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Die beste Werbung fürs Auto macht immer noch die Bahn 

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Von: Julian Baumann

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Haltestelle Charlottenplatz der Stadtbahn Stuttgart.
Der öffentliche Nahverkehr kann eine Alternative zum eigenen Auto darstellen. Aktuell mangelt es dafür aber noch an zu vielen Punkten. © IMAGO/Arnulf Hettrich

Die Mobilitätswende soll nicht nur mit alternativen Antrieben, sondern auch mit dem Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr gelingen. Dafür bedarf es aber noch ein ganzes Stück an Arbeit. Ein Kommentar.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt Stuttgart ist ohne Zweifel eine Autostadt. Mit Mercedes-Benz, Porsche und Bosch haben nicht nur gleich drei Weltfirmen der Autoindustrie ihren Hauptsitz in der Schwaben-Metropole, es heißt auch, es gebe in der Innenstadt kein Fleckchen Erde, an dem keine Autos zu hören sind. Der Verkehr in Stuttgart ist allerdings nicht nur in den Hauptbetriebszeiten mitunter ein wirklicher Albtraum, auch an Parkmöglichkeiten mangelt es in der größten Stadt Baden-Württembergs nach wie vor. Eine Alternative ist der öffentliche Nahverkehr der SSB beziehungsweise des VVS, der gut ausgebaut, weit vernetzt, aber aktuell leider absolut nicht zuverlässig ist.

Das Auto einfach mal stehen lassen und mit Bus und Bahn zum Arbeitsplatz oder zum Shoppen in die Innenstadt – das fordern die Politiker im Südwesten auch aufgrund der mitunter verheerenden Feinstaubwerte bereits seit langem. Baden-Württemberg will den Umstieg auf Bus und Bahn erleichtern, hieß es im Oktober 2021. Auch im Rahmen der aktuellen Mobilitätswende ist der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel – neben dem Umstieg auf Fahrzeuge mit klimafreundlichem Antrieb – ein erklärtes Ziel. Die Deutsche Bahn und auch die Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg haben aber aktuell so viele Probleme, dass das Auto immer noch die bessere Wahl ist.

Alternative zum Auto? Dann muss der Nahverkehr aber funktionieren

Eigentlich ist es ganz einfach: Damit mehr Menschen das Auto stehen lassen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen, muss dieser auch zuverlässig und zumindest einigermaßen pünktlich sein. Bahn-Chef Richard Lutz hatte im vergangenen Jahr Fehler eingeräumt und 2023 Besserung versprochen. Davon ist aber derzeit wenig zu sehen. Am Freitagabend (3. März) konnte ich am Hauptbahnhof Stuttgart gerade noch eine Bahn Richtung Berlin entdecken, die laut Anzeigetafel sage und schreibe 100 Minuten Verspätung gehabt haben soll. Dass es beim Fernverkehr immer wieder Verspätungen, Zugausfälle und andere Frustmomente gibt, ist leider bekannt. Der Fernverkehr ist allerdings auch nicht wirklich eine gewollte Alternative zum Auto, der Nahverkehr dagegen schon.

Die Stichwörter „Stellwerkstörung“ oder „Signalstörung“ hören und lesen Stuttgarter aktuell so gut wie jeden Tag. Aufgrund kleinster Komplikationen – wie einem Kurzschluss – geht im Kessel stundenlang nichts und auch nachfolgend kommt es gleich auf mehreren Strecken noch lange zu Verspätungen. Wer an diesen Tagen, und das sind aktuell einige, wichtige Termine hat, ist mit der Bahn aufgeschmissen. Während man mit dem eigenen Auto möglicherweise noch eine Alternativroute fahren kann, um die schlimmsten Staupunkte zu umgehen, ist man bei der Bahn oftmals auf eine Linie angewiesen. Ob man im Stau steht, oder mit anderen Wartenden zusammengepfercht an einem Bahnsteig ausharrt, ist dann auch egal.

Veraltete Technik und langsame Fehlerbehebung: Probleme bei der Bahn verzögern Umstieg

Wie wichtig die Verkehrsmittel der SSB sind, zeigte sich am 3. März, als ein Streik der Gewerkschaft Ver.di den gesamten Stadtbahn-Verkehr in Stuttgart lahmlegte. Den Mitarbeitern ist dabei natürlich kein Vorwurf zu machen, dass der Verkehrsverbund aber keine Alternativen organisierte, sondern lediglich mitteilte „Infomieren Sie sich“, zeigt ein deutliches Bild. Die Stadtbahn hat aktuell zwar auch immer wieder Probleme, noch mehr Handlungsbedarf gibt es aber offenbar auf den Strecken der S-Bahn. Im Netz wüteten zahlreiche Nutzer im vergangenen Jahr über ein Bahnchaos in Stuttgart und die Durchsage eines Stuttgarter Lokführers, der mit den neuen Zügen abrechnete und sie den „allerletzten Dreck“ nannte, spricht ebenfalls Bände.

Ein Problem scheint, neben veralteter Technik und Schienen, auch die Fehlerbehebung zu sein. Nach dem bereits angesprochenen Bahnchaos im vergangenen Jahr musste die Bahn in ganz Deutschland nach Ersatzteilen suchen. Dass es nach einer Störung schnell wieder reibungslos läuft, ist leider Wunschdenken. Auf den Straßen kann es natürlich, wie bereits gesagt, auch zu Problemen und Verzögerungen kommen, dabei kann aber oft auf andere Strecken ausgewichen werden. Wenn es in Stuttgart zu einer Stellwerkstörung oder einer Signalstörung kommt, steht aber erstmal wirklich alles still. So wie am Montagmorgen (6. März) zwischen der Schwabstraße und Vaihingen – pünktlich zum Berufsverkehr.

Damit mehr Menschen das Auto stehen lassen, muss bei der Bahn noch einiges passieren

Dass die innerstädtischen Verkehrsmittel eine Alternative zum Autoverkehr sein können, steht außer Zweifel. Obwohl Grüne und FDP beim Thema Verkehrswende auf gegenseitigen Positionen stehen, waren sich die Sprecher der Landtagsfraktionen in diesem Punkt einig. „Wir wollen die klimafreundliche Transformation und die Steigerung der Attraktivität aller Verkehrsträger“, hatte Friedrich Haag, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, gegenüber BW24 erklärt. „Dann sollen die Bürgerinnen und Bürger in eigener Verantwortung entscheiden, welche Verkehrsmittel sie nutzen wollen.“ Silke Gericke, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sagte, es sei wichtig, „dass im Zuge der Mobilitätswende möglichst viele Menschen auf klimafreundliche Verkehrsmittel umsteigen.“

Die von Haag angesprochene „Steigerung der Attraktivität“ ist in Bezug auf die Bahn ein gutes Stichwort. Mit zuverlässigeren Fahrzeugen, die nicht ständig repariert werden müssen, beziehungsweise einer besseren Wartung, einer genaueren Taktung und schnelleren Fehlerbehebungen sowie einer angemessenen Bezahlung für die Angestellten, könnten die öffentlichen Verkehrsmittel – zusammen mit anderen Angeboten – durchaus dazu beitragen, dass mehr Menschen das Auto stehen lassen. Aktuell lässt sich aber leider sagen, dass die Bahn noch immer die beste Werbung für das Auto macht – und das ist in Bezug auf die Mobilitätswende nicht gerade eine gute Nachricht.

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