Produktionsschritten ins Ausland ist aktuell ohnehin ein viel diskutiertes Thema in der deutschen Autoindustrie. Die großen schwäbischen Autozulieferer Bosch und ZF Friedrichshafen wollen Komponenten für die E-Mobilität im europäischen Ausland fertigen und der Esslinger Zulieferer Eberspächer hat mit dem Bau einer neuen Fabrik in Bulgarien begonnen.

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